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Gudrun Tiedge zu TOP 07: Neunter Tätigkeitsbericht des Landesbeauftragten für den Datenschutz für die Zeit vom 1. April 2007 bis 31. März 2009

Jahrelang konnte man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass der Datenschutz etwas ist, was eigentlich nur die Datenschutzbeauftragten selbst interessiert. Aber insbesondere deren Beharrlichkeit ist es zu verdanken, dass dieses wichtige Thema in den Mittelpunkt öffentlichen Interesses gerückt ist. Dafür sollten wir ihnen und natürlich insbesondere unserem Datenschutzbeauftragten, Herrn Dr. von Bose, danken.

Datenschutz war und ist eine wirkliche Puzzlearbeit. Ist ein Teilstück geregelt, tut sich ein anderes Problemfeld auf. Und im Zeitalter der modernen Technik werden die Probleme auch stets diffiziler.

Sind auf Länderebene datenschutzrechtliche Probleme erkannt und behoben worden, gibt es einen neuen Ansatz seitens der EU, der alles wieder in Frage stellt. So finanziert die EU seit Jahresbeginn ein Forschungsprojekt, welches alle bestehenden Überwachungstechnologien verbinden soll. Das Projekt, genannt „Indect“, soll es ermöglichen, dass „alles“ gesehen und „alles“ verfolgt werden kann.

Das Projekt will bis 2012 eine Plattform entwickeln, die Videokameras biometrisch auswertet und ihre Bilder mit Auffälligkeiten in Datenbanken abgleicht. Darüber hinaus sollen fliegende Kameras eingesetzt werden, die autonom „verdächtiges“, „abnormales“ Verhalten erkennen und entsprechende Personen verfolgen sollen.Datenschützer nennen das Projekt deshalb auch „Bevölkerungsscanner“ und lehnen es ab.

Mit klassischer Verbrechensbekämpfung hat dies aber auch überhaupt nichts mehr zu tun. Das Projekt ist der Versuch, mit allen technischen Möglichkeiten in die Privatsphäre eines jeden Bürgers, einer jeden Bürgerin einzugreifen. Der Begriff der Unschuldsvermutung bleibt dabei völlig auf der Strecke. Die EU lässt sich dieses Projekt insgesamt 14,86 Mio. Euro kosten.

Treffend dazu schreibt Herr Dr. von Bose in seinem Bericht: „Die gesellschaftlichen Auswirkungen der modernen Informations- und Kommunikationsgesellschaft einschließlich des sich daran beteiligenden Staates auf die Bedeutung der Privatsphäre und letztlich auf das Gemeinwesen insgesamt sind noch nicht absehbar. Dies gilt zumal für die digitale Revolution des Internets, das nichts mehr vergisst. Was wir gewinnen, was wir verlieren, das ist noch offen.“

Und an anderer Stelle: „Selbstbestimmung ist eine elementare Funktionsbedingung des freiheitlich demokratischen Gemeinwesens. Selbstbestimmung und Privatheit werden nicht um ihrer selbst willen geschützt.“

Der Berichtszeitraum des Tätigkeitsberichtes bezieht sich auf die Zeit vom 1. April 2007 bis zum 31. März 2009. Dabei stellte der Datenschutzbeauftragte fest, dass die Zahl der Eingänge und Anfragen wiederum angewachsen sei - auf insgesamt 3.730 im Jahr 2008.

Dabei kommt er auch zu dem Fazit, dass bei verschieden Kontrollen und Vorgängen nicht selten ein unzureichendes Bewusstsein für Datenschutzbelange bei Behörden, deren Leitungen und Datenschutzbeauftragten festgestellt werden musste.

Folgende Empfehlungen wurden dabei von ihm erarbeitet:

  • Normenklarheit und Normenbestimmtheit;
  • Datensparsamkeit;
  • Strenge Zweckbindung bei Datenerhebung und -verarbeitung;
  • Befristung und Evaluation von Eingriffsmaßnahmen;
  • Förderung des Datenschutzbewusstseins, aber auch für mehr Selbstdatenschutz;
  • Transparenz bei der Datenverarbeitung (um nur einige Aspekte zu nennen).

Und wie aktuell diese Punkte sind, zeigen die letzten, im 10. Parlamentarischen Untersuchungsausschuss verhandelten Vorkommnisse hinsichtlich gespeicherter Daten.

Und so verwundert es dann auch nicht, dass bereits im letzten Tätigkeitsbericht der Landesdatenschutzbeauftragte darauf hinwies, dass die Zusammenarbeit zwischen den Polizeibehörden und dem Datenschutzbeauftragten in Teilen dadurch erschwert wird, dass für Stellungnahmen der Dienstweg über das Ministerium des Innern einzuhalten war. Das kostete nicht nur Zeit, sondern wurde auch der Verpflichtung der öffentlichen Stellen zur Unterstützung des Landesbeauftragten nicht gerecht.

Nun wurde der Erlass nach Kritik des Landesbeauftragten zumindest vorläufig tragbar, er verkennt aber nach wie vor, dass die öffentlichen Stellen verpflichtet sind, ihn bei seiner Arbeit zu unterstützen und nicht wie vom Innenminister formuliert, nicht behindert werden darf.

Nach wie vor wird der Datenschutzbeauftragte die Videoüberwachung auf dem Hasselbachplatz im Auge behalten. So wird er sich regelmäßig berichten lassen, welche Erkenntnisse bzw. Vorfälle zur Rechtfertigung der Videoüberwachung herangezogen werden. Das auch mit Blick auf Berichterstattungen hinsichtlich der Videoüberwachungen in London, die zu keinem nennenswerten Ergebnis geführt haben.

Interessant waren auch die Ausführungen zu fehlenden Protokollierungen von Datenabfragen. Irgendwie tun sich bei einem da immer wieder Parallelen zu den Untersuchungsausschüssen auf.

Ein weiteres wichtiges Thema ist die Frage nach Medienkompetenz und Datenschutzbewusstsein von Schülern. Die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder haben in einer Resolution die zuständigen Minister der Länder aufgefordert, bei den Schülern den informationellen Selbstschutz und ein Datenschutzbewusstsein zu wecken und zu stärken und damit zu dokumentieren, dass Datenschutz zum Bildungsauftrag an Schulen gehört - und das nicht nur in den Fächern Moderne Medien und Informatik, sondern vor allem in den Fächern Sozialkunde, Rechtskunde und auch Ethik.

Im Vorwort der Broschüre zur Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder heißt es: „Diese Entwicklung hin zur allgegenwärtigen Datenverarbeitung hat aber auch ihre Kehrseite: wir sind nie mehr wirklich allein und können unseren „Datenschatten“ nicht abschütteln, wir haben zudem kaum eine Möglichkeit, diesen überhaupt zu bemerken.“

Aber auch eben dafür haben wir den Datenschutzbeauftragten, der jeden und jede von uns immer daran erinnert und den öffentlichen (und hoffentlich auch bald den nichtöffentlichen) Stellen sehr genau auf die Finger schaut. Und dafür nochmals unseren ausdrücklichen Dank.