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Gerald Grünert zu TOP 18: Keine Sozialversicherungspflicht für das kommunale Ehrenamt

Über die Bedeutung des Ehrenamtes für unser Gemeinwesen in Deutschland und speziell hier bei uns in Sachsen-Anhalt dürfte ein breiter, partei- und fraktionsübergreifender Konsens bestehen.
Ohne dieses Element des Bürgerengagements in vielen gesellschaftlichen Bereichen wäre unser Gemeinwesen ärmer. In manchen Bereichen, wo Menschen sich ehrenamtlich engagieren, wäre es sogar in seiner Existenz gefährdet oder nur mit großem finanziellen Aufwand durch professionelle Dienstleistungen zu ersetzen.
In diesem Sinne ist ehrenamtliches Tun für unsere Gesellschaft unbezahlbar.
Grundsätzlich ist festzustellen, dass das ehrenamtliche Engagement ein wesentliches Merkmal unseres sozialen und demokratischen Gemeinwesens ist. Viele Menschen leisten ehrenamtliche Arbeit für die Gesellschaft. Ohne sie würden u. a. die Kommunalpolitik, der Sport, der Katastrophenschutz und die Feuerwehr nicht funktionieren. Es ist sowohl politisch als auch im Rahmen eines gesellschaftlichen Konsenses erforderlich, dafür zu sorgen, dass die Menschen, die sich für die Allgemeinheit engagieren, zumindest keine finanziellen Nachteile haben.
 
Besonders wichtig ist die ehrenamtliche Tätigkeit der gewählten Gemeinde-, Stadt- und Kreisräte. Bei vielen kommunalpolitischen Entscheidungen und mit ihrer Tätigkeit vertreten sie die Interessen ihrer Wähler auf der kommunalen Ebene. Herr Ministerpräsident Herr Prof. Böhmer sagt am 05.12.2008, dem Tag des Ehrenamtes, ich zitiere: „Ohne diesen gelegentlich mit hohem Zeitaufwand verbundenen Einsatz vieler Bürger bei nicht immer einfachen Entscheidungen könnte Bürgernähe nicht gestaltet werden. Im Gegensatz zu anders lautenden Vorwürfen werden diese Strukturen auch bei gemeindlichen Reformen immer erhalten bleiben.“
Er verwies weiter auf eine aktuelle soziologische Untersuchung über Rahmenbedingungen, die das freiwillige Engagement beförderten oder lähmten. Danach sei das ehrenamtliche Engagement umso niedriger, je ungünstiger die soziale Lage in einer Gesellschaft sei. Je kleiner eine Gemeinde, desto größer die Einsatzbereitschaft für andere und je wohlhabender eine Region, desto größer das Engagement der Bürger. Auch führe eine höhere religiöse Bindung zu größerem Engagement für das Gemeinwesen.
Der Regierungschef informierte darüber, dass in Sachsen-Anhalt rund 660.000 Bürgerinnen und Bürger ehrenamtlich tätig seien. Das sei immerhin ein Drittel der über 16-jährigen. Mit diesem hohen Engagement nimmt unser Land eine gute Position innerhalb der neuen Länder ein.“
 
Als Fraktion DIE LINKE wollen wir eine lebendige kommunale Demokratie und setzen uns für eine noch stärkere Einbeziehung und ein hohes Engagement der Bürgerinnen und Bürger in die kommunalen Entscheidungsprozesse ein.
 
Doch es steht Ungemach ins Haus. Unter Berufung auf das Urteil des Bundessozialgerichtes Kassel vom 25. Januar 2006, Nummer B 12 KR 12/05 R, beabsichtigen die Rentenversichererbeispielsweise die Aufwandsentschädigungen ehrenamtlicher Kommunalvertreter – Mandatsträger und ehrenamtliche Bürgermeister – der Sozialversicherungspflicht zu unterwerfen.
Hintergrund dieser Absicht ist, das im Zusammenhang mit der Neuregelung der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse ab dem 01. April 1999 es in vielen Fällen zur Feststellung einer Sozialversicherungspflicht und damit verbundener Beitragsforderungen zulasten kommunaler Mandatsträger gekommen ist.
Nachdem Aufwandsentschädigungen für ehrenamtlich Tätige zuvor auch in Sachsen-Anhalt als weitgehend sozialversicherungsfrei angesehen worden waren, gab es auch in unserer Vergangenheit einige Beispiele, wo Entschädigungen als Einnahmen aus unselbständiger Tätigkeit deklariert wurden und von den Leistungen nach dem SGB II abgesetzt wurden. So traf dies u. a. auch für einen ehrenamtlichen Bürgermeister einer Gemeinde zu, der gleichzeitig auch ein Mandat im Kreistag innehatte. Durch diese Regelung wurde ihm keinerlei Zahlung der damaligen Sozialhilfe gewährt, musste er aus diesen „Einkünften“ auch die entsprechenden Versicherungen abgelten.
 
Entsprechend dem Erlass des Ministeriums für Finanzen über die „Steuerliche Behandlung von Entschädigungen, die den ehrenamtlichen Mitgliedern kommunaler Volksvertretungen gewährt werden“ (vom 11. Dezember 2001 – 42S2121-10) ist festzustellen, dass es sich um klassische Ehrenämter handelt. Für ehrenamtlich tätige Bürgerinnen und Bürger in den Kreistagen und in den Ortschafts-, Gemeinde- und Stadträten sowie für ehrenamtliche tätige Bürgermeisterinnen/Bürgermeister und Ortsbürgermeisterinnen/Ortsbürgermeister gibt es kein Einkommen, sondern nur eine Aufwandsentschädigung. Gleiches gilt auch für Aufwandsentschädigungen für die Ehrenämter, welche im Teil 1 Abs. 2 des Runderlasses „Aufwandsentschädigung für ehrenamtlich tätige Bürger und ehrenamtliche Bürgermeister“ (Runderlass des Ministeriums des Innern vom 1. Dezember 2004) genannt sind.
Daran wollen wir festhalten und die Landesregierung auffordern, dies auch zukünftig eindeutig zu vertreten.
 
Mit Verwunderung habe ich zur Kenntnis nehmen müssen, dass nach Erlass des Innenministeriums zur Haushaltskonsolidierung vom 24.09.2004 auch Aufwandsentschädigungen ehrenamtlicher Mandatsträger als Konsolidierungsmasse anzusehen sind und folglich der Wiedererlangung der finanziellen kommunalen Handlungsfähigkeit unterworfen sein sollen. Neben der politischen Bewertung dieses Runderlasses, welcher aus meiner Sicht das kommunale Ehrenamt als wichtigen demokratischen Eckpfeiler unserer Gesellschaft ernsthaft beschädigt, würde diese Regelung zusammen mit der dargestellten Absicht der Rentenversicherer dazu führen, dass das kommunale Ehrenamt erheblich entwertet und politisch delegitimiert wird. Das kann und darf auch in Anbetracht der Kommunalwahlen in 2009 nicht unser Ziel sein.
 
Wir sprechen uns für eine positive und sozialversicherungsfreie Ausgestaltung des kommunalen Ehrenamtes aus. Dem dienen auch die von unserer Fraktion in der letzten Landtagssitzung eingebrachten Änderungen im Zusammenhang mit dem Gesetzentwurf über die Fortentwicklung des Kommunalverfassungsrechts. Die kommunalen Gliederungen, Mitgliedsgemeinden von Verbandsgemeinden und Ortschaften brauchen ein eigenes Budget, mit dem die Verantwortungsträger vor Ort tatsächliche Handlungsmöglichkeiten besitzen. Insbesondere wollen wir die gemeindliche Entscheidungsfindung ortsnah gestaltet wissen. Ortsnähe, kurze Kommunikations-, Beteiligungs- und Entscheidungswege fördern aus Sicht der LINKEN sowohl flexible Lösungen, als auch eine verbesserte Identifikation und bürgerschaftliches Engagement!
 
Mit dem Punkt 3 unseres Antrages soll die Landesregierung beauftragt werden zu prüfen, ob und inwieweit die Gesetzesinitiative Bayerns im Bundesrat (Drucksache 597/08, 14. August 2008) dazu geeignet ist, Rechtsklarheit durch eine eindeutige Formulierung in § 7 SGB IV dahingehend zu schaffen, dass die Wahrnehmung von kommunalen Ehrenämtern, wie sie unter Punkt 1 dieses Antrages aufgeführt sind, grundsätzlich keine Beschäftigung i. S. d. § 7 Abs. 1 SGB IV darstellt. Dieser Prüfauftrag gilt auch für Aufwandsentschädigungen für Ehrenämter bei gemeinnützigen Körperschaften (lt. § 52 Abgabenordnung [AO]) wie beispielsweise für Helfervereinigungen des Technischen Hilfswerkes (THW).
Wegen der großen Bedeutung, die die in dem Antrag angesprochenen Fragen aber auch für die ehrenamtlich Tätigen in Sachsen-Anhalt haben, wollen wir den Antrag federführend an den Innen- und mitberatend an den Rechtsausschuss, Finanzausschuss sowie an den Sozialausschuss überweisen, damit hier geprüft werden kann, welche Regelungen vielleicht auch schon auf der Länderebene getroffen werden können bzw. welche Initiativen in Richtung Bundesrat sinnvoll sind, um zu einer befriedigenden Lösung zu kommen.