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Gerald Grünert zu TOP 15: Umgang mit Beschluss des Oberverwaltungsgerichtes Magdeburg (1M 62/04) vom 18. November 2004

Nach mehreren Anträgen, kleinen Anfragen, Anträgen auf Selbstbefassung im Innenausschuss möchte ich wiederum das hohe Haus auf Auswirkungen frei interpretierbarer Entscheidungen des Landtages in Form von Gesetzesänderungen aufmerksam machen, die erhebliche Auswirkungen besonders für Bürgerinnen und Bürger haben können.

Bereits zweimal habe ich im Zusammenhang mit der Berichterstattung über erledigte Petitionen auf spezielle Probleme im Kommunalabgabenrecht aufmerksam gemacht. Bei meiner Rede am 31.05.2009 waren zumindest aus der SPD-Fraktion Signale erkennbar, dass das Kommunalabgabenrecht tatsächlich ernsthaft beleuchtet werden sollte, nachdem der Innenausschuss das Gutachten des VDGN und die Analyse der Kommunalabgabengesetze aller Bundesländer inhaltlich nicht diskutiert hatte.

Bereits in dieser Landtagssitzung hatte ich auf Probleme bei der Heranziehung von bereits vor dem 15. Juni 1991 zentral angeschlossenen Grundstückseigentümern über den so genannten Herstellungsbeitrag II hingewiesen. Diese besonderen Herstellungsbeiträge sind seit der Beschlussfassung des Oberverwaltungsgerichtes Magdeburg vom 18. November 2004 ich sage dies jetzt bewusst „hoffähig“ gemacht worden. Ich werde diese Behauptung in meiner Rede entsprechend untersetzen.

Nunmehr vier Monate nach meiner Bitte an den Landtag werden im Rahmen der Presseberichterstattungen vom 12. September bis 05. Oktober 2009 mehrere Beispiele benannt, die zu erheblichen Belastungen so genannter Altangeschlossener führen bzw. führen werden.

Nun zu den entsprechenden Fakten aus der Urteilsbegründung des Oberverwaltungsgerichtes Magdeburg, Aktenzeichen 1 M 62/04, vom 18.11.2004.

Das Gericht führt richtig aus, dass für bereits vom dem 15. Juni 1991 zentral angeschlossenen Grundstückseigentümer die Kosten für die erstmals errichteten Anlagen nicht mehr umgelegt werden dürfen. Jedoch nach Auffassung des Gerichtes können besondere Herstellungsbeiträge für die Erneuerung bestehender Anlagen von den Altangeschlossenen erhoben werden. Diese Herstellungsbeiträge beziehen sich besonders auf die Ertüchtigung der Leitungssysteme und Abwasserbehandlungsanlagen.

Offen bleibt auch die Auslegung der Bewertung des OVG, ob es sich bei den bereits angeschlossenen Grundstückseigentümer um den Stichtag des Kommunalabgabengesetzes – 15. Juni 1991 oder den Stichtag der Inkraftsetzung der Kommunalverfassung der DDR vom 17. Mai 1990 handelt.

Zur Ausgangslage. Hier beziehe ich mich besonders auf der Punkte 8 und 9 der Begründung des Gerichts.

Die Städte und Gemeinden der ehemaligen DDR waren im Rahmen des Staatsaufbaus staatliche Behörden. Sie besaßen kein kommunales Selbstverwaltungsrecht, wie es Artikel 28 des Grundgesetzes bestimmt. Auch die Betriebe, die für die Wasserver- und Abwasserentsorgung zuständig waren, waren staatliche, volkseigene Betriebe. Sowohl die Gemeinden als auch die staatlichen Betriebe arbeiteten auf der Grundlage der kaufmännischen Buchhaltung. Demzufolge waren bei der Gebührenbemessung auch die Abschreibungen des Anlagevermögens Bestandteil, die in Rücklagen einflossen. Mit dem Anschluss der DDR an die Bundesrepublik Deutschland ging das Vermögen der volkseigenen Betriebe an die BRD über. Das heißt, die bereits im Rahmen der Gebührenkalkulation und Inanspruchnahme durch die Grundstückseigentümer erhobenen Anteile zum Erhalt bzw. zur Sanierung vorhandenen Anlagen sind folglich in das Staatsvermögen der BRD übergegangen. Folgt man nunmehr den Regelungen des Einigungsvertrages, wären Ansprüche von Zweckverbänden für Modernisierungsvorhaben im Bereich der Abwasserbeseitigung nicht vordergründig an die Grundstückseigentümer, sondern an den Erblastentilgungsfonds zu stellen, da die Grundstückeigentümer bereits über die zu DDR-Zeiten erhobene Gebühr die Refinanzierung der Anlagen anteilig bezahlt haben.

Dieser Interpretation folgt jedoch das OVG Magdeburg aus welchen Gründen auch immer, nicht. Es unterstellt für die bereits vor dem 15. Juni 1991 angeschlossenen Grundstückseigentümer einen besonderen Vorteil, welcher sich aus der Erneuerung ergeben soll.

Wie dieser besondere Vorteil im Besonderen definiert wird, bleibt im Rahmen der Begründung des Gerichtes offen.

An dieser Stelle reihen sich eine ganze Palette ähnlich gelagerter Fälle ein, die einen so genannten Vorteil unterstellen. Z. B. Erschließungsbeiträge für die B1 in der Ortslage Irxleben, welche sich auf eine bereits seit über 150 Jahre existierende Straße beziehen, die Unterstellung der kommunalabgabenrechtlichen Ausnutzbarkeit von Grundstücken entgegen der baurechtlichen Nutzbarkeit, die unterschiedliche Bewertung von Grundstücken in unbeplanten Innen- und Außenbereichen usw. usf..

Im Punkt 8 der Begründung des OVG Magdeburg ist zu lesen: „Im Rechtssinne hergestellt ist die Einrichtung des Antragsgegners indes erst, wenn die Gesamtanlage in der gesamten Ausdehnung entsprechend dem Abwasserbeseitigungskonzept des Antragsgegners betriebsbereit geschaffen worden ist.“

Da die Abwasserbeseitigungskonzepte nach § 151 Wassergesetz Sachsen Anhalt eine Laufzeit von 10 Jahren aufweisen, sind, wenn wir dieser Argumentation folgen, die Grundstückseigentümer alle 10 Jahren von weiteren Herstellungsbeiträgen betroffen, da davon auszugehen sein wird, dass sich die Gesamtanlage verändern kann und wird.

Die von mir skizzierten Fakten sollen keine Schelte gegenüber dem OVG Magdeburg darstellen, sie sollen Ihnen den erheblichen Regelungsbedarf und die unterschiedlichen Interpretationsmöglichkeiten aufzeigen, der sich der Landtag aus meiner Sicht stellen sollte und muss. Hierbei ist sicherlich der Blick über den Tellerrand unserer Landesgrenzen hilfreich, damit eine länderübergreifende möglichst einheitliche Rechtsauslegung die Anwendung der Rechtsvorschriften und das Verständnis dafür durch die Bürgerinnen und Bürger gewährleistet wird.

Die von mir genannten Artikel in den einzelnen Medien zur Umsetzung der Entscheidung des OVG Magdeburg sind in einer Zeit der drastischen Verschlechterung der Haushaltslage des Landes und der Kommunen erschienen. Es entsteht im Rahmen des Presseechos der Eindruck, dass mit der Umsetzung dieser Entscheidung fehlende Landeszuschüsse der Kommunen über die altangeschlossenen Bürger ausgeglichen werden können. Dem entspricht auch die Verfügung der Landesverwaltungsamtes, alle Hauseigentümer, deren Grundstücke vor dem 15 Juni 1991 einen Anschluss an eine zentrale Kläranlage hatten, nachträglich an den Kosten der Erneuerung des Kanalnetzes als auch der Kläranlagen zu beteiligen.

Glaubt man den Äußerungen der Eigentümerverbände, sind von diesen Regelungen einige zehntausende Eigentümer mit zu zahlenden Beiträgen zwischen 600 und 8000 Euro betroffen.

Da in der Gesetzesauslegung auch durch das Landesverwaltungsamt grundsätzlich die Pflicht der Kommunalvertretungen, auf die wirtschaftlichen Kräfte der Abgabepflichtigen Rücksicht zu nehmen, ausgeblendet wird, ist davon auszugehen, dass es zu konkreten Einflussnahmen seitens der Kommunalaufsichtsbehörden kommen wird.

Auch wenn seitens des Innenministeriums den Verbänden keine Daumenschrauben zur Eintreibung dieser Herstellungsbeiträge II angelegt werden sollen, stellt sich für unsere Fraktion die prinzipielle Frage, ob nicht unter dem Deckmantel der Haushaltskonsolidierungen genau das Gegenteil praktiziert wird. Ein Verweis auf die Zuständigkeit und Durchsetzung durch die Landkreise, nimmt vor dem Hintergrund auch deren Haushaltskonsolidierung bizarre Züge an.

Viele Bürgerinnen und Bürger sehen sich ständig neu erhobener Gebühren und Beiträge für bereits bezahlte Leistungen ausgesetzt und empfinden dies mit Recht als Schikane. Einen nennenswerten Einfluss auf Entscheidungen der Zweckverbandsversammlungen und deren Transparenz haben sie nicht.
Im Rahmen der Einnahmebeschaffung zeigen sich allerorts die öffentlichen Verwaltungen sehr kreativ.

Folgt man deren Argumentation und Möglichkeit geltende rechtliche Regelungen frei zu interpretieren, dann sind wir alle mehr oder weniger einem permanenten „Aderlass“ unterzogen. Vielleicht gibt es demnächst eine Kultursteuer, da die Kosten für den Erhalt und Ausbau der vorhandenen institutionalisierten Kultur ein Vorteil für die Allgemeinheit und folglich neben den Eintrittsgebühren über Kommunalabgaben abzugelten ist? Oder sollen Nacherhebungsbeiträge für Trauungen eingeführt werden, wenn Brautpaare das örtliche Standesamt nicht genutzt haben, jedoch die Möglichkeit der Inanspruchnahme hatten? Ähnlich wäre dies bei Schulen, Krankenhäusern, Bürgerbüros usw. usf..

Ich bin der Überzeugung, dass sich kein Grundstückseigentümer weigert, Kosten für öffentliche Leistungen anzuerkennen und zu begleichen. Wogegen sich der Unmut äußert ist die fehlende Transparenz und Endlichkeit von Gebühren- und Beitragsbescheiden ohne dass die Betroffenen durch eigenes Tun konkret Einfluss auf deren Höhe haben.

Um hier auch den Landtag für diese Problematik zu sensibilisieren und gegebenenfalls Änderungen vornehmen zu können, haben wir den genannten Antrag zur Berichterstattung der Landesregierung im Umgang mit dem OVG-Urteil gestellt um zweierlei zu erreichen:

  • das staatliche Handeln der Aufsichten in Umsetzung des Urteils zu erfahren sowie über mögliche und beabsichtigte klarstellende Verwaltungsrichtlinien zu unterrichten sowie
  • gegebenenfalls die Notwendigkeit einer rechtlichen Korrektur gesetzlicher Regelungen im dafür zuständigen Ausschuss beraten und prüfen zu können.