Diese Website verwendet Cookies. Warum wir Cookies einsetzen und wie Sie diese deaktivieren können, erfahren Sie unter Datenschutz.
Zum Hauptinhalt springen

Eva von Angern zu TOP 3: Aktuelle Debatte Impfen – Ausweg aus der Krise

Sehr geehrte Damen und Herren,

Die Infektionslage in Sachsen-Anhalt ist weiterhin besorgniserregend.

Mit Stand des gestrigen Tages (03.02.2021) wurden in Sachsen-Anhalt insgesamt 52.759 COVID-19 Infektionen erfasst, bei 1.809 Todesfällen.

In der letzten Woche wurden im Land 127,1 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner*innen gemeldet.

Sachsen-Anhalt hat damit nach Thüringen die höchste Infektionsrate aller Bundesländer in Deutschland.

Unter allen 16 Bundesländern hat Sachsen-Anhalt die 3. höchste Letalitätsrate.

Die Beschränkungen im Rahmen des sogenannten „Harten Lockdowns“ sind in ihren Folgen erheblich.

Erheblich für die Wirtschaft, erheblich für die Kultur, erheblich für die Bildung, die Gastronomie und Hotels, erheblich für den privaten Bereich und somit erheblich spürbar für jeden einzelnen Menschen in unserem Land.

Wir haben es mit den schärfsten Grundrechtseinschränkungen seit In-Kraft-Treten des Grundgesetzes zu tun.

Jeden Tag stehen sich der Schutz der Gesundheit aller und erhebliche Grundrechtseinschränkungen gegenüber.

Abwägungen zwischen dem Schutz der Gesundheit und der Wahrung von Verfassungsgütern, wie Versammlungsfreiheit, Freiheit der Bewegung, Wirtschaftsfreiheit, Religionsfreiheit müssen getroffen werden.

Es ist eine Gratwanderung. Ein Belastungstest für unsere Demokratie.

Aber es gibt derzeit auch keine wirkliche Alternative dazu. Das hat auch meine Fraktion immer wieder deutlich gemacht und öffentlich unterstützt.

Umso wichtiger ist es, dass alles dafür getan wird, was politisch möglich ist, um diese Grundrechtseinschränkungen so schnell wie möglich wieder zurückzunehmen.

 

Es überrascht deshalb auch nicht, dass sich die Menschen um uns herum – auch wir in erheblichem Maße dadurch beeinträchtigt fühlen.

Wir leben in einem freien Land und genau diese Freiheit ist für die Menschen ein hohes Gut, das für uns alle von wesentlicher Bedeutung ist.

Deswegen reagieren Menschen auch sehr empfindlich, wenn Vorschriften, Einschränkungen und Verbote für sie nicht plausibel und nachvollziehbar sind, vielleicht sogar widersprüchlich erscheinen.

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

Aber die täglichen, besorgniserregenden Infektionszahlen sowie die Todesfälle lassen bei den Menschen Ängste entstehen und zunehmend wachsen.

Hinter jeder einzelnen Zahl steht ein menschliches Schicksal. Es ist eben nicht nur ein statistisch erhobener Wert, der fällt oder wächst. Denn hinter jedem Corona-Todesfall steckt ein Gesicht, ein Mensch.

Derzeit kann ausschließlich eine Immunisierung der Bevölkerung dieser Situation entgegenwirken und zu einer Stabilisierung der Lage führen.

Impfstoffe sind somit das wichtigste Mittel zur Eindämmung der Pandemie, um Menschenleben zu retten und schwere Krankheitsverläufe zu verhindern.

Die Impfung eines großen Teils der Bevölkerung ist die Voraussetzung, um die pandemiebedingten Folgen im Gesundheitssystem und die grundrechtlich sensiblen Einschränkungen schnellstmöglich zurückfahren zu können.

Es ist somit von öffentlichem Interesse, nun so schnell wie möglich so viele Menschen wie möglich zu impfen.

Und genau deshalb ist der „Ausweg“ einer möglichst hohen Durchimpfung ein so wichtiger Lichtstrahl am Ende des Tunnels für die Menschen in unserem Land.

Und genau deshalb sind Kritik, Unsicherheiten und die Verärgerung über die teilweise sehr großen und vor allem selbstgemachten Holpersteine mit Blick auf Impftermine, Impfstoffe, Impfpriorisierungen etc. derart stark ausgeprägt.

Denn die Versorgung mit den zugelassenen Impfstoffen läuft nur schleppend.

Und angesichts des durch Mutationen vermutlich leichter übertragbaren Virus muss jetzt jede Möglichkeit ergriffen werden, die Durchimpfung der Bevölkerung zu beschleunigen.

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

Eins ist klar, ein „Sachsen-Anhalt-Weg“ hilft uns an dieser Stelle überhaupt nicht. Auch ein alleiniger „Deutschland-Weg“ nicht. Wir brauchen eine globale Lösung.

Erst, wenn weltweit eine gewisse Durchimpfungsrate erreicht ist, werden wir tatsächlich sicher vor dem Virus sein.

Reiche Länder gegen arme Länder ist der völlig falsche Ansatz. Ein „Impfnationalismus“ ist der völlig falsche Weg. Nationalismus und Eigennutz müssen gestoppt werden. Im Interesse aller!

Es braucht also einer gemeinsamen Kraftanstrengung, bei der kommerzielle Unternehmensinteressen und die Sicherung nationaler Standortinteressen der EU-Mitgliedstaaten zurückstehen müssen.

Sehr geehrte Damen und Herren,

Nun schauen wir auf die aktuelle Situation in der Bundesrepublik:

Die Situation ist dramatisch schlecht. Millionen ältere Menschen warten bundesweit sehnlichst auf ihren Impftermin. Nach den zahlreichen Wirtschaftsgipfeln der letzten Monate war es richtig und gut, dass in dieser Woche ein „Impfgipfel“ stattfand.

Doch die Botschaften danach waren alles andere als hoffnungsvoll und vielversprechend. Eher ernüchternd und enttäuschend. Es macht keinen Sinn, die Situation zu beschönigen.

Mit Stand 03.02.2021 wurden in Sachsen-Anhalt bislang 52.824 COVID-19 Impfungen durchgeführt. Dies entspricht einer Impfquote von 2,41 %.

Wenn unsere Landesregierung also stolz verkündet, dass bis Ende März 60.000 bis 80.000 Menschen eine Zweitimpfung erhalten haben, dann klingt das auf den ersten Blick wie ein enormes Pensum.

Die Wahrheit ist aber, dass damit gerade mal 3-4 % unserer Bevölkerung geschützt sein werden.

Und wenn wir es in Sachsen-Anhalt geschafft haben, dass der Großteil der Bewohner*innen von Pflegeeinrichtungen bzw. Pflegeheimen geimpft ist, heißt das noch lange nicht, dass damit der überwiegende Teil der älteren Menschen eine Impfung - einschließlich notwendiger Zweitimpfung - erhalten haben. Denn 80% der älteren Menschen leben nicht in Heimen, sondern zu Hause und werden ggf. dort gepflegt.

Wir müssen dafür Sorge tragen, dass auch diese Menschen und die ambulanten Pflegedienste schnellstmöglich geimpft werden können.

Aber auch all die pflegenden Angehörigen dürfen wir dabei auf keinen Fall vergessen. Sie müssen gleichermaßen geschützt werden.

Anrede,

Ich bin übrigens zutiefst beeindruckt, in welcher kurzen Zeit, die Landrät*innen und (Ober-) Bürgermeister*innen alles dafür getan haben, um Impfzentren aufzubauen und mobile Teams bereitzustellen, um die - leider noch in großer Zahl fehlenden - Impfdosen zu impfen. Dankeschön!

Deshalb sollte man auch den Landkreisen und kreisfreien Städten die Verantwortung für die Organisation der Impftermine übertragen. Die Kommunen sollten hierbei finanziell und personell unterstützt werden.

Und ich möchte an dieser Stelle auch den durch die Landrät*innen ausgesprochenen Dank an die Angehörigen der Bundeswehr weitergeben, die die Arbeit vor Ort, u. a. in den Gesundheitsämtern mit viel Engagement unterstützen.

Aber damit befinden wir uns auch schon mittendrin im derzeitigen Dilemma: es gibt nicht nur bundesweit, sondern weltweit zu wenig Impfstoff.

Es ist nicht unwichtig zu klären, wer dafür die Verantwortung trägt. Wichtiger ist jedoch, zeitnah Abhilfe zu schaffen. Daher sage ich ganz deutlich:

Wenn schon Impfgipfel, dann doch bitte mit konkreten Verabredungen und für die Menschen spürbaren Ergebnissen. Es müssen Maßnahmen ergriffen werden, die eine Erhöhung der Produktionskapazitäten für Impfstoffe gegen COVID-19 ermöglichen.

Dabei sind alle gesetzlichen Möglichkeiten auszuschöpfen, die Patentinhaber und Hersteller zur Vergabe von Lizenzen und zum Transfer des technologischen Knowhows zu veranlassen sowie einen Zugang zu biologischen Ressourcen zu ermöglichen.

Wir brauchen Druck und wir brauchen Anreize, um mehr Impfstoffe herzustellen.

Anrede,

Wir können immer wieder lesen, dass die Impfstoffkonzerne versichern, dass Profiterzielung nicht im Vordergrund ihres Agierens steht.

Doch die öffentlichen Entwicklungsgelder haben sie selbstverständlich dankend angenommen. Ihr jeweiliger Börsenwert steigt erheblich.

Nun müssen die Möglichkeiten des Infektionsschutzgesetzes auch genutzt und der Weg für eine Steigerung der Impfstoffherstellung ermöglicht werden. Auch dies ist im Interesse unserer Bevölkerung.

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

Zudem fällt uns derzeit die Tatsache auf die Füße, dass wir eben doch im Vergleich zu anderen Ländern ein digitales Entwicklungsland sind.

Noch immer erfolgt der Datenaustausch der Behörden in der Corona-Krise mit ineffizienten und uneinheitlichen Methoden.

Bis heute arbeiten viele Gesundheitsämter noch wie zu Beginn der Pandemie, mit Papier und Excel-Tabellen, die sie per Fax oder E-Mail versenden.

Das Klischee vom „effizienten Deutschland“ wird in dieser Pandemie bedauerlicherweise widerlegt.  Vor uns steht eine Aufgabe, der sich alle deutschen Parlamente dringend stellen müssen. Wir brauchen einen höheren Digitalisierungsgrad. Wir brauchen eine höhere Bereitschaft zur Digitalisierung. Wir brauchen schlussendlich eine modernere Verwaltung.

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

…und selbstverständlich brauchen wir eine andere Gesundheitspolitik. Gesundheit ist keine Ware, und Krankenhäuser gehören in die öffentliche Hand. Wir können gern darüber diskutieren, ob es die öffentliche Hand der Kommunen oder des Landes sein soll.

Liebe Kolleg*innen der SPD, der nun auch von Ihnen beschrittene Weg ist auf jeden Fall der Richtige!

…und ich komme auch im Rahmen dieser Rede wieder zu dem Punkt, dass eine stärkere Einbeziehung des Parlaments nicht nur geboten, sondern im Interesse der Menschen dringend erforderlich ist.

Denn es geht hier im wahrsten Sinne des Wortes um „Leben und Tod“.

Die Kritik von Staatsrechtlern am Umgehen der Parlamente ist nicht nur nachvollziehbar, sondern berechtigt und erforderlich.

Daher fordere ich auch heute nochmals namens meiner Fraktion mindestens die Einberufung eines Pandemierates, in dem Landtag, Landesregierung, Wissenschaft und Forschung, aber auch Gewerkschaften und Sozialverbände die nächsten Schritte gemeinsam beraten und die Interessen der Betroffenen mehr Berücksichtigung finden.

Lassen Sie uns gemeinsam an einer Perspektive für die Menschen in unserem Land arbeiten.

Falls Sie noch eine vergleichbare Vorlage und Vorbild dafür suchen, denn es ist wahrlich kein „LINKES Teufelszeug“, schauen Sie nach Schleswig-Holstein.

Das Land hat dort einen sogenannten „Perspektivplan“ entwickelt. Es ist ein Stufenplan, der transparent für alle Menschen in SH aufzeigt, bei welchem Inzidenzwert welche Öffnungsschritte möglich sind.

Dieser Stufenplan betrifft Kita-, Schul- und Hochschulöffnungen.

Und er schließt Lockerungen bei Kontaktbeschränkungen, für den Einzelhandel, in der Gastronomie, Hotels und Theatern ein. Das ist meines Erachtens ein richtiger, wichtiger Schritt! Solange es einen solchen Rat oder eine andere Möglichkeit der Beteiligung des Parlaments nicht gibt, müssen wir dieses Plenum nutzen, um die exekutive Arbeit kritisch aber auch konstruktiv zu begleiten und zu hinterfragen.

Es geht uns dabei nicht um Besserwisserei. Nein, im Gegenteil. Wir wollen den besten und schnellsten Weg aus der Krise für und mit den Menschen in unserem Land finden, und ich finde es befremdlich, überheblich und zuweilen sogar gefährlich, wenn diese Zusammenarbeit immer wieder brüsk abgelehnt wird.

Wir haben als Abgeordnete, als Vertreter*innen des Volkes, das Wohl der Menschen ebenfalls im Blick und wir müssen weiter an Strategien arbeiten, um ihnen das Leben in der Pandemie zu ermöglichen und zu erleichtern.

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

Ich war erleichtert, als ich las, dass nicht nur meine Fraktion, sondern auch der Bildungsminister die Forderung erhob, dass Lehrer*innen und Erzieher*innen bereits in der zweiten Gruppe geimpft werden sollen.

Wir belasten derzeit Familien in erheblichem Maße.

Ich sage Ihnen ganz deutlich aus eigener Erfahrung heraus: Homeschooling und Homeoffice sind nicht einfach so nebeneinander händelbar.

Wäre das der Fall, bräuchten wir keine Lehrer*innen mehr.

Wir belasten die Kinder unseres Landes in erheblichem Maße, und niemand kann wirklich einschätzen, welche langfristigen Folgen dies hat.

…und vor allem: sie können nicht für sich sprechen und ihre Rechte gegenüber der Politik einfordern.

Deshalb müssen wir ihre Perspektive unbedingt mitdenken.

Lassen Sie uns gemeinsam die besten Lösungen suchen und finden.

Denn natürlich hat niemand die perfekte Lösung in der Tasche.

Es wurden und werden Fehler gemacht.

Das ist mitunter menschlich und nicht unbedingt ein Problem.

Es wird jedoch zu einem Problem, wenn dies nicht ehrlich ausgesprochen und als solches auch anerkannt wird.

Falsche Zuversicht hilft niemandem, sondern zerstört sogar Vertrauen und erhöht den Verdruss.

Denn wir alle können heute noch nicht sagen, an welcher Stelle des Weges „aus der Krise“ wir stehen und wann diese Notlage, diese Pandemie ein Ende hat.

Daher möchte ich dringend auch dafür werben, dass neben dem Lösungsweg „Impfen“ auch die Forschung im Fokus stehen und entsprechend gefördert werden muss, um ein wirksames Medikament zur Heilung zu finden.

 

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!