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Eva von Angern zu TOP 21: Zum 70. Jahrestag des Volksaufstandes vom 17. Juni 1953

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich gedenke heute namens der Fraktion DIE LINKE zuallererst der Opfer des Aufstands am 17. Juni 1953. Stellvertretend gedenke ich des Magdeburger LPG-Gärtners Ernst Jennrich. Der vierfache Familienvater wurde am 20. Juni 1953 festgenommen. Man warf ihm vor, an den Tumulten im Magdeburger Stadtteil Sudenburg beteiligt gewesen zu sein, bei dem mehrere Volkspolizisten erschossen worden waren. Man meinte, in ihm einen der Schützen gefunden zu haben.

Am 26. August 1953 stellte das Magdeburger Bezirksgericht fest, dass Ernst Jennrich eine Mitschuld nicht nachgewiesen werden könne, und verurteilte ihn dennoch zu lebenslangem Zuchthaus.

Auf Drängen Hilde Benjamins wurde das Urteil durch das Oberste Gericht der DDR aufgehoben und Ernst Jennrich in zweiter Instanz bei unveränderter Beweislage durch das Bezirksgericht Magdeburg zum Tode verurteilt. Diese Verhandlung dauerte 15 Minuten. Immerhin ein Zeichen von Zivilcourage: Der Schöffe Fritz Ringenberg legte aus Gewissensgründen sein Amt nieder. Ernst Jennrich wurde am 20. März 1954 in Dresden durch Enthauptung hingerichtet. Ich bin dem ehemaligen Präsidenten dieses Hauses Dieter Steinecke für seine Initiative sehr dankbar, am ehemaligen Wohnhaus der Familie Jennrich im Magdeburger Rembrandtweg einen Gedenkstein mit Gedenktafel aufgestellt zu haben.

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich bin keine Historikerin. Aber nach allem, was ich über den 17. Juni 1953 weiß, kann folgendes festgehalten werden:

Am 17. Juni 1953 fand kein von westlichen Geheimdiensten gesteuerter, faschistischer Putschversuch statt, wie es die Propaganda der DDR nach dem Geschehen jahrzehntelang Glauben machen wollte. Der Aufstand galt letztlich der SED und der vor allem durch sie verantworteten Politik.Aus der sozialen Revolte, aus dem Arbeiteraufstand gegen eine überaus schlechte Versorgungslage, gegen übersteigerten Leistungsdruck und gegen Lohndrückerei erwuchs ein nahezu alle sozialen Schichten in der jungen DDR ergreifendes Aufbegehren: für freie Wahlen, für Meinungsfreiheit, gegen die Besatzungsmacht und für die deutsche Einheit.

Diese Forderungen wurden durch eine stalinistische Kaste, die glaubte, gesellschaftlicher Fortschritt sei ohne Freiheit und Demokratie möglich, im Verein mit den sowjetischen Besatzungstruppen blutig und brutal niedergeschlagen.

Gerade weil meine Partei DIE LINKE auch tief verantwortlich in der DDR und in der SED verwurzelt ist, erkläre ich, erklären wir: Der Forderungen der Menschen hätten niemals mit unerbittlicher Repression und blutiger, oft auch tödlicher Gewalt beantwortet werden dürfen.

Insoweit ist es das Verdienst der im Herbst 1989 Verantwortlichen, dass sie gegen den demokratischen Aufbruch im 40. Jahr der DDR, der in vielerlei Hinsicht eng mit dem 17. Juni 1953 verbunden ist, letztendlich nicht wie damals mit Waffengewalt gegen die Freiheitsrevolution von 1989 vorgegangen sind.

Unsere Lehre daraus lautet: Kein Sozialismus ohne Demokratie!

Und unsere Lehre daraus lautet auch: Keine Instrumentalisierung mehr des 17. Juni 1953! Das lehren uns vor allem die Opfer wie Ernst Jennrich.

Deshalb lehnt die Fraktion DIE LINKE den Antrag ab.

 

Ich danke Ihnen.