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Eva von Angern zu TOP 18: 0 Solidarisch aus der Pandemie - Pandemierat unverzüglich einberufen mit dem Ziel einer breiten gesellschaftlichen Akzeptanz des Pandemie- und Pandemiefolgenmanagements

Sehr geehrte Damen und Herren,

die letzten zwei Jahre waren anstrengend. Wir sind genervt. Ständig werden wir nach Antworten gefragt, um Einschätzungen und Prognosen gebeten und ehrlicherweise reden die meisten von uns wie die Blinden von den Farben. Ständig müssen wir genauestens prüfen, unter welchen Bedingungen wir Veranstaltungen durchführen können, in welches Restaurant wir uns unter welchen Bedingungen treffen können usw. Doch! … und das ist entscheidend, wenn wir sagen, wir sind genervt und haben kein Bock mehr auf Pandemie, dann jammern wir im wahrsten Sinne des Wortes auf hohem Niveau. Denn wenn wir in Quarantäne müssen, erhalten wir trotzdem unsere Diäten. Wenn wir unsere Kinder zu Hause beschulen müssen, sagen wir Termine ab, ohne dass wir Gefahr laufen, dass uns dafür die Kündigung droht.

Damit will ich niemandem in diesem Haus unterstellen, dass die Situation der alleinerziehenden Mutter von zwei oder mehr Kindern, die im Supermarkt an der Kasse sitzt oder im Pflegeheim arbeitet, unbekannt ist. Doch wir alle sind objektiv nicht in dieser Situation. Wir können uns auch nicht vorstellen, wie es für eine Krankenschwester auf einer Intensivstation ist, die täglich um das Leben von an CORONA erkrankten kämpft und Angehörigen immer wieder erklären muss, dass der Kampf verloren wurde. Niemand von uns kann sich vorstellen, was in ihre vorgeht, wenn Menschen egal ob als bürgerlich deklariert oder offen radikal bei sogenannten Spaziergängen zu hunderten ohne Maske und Abstand die Diktatur und den Faschismus skandieren. Ich befürchte übrigens, dass Überlebendes des Holocaust diese relativierenden Worte mit Erschrecken zur Kenntnis nehmen. Was ich jedoch dank eines Austausches mit Eltern, Lehrern und Schulleitern eine Woche nach Schulbeginn weiß, dass sehr viele Ängste bestehen. Eltern haben Angst, dass ihre Kinder in der Schule erkranken, dass ihre Kinder als Kontaktpersonen erkranken und dann in Quarantäne müssen. Eltern haben auch Angst, ihre Jobs zu verlieren. Lehrkräfte haben Angst, selbst zu erkranken. Sie stehen vor fragenden Eltern und haben oft selbst keine Antworten. Die häufigsten Worte, die ich an diesem Abend gehört haben, waren: ANGST, HILFLOSIGKEIT, fehlende UNTERSTÜTZUNG und das Gefühl, ALLEINGELASSEN zu sein.

…und so könnte ich noch viele Beispiele für Sorgen, Ängste, Unmut und Frust nennen. Ich will es aber dabei belassen, denn schon jetzt wird deutlich: WIR MÜSSEN REDEN! Genau deshalb startet meine Fraktion heute den dritten Versuch, in Sachsen-Anhalt einen Pandemierat einzurichten und wir wollen diese Idee um eine Bürgerbeteiligung ergänzen.

Ich sage Ihnen ganz offen: ich habe Angst um unsere Demokratie. Wir verlieren Mneschen für die Demokratie , wenn wir sie nicht mehr ernst nehmen, wenn wir nicht mehr respektvoll mit ihnen umgehen, wenn wir ihnen nicht mehr die Chance geben, am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben. (Prof. Trabert). Wahrscheinlich werden wir als Politiker das Vertrauen der Menschen, die derzeit auf die Straßen gehen, nicht zurückgewinnen. Ich ahne, dass sich zumindest eine Fraktion hier in diesem Haus daran erfreut, geradezu ergötzt. Meine Fraktion ausdrücklich nicht und auch bei ihnen möchte ich nicht aufgeben.

Doch es gehen viele Menschen nicht auf die Straße. Es haben sich viele Menschen in unserem Land freiwillig impfen lassen. Es zeigen wie selbstverständlich viele Menschen beim Eintritt ohne zu murren ihren Impf- oder Testnachweis, wenn sie ein Restaurant, ein Kino oder ein Theater betreten. Täglich testen sich fast alle Kinder ganz unproblematisch in unseren Schulen. Sporttrainer testen sich, bevor sie mit ihren Kindern trainieren. In vielen Einrichtungen wird ganz selbstverständlich auf die Einhaltung aller Hygienestandards geachtet. Dennoch, das Wort „Coronamüde“ empfinden sie alle. Je länger die Pandemie dauert, je unverständlicher das Handeln zwischen Bund und Ländern oder zwischen den Ländern ist, um so mehr Menschen verlieren wir auf dem Weg.

Sie verlieren den Glauben an politische Entscheidungen. Sie stellen in letztere Konsequenz die Parteien und damit die Demokratie in Frage. Das dürfen wir nicht sehenden Auges geschehen lassen! Ich sage an dieser Stelle ganz deutlich, dass die Ampelregierung im Bund als eine der ersten Amtshandlung ein Expertengremium eingesetzt, dem sogar ein Landrat angehört, dass war nicht nur ein wichtiges Zeichen sondern auch ein lange überfälliger Schritt. Wir sind als Politiker nicht allwissend und wir machen Fehler. Doch die Fehler, die durch Beratung vermeidbar sind, haben wir zu vermeiden. Und es sind viele Fehler gemacht worden: vor allem in der Kommunikation. Es ist alles andere als glücklich, wenn der MP dieses Landes kein Wort in der MPK dazu sagt, dass er die 2Gplus Regelung in den Gaststätten in LSA nicht einhalten will, die Entscheidung so durchläuft und er direkt im Nachgang der MPK presseöffentlich erklärt, dass er den MPK Beschluss nicht umsetzen wird. Damit sage ich noch nichts über den Inhalt seiner Aussage, sondern über die Wirkung der Uneinigkeit zwischen den Ländern. Das ist für Menschen nicht mehr nachvollziehbar. Sie wollen verständlicherweise klare Entscheidungen und wenn die schon nicht im Angebot sind, wollen sie Entscheidungen, die nachvollziehbar sind. Wenn ich allerdings immer häufiger mit dem Satz konfrontiert werde: „Wir haben der Landesregierung geschrieben, aber bekommen keine Antwort!“, dann lässt mich das ratlos zurück.