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Eva von Angern zu TOP 13: Verbreitung kinderpornografischer Daten im Internet durch Löschung verhindern

Es gab bereits in der letzten Legislaturperiode des Bundestages eine intensive Diskussion zum Umgang mit kinderpornografischen Daten im Internet. An deren vorläufigem Ende stand bzw. steht nunmehr das Gesetz zur Erschwerung des Zugangs zu kinderpornografischen Inhalten in Kommunikationsnetzen. Da sich nach der Bundestagswahl jedoch eine CDU-FDP-Koalition fand, ist das Gesetz zwar im Februar dieses Jahres veröffentlicht worden, aber die Umsetzung wurde für ein Jahr ausgesetzt, da ein entsprechender Kompromiss zwischen den Parteien getroffen wurde.  

Die Debatte ist jedoch vor einigen Wochen neu entfacht worden. Anlass war der Vorstoß der EU-Innenkommissarin Malmström. Sie legte einen Richtlinienentwurf vor, der alle EU-Mitgliedstaaten verpflichten soll, den Zugang zu Websites mit kinderpornografischen Inhalten zu blockieren. Ihr geht es also um eine Sperre der Seiten, die kinderpornografische Daten enthalten.

Die konkrete Umsetzung dieser Sperre bleibt den Nationalstaaten überlassen. Denkbar dabei wären freiwillige Sperrsysteme der Internetanbieter oder aber auch gesetzliche Regelungen, die den Providern eine Pflicht zur Sperre auferlegen.

Die CDU-FDP-Bundesregierung erklärt jedoch deutlich, dass sie diese Vorgehensweise ablehne. Ich zitiere die Bundesjustizministerin: „Ich erwarte in den anstehenden Beratungen eine breit gefächerte Debatte, in der ich den Grundsatz ‚löschen statt sperren’ vertreten und für eine möglichst breite Unterstützung im Rat und im Europäischen Parlament werben werde.“

Sie lehnt damit die Internetsperren ab, denn „sie stellen kein wirksames Mittel im Kampf gegen Kinderpornografie dar, führen aber gleichzeitig zu einem großen Vertrauensschaden bei den Internet-Nutzern.“

Dahinter steht die Befürchtung, dass sich die Netzsperren im Bedarfsfall auch gegen andere Seiten im Netz richten könnten. Das war allerdings eine Ministerin, die der FDP angehört, sodass die Reaktion nicht verwundert: Die CDU sieht das etwas anders.

Die Reaktion der Justizministerin war aus meiner Sicht richtig und sehr wichtig, damit die Debatte sowohl in Deutschland als auch in der Europäischen Union nicht stehen bleibt, sondern weitergedacht wird und damit vor allen Dingen eine gemeinsame Lösung gefunden wird.

Ohne Zweifel ist der sexuelle Missbrauch von Kindern eines der schrecklichsten Verbrechen. Umso wichtiger ist, dass sich Politik auch nicht lange im Streit um die vermeintlich beste Lösung aufhält. Das eine Jahr Aufschub kann daher auch nur eine maximale Frist sein. Wir wissen alle, dass bedauerlicherweise kein Gesetz dieser Welt diese Straftaten gänzlich verhindern kann; aber es ist mit den Mitteln des Rechtsstaates möglich und auch dringend erforderlich, einen Markt zu beseitigen, den das Internet eröffnet hat. Die entscheidende und eben auch entzweiende Frage ist nun: Wie können wir genau das erreichen? Der berechtigte Einwand gegen die Sperren oder gegen das Bloggen von Seiten ist vor allem die Möglichkeit der technischen Umgehung einer jeden Sperre. Dieser Fakt wurde bereits im Januar 2009 durch den Wissenschaftlichen Dienst des Bundestages in einem ausführlichen Gutachten zur Sperrverfügung gegen Internet-Provider dargelegt. Das ist eine sehr empfehlenswerte Lektüre.

Der Bund der Kriminalbeamten führte in diesem Zusammenhang aus meiner Sicht sehr treffend aus: „Es reicht nicht aus, die Straße zu sperren, in der der Täter wohnt.“

Und er verweist zugleich auf das bestehende Personal- und auch Ausstattungsproblem bei der Polizei. Ich denke, die Polizei darf gerade in diesem Straftatbereich in ihrer personellen und technischen Ausstattung auf keinen Fall hinterherhinken.

Ein weiteres Argument gegen die Sperre ist, dass die kinderpornografischen Inhalte schon jetzt größtenteils nicht auf frei zugänglichen Websites zu finden sind. Es handelt sich um einen geschlossenen Nutzerkreis. Die Gefahr, dass man oder gar ein Kind versehentlich auf eine solche Seite stößt, geht daher geradezu gegen null. Wir haben es hier mit organisierter Kriminalität zu tun. Der Austausch der Daten erfolgt auf verschiedenen Wegen. Und genau diese Wege müssen gefunden und unterbrochen werden. Damit sind wir wieder bei der Polizei und bei der Forderung nach ausreichend Personal und einer guten Ausstattung.

An dieser Stelle möchte ich auch ausdrücklich darauf verweisen, dass dies nicht nur eine Forderung der LINKEN und des Innenministers ist. In einem Interview mit dem MDR am 21. März 2010 sprach sich der zuständige Oberstaatsanwalt Westerhoff, der Nachfolger des bekannten Oberstaatsanwalts Vogt in Halle, für eine Aufstockung
des Personals aus. Und er bezog sich dort im Besonderen auf die Ausstattung des Landeskriminalamtes.

Nun wird in der Debatte gern auch auf die guten Erfahrungen der skandinavischen Länder mit dem Sperren von Internetseiten verwiesen. Sachexperten zeigten jedoch auf, dass die Berichte aus Skandinavien lediglich Aussagen über die Anzahl der geblockten Zugriffe belegen. Offen bleibt daher, ob sich die Nutzer möglicherweise auf anderem Wege die Inhalte zugänglich machten.
Zudem stellte sich heraus, dass das die Sperrlisten aus Dänemark zu 90 % mit Seiten versehen waren, die überhaupt kein kinderpornografisches Material enthalten.

Ich möchte heute ausdrücklich nicht auf die mir bekannte Argumentation hinsichtlich der Internetzensur eingehen. Ich denke, wir reden hierbei über schwerste Straftaten. Die von uns präferierte Löschung ist ein noch weiter gehender Eingriff als die Sperre im Internet und das ist auch gut so.
Offen bleibt jedoch bei den Befürwortern des Löschens, also auch bei uns, die Frage, wie mit dem Problem umgegangen wird, dass Daten von außereuropäischen Providern nicht gelöscht werden können. Ich denke jedoch, auch die Sperre ist nur eine Scheinlösung.

Fachleute fanden übrigens heraus, dass nicht etwa afrikanische oder osteuropäische Staaten Sitz von Providern sind, die vor allem strafrechtlich relevantes Material ins Netz stellen; es sind vielmehr Provider, die ihren Sitz in den USA haben. Natürlich besteht auch hier grundsätzlich die Möglichkeit, dass die Provider die Daten auf freiwilliger Basis löschen, aber wir haben es hier mit einem Markt zu tun und es geht natürlich auch um Profit. Daher ist Freiwilligkeit allein nicht ausreichend. Wir brauchen nicht nur eine Lösung für Deutschland, sondern für ganz Europa und dann möglichst auch international. Denn Deutschland allein kann das Problem nicht lösen. Es bedarf für das World Wide Web einer weltweiten Lösung.  

Allein das wäre ein tatsächlich wirksamer Schritt gegen die Verbreitung kinderpornografischer Daten und der dem zugrunde liegenden Verbrechen. Dabei kann es nur eine Lösung sein, dass sich Provider selbst verpflichten. Der Schutz von Opfern verlangt darüber hinaus, dass der Staat handelt und sämtliche rechtsstaatlichen Möglichkeiten ausnutzt. Der intensivste und nachhaltigste Eingriff ist ganz klar das Löschen.

Deutschland sollte sich in der EU als Vorreiter zeigen und diese Forderung offensiv vortragen. Daher unterstützt meine Fraktion auch den vorliegenden Änderungsantrag der FDP-Fraktion.

Meine Fraktion plädiert heute dafür, der Bundesregierung einen entsprechenden Rückenwind zu verschaffen. Es bedarf keiner langen Diskussion, sondern es muss zügig und zielorientiert gearbeitet werden.

Abschließend noch einige Worte zur Personalsituation in Sachsen-Anhalt. Nun ist in den Landtagsfluren bereits kolportiert worden, dass der vorliegende Antrag an die zuständigen Ausschüsse überwiesen werden soll. Das ist nicht nur schlecht, denn bei einer Ausschussüberweisung haben wir die Möglichkeit, über das vorhandene Personal zu reden.  

Wir haben in der gestrigen Sitzung des Ausschusses für Recht und Verfassung einen Antrag auf Selbstbefassung eingebracht, der ebenso auf die Personalsituation bei der Polizei, aber auch im Bereich der Justiz abzielt. Hierzu brauchen wir genaue Fakten und Zahlen, damit nicht wieder ein engagierter Staatsanwalt das Handtuch wirft oder, was weitaus schlimmer wäre, Straftaten nicht entdeckt, sodass den Opfern nicht geholfen werden kann. Dabei müssen wir uns auch intensiv mit der Frage auseinandersetzen, ob und inwieweit Private in die Ermittlungsarbeit einbezogen werden sollen.