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Eva von Angern zu TOP 1: Regierungserklärung des Ministerpräsidenten Herrn Dr. Reiner Haseloff zum Thema: "Stand der SARS-CoV-2-Pandemie und die zu ihrer Bekämpfung notwendigen Maßnahmen

Sehr geehrte Damen und Herren,

Wir haben es mit einer weltweit wirkenden Naturkatastrophe zu tun. Ohne Wassermassen, Lava oder Aschewolken. Wir werden die Pandemie nur bewältigen, wenn wir uns nicht in Kleinstaaterei üben, sondern gemeinsam handeln.

Deshalb weckt bei mir die Überschrift „Sachsen-Anhalt-Plan 2021“ auch keinerlei Vertrauen, sondern eher Sorge, dass die Dimension noch nicht allen bewusst ist.

Auch wenn die Pandemie den Wahlkampf inhaltlich und organisatorisch erheblich beeinflussen wird, so dient sie doch nicht als Wahlkampfmittel.

Wir Menschen können inzwischen mehr tun, mehr als vor 100 Jahren zu Zeiten der Spanischen Grippe. Aber es gibt Grenzen, und der weitere Verlauf ist noch immer nicht abschließend prognostizierbar.

Eine Prognose für den Juli oder Dezember 2021 ist realistisch kaum zu erstellen.

Wir haben eine Chance: wenn wir der Wissenschaft in ihrer Vielfalt sehr genau zuhören.

Das bedeutet nicht, ihr hörig zu werden. Aber besser belastbare, belegbare Fakten haben wir nicht.

Ich meine damit übrigens nicht nur die Berücksichtigung der Erkenntnisse aus der Medizin, sondern ebenso aus der Sozialwissenschaft, der Kommunikationswissenschaft, und natürlich der Wirtschaftswissenschaft – denn ein Grundverständnis zu Fragen der Politischen Ökonomie ist heute unverzichtbarer denn je.

Dabei darf nicht vergessen werden, dass die Wissenschaften keine direkt übersetzbaren Handlungsanleitungen liefern können.

Sie haben alle ihre eigene Perspektive auf das Geschehen, und so soll es auch sein. (Auch deshalb ist all das Gerede von Herrschaft der Virologen schlicht Blödsinn.)

Genau da kommt Politik ins Spiel: Ihre Verantwortung liegt darin, Erkenntnisse zu bündeln, für die Gestaltung und den Schutz der Gesellschaft zu übersetzen und entsprechend zu handeln.

Es geht doch gerade heute darum, gesellschaftliche Erwartungen und Interessen so in Rechnung zu stellen, dass uns – um es salopp zu sagen - der Laden nicht auseinanderfliegt.

Natürlich müssen die politischen Entscheidungen dazu beitragen, Vertrauen zu entwickeln und zu vertiefen.

Keine leeren oder nur auf dem Prinzip Hoffnung beruhende Versprechen, sondern belastbare, realistische Aussagen zu unseren Möglichkeiten.

Es geht um einen „Dreiklang". Es geht darum:

  • die Verbreitung des Virus' konsequent (und so wenig wie möglich repressiv) einzudämmen - mit den Menschen, nicht gegen sie
  • die sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen und Folgen dieser Naturkatastrophe auf ein Mindestmaß zu begrenzen – denn was wir heute dafür nicht an Mitteln einsetzen, werden wir künftig vielfach aufwenden müssen und
  • die Öffentlich Daseinsvorsorge zu sichern.

Sehr geehrte Damen und Herren,

Seit nunmehr einem Jahr hält die Pandemie die Menschen im Lande, die gesamte Gesellschaft und nicht zuletzt den Staat mit seinen Institutionen auf allen Ebenen vor allem durch freiheitsbeschränkende Maßnahmen in Atem.

Wir dürfen das nicht auf die leichte Schulter nehmen, dass hier so massenhaft Grundrechte eingeschränkt werden. Sie sind die Grundlage unserer Demokratie.

Leider gibt es derzeit keine Alternativen, wenn wir unsere Gesellschaft, unsere Alten und Risikogruppen schützen wollen.

Im Detail haben wir als Fraktion bereits mehrfach Kritik geübt und werden dies weiter tun, auch wenn wir seit einem Jahr zur Kenntnis nehmen müssen, dass Sie das bei Ihrem bisherigen Krisenmanagement nicht weiter beeindruckt hat.

Dazu komme ich im späteren noch einmal.

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

Familien erleben derzeit eine enorme Belastung. Damit meine ich übrigens alle Familien, erstmal unabhängig vom sozialen Status oder Bildungshintergrund.

Ich spreche es hier mal ganz deutlich aus: Homeoffice und Homeschooling sind nicht mal ebenso unter einen Hut zu bringen.

Wir müssen alles dafür tun, dass die Folgen der fehlenden Beschulung, der fehlenden Kontakte zu Freunden von Kindern gemildert werden.

Unsere Vorschläge dazu liegen auf dem Tisch: Wenn zu all dem noch beengte Wohnverhältnisse, fehlende technische Voraussetzungen, Existenzängste bei den Eltern hinzukommen, kann doch niemanden ernsthaft verwundern, dass im Ergebnis der sogenannten COPSY-Studie des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) festgestellt wurde, dass jedes dritte Kind knapp ein Jahr nach Beginn der Pandemie psychisch auffällig ist.

Das ist ein Alarmsignal!

Ich will hier gar nicht über die dadurch entstehenden Kosten für unser Gesundheitssystem oder die langfristigen Folgen für unsere Wirtschaft reden.

Tatsache ist: wir wissen seit langem, dass die Wirkungen für Familien besonders hart sind und Sie haben sich damit nicht wirklich auseinandergesetzt.

Als LINKE forderten wir nicht nur einen Kindergipfel, sondern konkrete, spürbare Leistungen für Familien, die ihnen jetzt und heute helfen, die sie jetzt und heute entlasten.

Da sind manche Landkreise, aber auch Bundesländer aktiver als unsere Landesregierung. Schauen Sie bspw. in den Harz oder schauen Sie nach Bayern!

Der MP von Bayern ist selbst auf die Idee gekommen, einen Kindergipfel einzuberufen.

Unter all diesen Bedingungen empfinde ich es geradezu als skandalös und als einen Offenbarungseid, dass die Einführung der Kinderrechte in unser Grundgesetz in dieser Wahlperiode des Bundestages auf dem Verschiebebahnhof gelandet ist.

Ich erwarte von unserer Landesregierung, dass Sie sich im Bundesrat dafür stark macht, dass wie im Koalitionsvertrag vereinbart, Kinderrechte im Grundgesetz verankert werden; dass es endlich auch auf Bundesebene einen Kindergipfel gibt, dass noch in dieser Wahlperiode die Kindergrundsicherung eingeführt wird, die inzwischen auch von völlig unverdächtigen Institutionen wie der Bertelsmann Stiftung dringend gefordert werden.

Das ist das Mindeste, was Politik für Kinder und Jugendliche tun kann und muss.

Es ist doch ein Armutszeugnis, dass die reichsten Menschen in Deutschland durch die Pandemie weiteren Reichtum angehäuft haben und die Gruppe der Ärmsten stetig wächst!

Im Interesse der Kinder, Jugendlichen und ihrer Familien werbe ich an dieser Stelle auch noch einmal dafür, dass das Personal von Kitas und Schulen früher geimpft wird und die Testungen spätestens ab März beginnen.

Wir alle hoffen derzeit auf den Monat März, auf die Osterferien.

Doch zur Wahrheit gehört auch, dass wir alle nicht wissen, wie nah die sogenannte dritte Welle ist. Insofern müssen wir anlässlich der heutigen Regierungserklärung selbstverständlich auch über die Situation der Impfungen im Land reden, als ein wesentlicher Ausweg aus der Pandemie mit allen ihren Nebenwirkungen.

Ich beginne mit den nackten Zahlen: in Sachsen-Anhalt haben 70.000 Menschen die Erstimpfung und inzwischen mehr als 40.000 Menschen auch die Zweitimpfung erhalten. Damit führen wir im Ländervergleich das letzte Drittel an.

Das ist wahrlich kein Grund für Luftsprünge und wie wir wissen sind viele der Menschen, die altersmäßig in die erste Impfgruppe fallen bisher noch gar nicht erreicht worden und das lag nicht allein am Wintereinbruch.

Es fehlt nach wie vor an ausreichend Impfstoff. Unterm Strich verbinden die Menschen in Sachsen-Anhalt das Thema Impfen mit dem Wort „Impfdesaster“ und leider inzwischen auch mit dem Wort „Impfskandal“.

Es ist erheblich viel Vertrauen verloren gegangen und auch viel Wut wegen der sogenannten „Impfvordrängler“ entstanden.

Bevor jemand fragt: ich verurteile zutiefst, was hier in einigen Kommunen, aber auch innerhalb der Landesregierung, namentlich dem Innenministerium entgegen der in der Impfverordnung vorgeschriebenen Impfpriorisierung geschehen ist bzw. wie hier teilweise bewusst rechtwidrig gehandelt wurde.

Als Landesregierung kann man natürlich als Ablenkmanöver auf die Kommunen zeigen, die hätten wissen müssen, wie mit Impfstoffresten umzugehen ist.

Man kann aber auch Verantwortung übernehmen und das erwarte ich von Ihnen und muss die eigenen Fehler nicht nur benennen, sondern dazu stehen und Konsequenzen ziehen.

Das ist übrigens der einzige Weg, um Vertrauen wieder zurück zu gewinnen. Vertrauen ist ein wesentliches Puzzleteil, um diese Krise gemeinsam zu bewältigen.

Ich habe die Impfstrategie des Landes Sachsen-Anhalt gelesen. Ich finde da nicht ein Wort zum Thema „Umgang mit Impfstoffresten“. Ich finde nur mehrmals das Wort „Empfehlung“.

Machen Sie Ihre Hausaufgaben, bevor Sie auf andere zeigen und ersparen Sie dem Land und uns eine peinliche mediale Berichterstattung und eine weitere peinliche öffentliche Auseinandersetzung im Sozialausschuss wie am vergangenen Freitag.

Sehr geehrte Damen und Herren,

Wie in der gestrigen Volksstimme unter dem Titel „Frustbrief an die Landespolitik“ zu lesen war, haben Sie, Herr Ministerpräsident auch wichtiges Vertrauen bei den Sozialverbänden unseres Landes eingebüßt.

Das ist verheerend und lediglich der Botengang des Regierungssprechers, der Ihre Verantwortung in Abrede stellt, ist ein Armutszeugnis!

Ich erinnere daran, dass es unter anderem die vielen Menschen in den Sozialverbänden waren und sind, sowohl haupt- als auch ehrenamtlich, denen wir zu tiefstem Dank verpflichtet sind.

Sie umfassen einen Großteil der sogenannten „systemrelevanten“ Berufe.

Ihnen jetzt so auf die Füße zu treten und sie so mit Vorwürfen zu überhäufen, empfinde ich als befremdlich und hat vor allem nichts mit der Realität zu tun.

Ich erwarte eine deutliche ENTSCHULDIGUNG von Ihnen!

Sehr geehrte Damen und Herren,

Nun meldet sich in Sachsen-Anhalt selbstverständlich auch die Wirtschaft zu Wort und fordert das Ende des Lockdowns.

Diese Forderung basiert nicht auf dem Umstand, dass man Menschen und ihre Gesundheit nicht schützen will.

Nein. Diese Forderung basiert auf nackter Existenzangst.

Erinnern Sie sich noch an Oktober letzten Jahres, als der Bundeswirtschaftsminister lautstark erklärte: „die Novemberhilfen würden schnell und unbürokratisch fließen“? Fehlanzeige. Außer man sieht in einer Schnecke eine Formel-1-Rennfahrerin.

Herr Ministerpräsident, Sie haben Recht: „Zusagen der Bundesregierung wurden nicht gehalten.“ Das ist übrigens schon seit längerem absehbar und Ihr Wirtschaftsminister hat bereits im letzten Jahr deutlich darauf hingewiesen.

Was haben Sie da getan? Nichts. Das eigene Kabinettsmitglied nicht unterstützt und vor allem die Wirtschaft in Sachsen-Anhalt im Stich gelassen.

Sie haben damit Vertrauen verspielt. Klar, dass jetzt der Abbruch des Lockdowns gefordert.

Machen Sie Druck auf Ihre Parteifreunde in Berlin im Interesse der Wirtschaft und der Arbeitnehmerinnen in Sachsen-Anhalt!

Wir wollen das für all die letzten harten Monate der Umsatzausfall wie bei den Novemberhilfen erstattet wird.

Sehr geehrte Damen und Herren,

wir würden sehr gern als gewählte Mitglieder des Landtages von Sachsen-Anhalt mit all diesen Interessensverbänden gemeinsam Wege aus der Pandemie entwickeln.

Wir haben in den letzten Monaten etliche Vorschläge hierzu gemacht:

Landesprogramm für Kleinstunternehmen, Unternehmerlohn in Höhe von 1.200 Euro, Kahlschlag für Kunst- und Veranstaltungsunternehmen verhindern

Verpflichtende, rechtssichere Vorgaben für Alten- und Pflegeeinrichtungen

Ideen für eine Entlastung der Studierenden, für eine Beitragsentlastung bei den Kitabeiträgen, gegen eine Erhöhung der Krankenkassenbeiträgen

Kindergipfel und Stärkung der Jugendarbeit

Unterstützung bei der Finanzierung von Coronatest

Stärkung des regionalen Denkens und eines ökologischen Umdenkens als Schlussfolgerung aus der Coronakrise

Ich war selbst überrascht und stolz auf meine Fraktion, wie viele konstruktive Vorschläge wir gemacht haben, um diese Krise gemeinsam zu bewältigen und den Menschen auch die Hoffnung zu vermitteln, dass wir das gemeinsam schaffen.

All diese Vorschläge hatte immer zum Ziel, der sozialen Spaltung unseres Landes entgegen zu wirken und damit auch unsere Demokratie zu schützen.

Nach wie vor schlagen wir zur Finanzierung dieser Krise u.a. eine Vermögensabgabe vor. Auch das ist soziale Gerechtigkeit.

Ein paar unserer Ideen wurden von Ihnen aufgegriffen. Doch grundsätzlich wollen Sie keine Beteiligung des Parlaments und wenn überhaupt nur die der Koalitionsfraktionen.

Es ist seit fast einem Jahr immer wieder das geflügelte Wort von der Krise als Stunde der Exekutive zu hören.

Da sind es der Ministerpräsident und die fachlich zuständige Sozialministerin, die hier wieder und wieder betonen, es gehe hier ausschließlich um die Exekution von Bundesrecht, um Exekutivföderalismus, in dem die Parlamente keinen Platz hätten.

Gar ist davon die Rede, es handele sich nur um fachliche und keine politischen Entscheidungen.

Ergo: Da kann und darf und muss kein Platz sein für den Landtag beim Festlegen der Regeln für die Pandemie-Bekämpfung.

Die Poesie des „Sachsen-Anhalt-Plans“ singt genau dieses Lied: Der Ministerpräsident entscheidet. Die Ministerien dürfen vorab zuarbeiten. Der Landtag ist raus bzw. in der Beteiligung nicht erforderlich.

Es ist ein leichtsinniges Spiel mit einer Verfassung, die den Staat Sachsen-Anhalt zur Gewaltenteilung verpflichtet und der Opposition einen Anspruch auf Chancengleichheit einräumt.

Ich bin davon überzeugt, dass diese unmittelbare Beteiligung der Vorsitzenden der Regierungsfraktionen und damit eines Teils des Verfassungsorgans Landtag an den Sitzungen des Verfassungsorgans Landesregierung die parlamentarische Opposition in unzulässiger Weise diskriminiert.

Das alles sind bereits nur schwer erträgliche Zeugnisse einer ausgeprägten verfassungsrechtlichen und verfassungspolitischen Orientierungslosigkeit.

Der Gipfel aber sind die Reaktionen der Landesregierung im Normenkontrollverfahren vor dem Landesverfassungsgericht.

Nachdem hier die Erzählung verbreitet wird, es sei kein Platz für eine Beteiligung des Landtages an der Rechtsetzung, wird dem Gericht mitgeteilt, da sich der Landtag mit der Pandemiebekämpfung befasst habe und keine von den Eindämmungsverordnungen abweichende Regelungen getroffen habe, habe er die Regelungen der Landesregierung gebilligt.

Wir hören hier immer wieder von Ihnen, dass Ihre Praxis der Nichtbeteiligung des Landtages an der Rechtsetzung in der Pandemie den Üblichkeiten in ganz Deutschland entspreche.

Ich weiß nicht, worauf sich diese These stützt. Sie hält einem Faktencheck nämlich nicht stand.

Denn richtig ist vielmehr, dass die durch Sie, Herr Ministerpräsident, geführte und durch die Fraktionen von CDU, SPD und Grüne gestützte Landesregierung bei weitem nicht die Benchmarks an Parlamentsbeteiligung in Deutschland erreichen.

Schauen Sie beispielsweise nach Baden-Württemberg, Berlin, Brandenburg, Bremen, Thüringen …um nur einige Länder zu nennen.

Nach unserer Einschätzung nimmt Sachsen-Anhalt hinsichtlich der Parlamentsbeteiligung den letzten Platz ein. Die Rote Laterne – herzlichen Glückwunsch.

Ich trage dafür nicht die Verantwortung, aber ich ärgere mich darüber.

 

Warum? Weil ich davon überzeugt bin, dass mit Blick auf unsere Geschichte die Gewaltenteilung ein hohes Gut ist.

Jder Eingriff in ein Grundrecht bedarf einer Debatte in und eines Beschlusses durch ein Parlament.

Wir wollen hier im Parlament eine öffentliche Debatte über die Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie führen, um deren Sinnhaftigkeit zu diskutieren und damit auch ihre Akzeptanz zu erhöhen.

Aber die durch Sie geführte Landesregierung bringt es nicht einmal fertig, in Respekt vor der Informationspflicht der Landesregierung gegenüber dem Landtag in Artikel 62 der Landesverfassung, den Landtag über den beabsichtigten Erlass einer Corona-Eindämmungsverordnung zu unterrichten.

Ich lese Artikel 62 Abs. 1 Satz 2 der Verfassung so, dass Sie dies tun müssten, da es sich bei Eindämmungsverordnungen um Vorhaben der Landesregierung handelt, die für das Land von grundsätzlicher Bedeutung sind.

 

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

meine Fraktion wollte diese ganz klar verfassungspolitisch gefährliche Verzwergung dieses Landtages – dem einzigen durch die Bürgerinnen und Bürger direkt demokratisch legitimierten Verfassungsorgan – durch die Landesregierung verhindern.

Unser Antrag „Stärkung der Rechte des Parlaments und verantwortungsvolles Handeln während der COVID-19-Pandemie“ (Drucksache 7/6786) stammt vom 30. Oktober 2021.

Er ist in den Ältestenrat und durch diesen an die Parlamentsreformkommission überwiesen worden.

Am Dienstag haben Sie nun im Ältestenrat nach monatelanger Arbeit der Parlamentsreformkommission ihre Arbeit diesbezüglich beendet und das Ergebnis – einen Gesetzentwurf zur Änderung der Landesverfassung, des Landtagsinformationsgesetzes und der Geschäftsordnung – gemeinsam mit unserem Antrag zur Stärkung der Rechte des Parlaments in der Pandemie in die Rundablage verfügt.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

ich will zur „Stunde der Exekutive“ zurückkommen.

Kein Geringerer als der Präsident des Bundesverfassungsgerichts Stephan Harbarth schrieb den Parlamenten am 10. Februar 2021 ins Stammbuch: Die wesentlichen Entscheidungen müssen vom Parlament getroffen werden. Zwar seien Krisen in ihrem frühen Stadium die Stunde der Exekutive, ab einem bestimmten Zeitpunkt habe aber der Gesetzgeber der Exekutive genauere Handlungsanweisungen zu geben. Je wichtiger die betroffenen Rechtsgüter seien, desto stärker sei der Gesetzgeber zur Entscheidung berufen.

Dessen ungeachtet, wird in Deutschland über die Eindämmungsmaßnahmen seit einem Jahr weitgehend informell durch eine dazu weder rechtlich noch politisch hinreichend legitimierte, in unserem Staatswesen gar nicht vorgesehene Runde entschieden.

Dies hat weitreichende Folgen für die Akzeptanz der Maßnahmen und für die parlamentarische Demokratie, das für die Öffentlichkeit, Transparenz, Rede und Gegenrede, Anhörung der Betroffenen, Beratung durch Experten und eine öffentlich zu treffende Entscheidung in der Sache steht.

Was wir haben, stellt eine bisher nicht gekannte Machtzentralisierung bei den Regierungschefs von Bund und Ländern dar.

Es entstand ein völlig neues, ungeregeltes und weder rechtlich noch parlamentarisch kontrollierbares informelles Entscheidungssystem, eine Super-Corona-Regierung, die unsere Verfassung nicht kennt.

Kann das für überzeugte verfassungstreue parlamentarische Demokraten ein akzeptabler Zustand sein, wenn aus der Stunde der Exekutive, aus dem faktischen Notstand ein Jahr des Notregimes geworden ist?

Man muss nicht der autoritären Machtergreifung das Wort reden, wenn man diese Entwicklung, diesen auch ein Jahr nach Beginn der Krise anhaltenden Zustand als verstörend empfindet.

Ich spreche keinem und keiner der an diesem informellen Regierungssystem Beteiligten die gute Absicht, schnell und angemessen agieren zu wollen. Aber sehen Sie auch den Preis?

Unser Landtag hat diesen Kampf für diese Wahlperiode am letzten Dienstag im Ältestenrat verloren.

Und all diejenigen, die das zu verantworten haben, müssen sich bewusst machen, dass dieses informelle Anregieren gegen Corona völlig ungeeignet ist, um als Vorbild für die Bewältigung anderer Notlagen wie etwa die Klimakrise zu dienen.

Was ist die Lehre aus all dem?

Die zentrale Lehre lautet, die parlamentarische Demokratie widerstandsfähiger gegen Hochrisikolagen wie diese Pandemie zu machen.

Dabei hat m.E. die unverzügliche Rückkehr zum Normalbetrieb im Verfassungsstaat und in der parlamentarischen Demokratie Priorität.

Demokratische Willensbildung und Entscheidungsfindung müssen wieder ohne die Vorschaltung einer informellen Super-Regierung in den Institutionen der parlamentarischen Demokratie erfolgen, soll sich nicht der Eindruck beim Souverän verfestigen, wenn es ernst wird, sind die Parlamente und damit letztlich die Bürgerinnen und Bürger, deren Vertretungen sie sind, außen vor.

Dazu müssen die Parlamente, muss dieser Landtag resilienter werden. Die Chance, erste Schritte zu tun, ist mit der Beerdigung der Ergebnisse der Parlamentsreformkommission vertan worden.

Daher haben wir mit unserem Antrag heute unter anderem noch einmal ganz bewusst einen „Pandemierat“ eingefordert, der Landtag, Landesregierung, Expertinnen aus verschiedenen Bereichen die Chance ermöglicht, gemeinsam Wege aus der Krise zu erarbeiten.

Sehr geehrte Damen und Herren,

die Lehre aus dem vergangenen Jahr ist aber auch, dass wir den Kampf gegen die Soziale Spaltung, gegen Ungerechtigkeit und Armut, gegen Existenzängste viel stärker ernst nehmen müssen.

Die Privatisierung des Gesundheitssektors war ein Fehler.

Profit machen und Gesundheit, das zeigt die Pandemie, sorgen für viel weitreichendere Probleme

Beziehen sie das Parlament ein, sorgen sie für soziale Gerechtigkeit, wo sie können und machen sie Druck in der eigenen Partei. Das ist das Mindeste Herr Haseloff!

Wir wollen den Menschen zumindest ein Stück Hoffnung zurückzugeben, indem ihnen ein Weg aus der Krise skizziert wird. Denn sie haben alle ein Recht darauf, zu wissen, wie es für sie weitergeht.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!