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Edeltraud Rogée zu TOP 02 b): Keine Abstriche an geltenden Arbeitnehmerrechten zulassen

Oft waren im Bundestagswahlkampf  Worte wie Ehrlichkeit und Aussagen „was wir heute fordern und versprechen, gilt auch nach der Wahl“ zu hören. Ja, es ist so, Versprechen bewahrheiten sich nach der Wahl.  Ein Versprechen meiner Partei DIE LINKE war „Wir sind auch sozial nach der Wahl“, deshalb haben wir uns für die heutige aktuelle Debatte entschieden. Wenn in Berlin eine neue Regierungspolitik festgelegt wird, sollten wir auch aus Sachsen-Anhalt unsere Meinung dazu sagen.

Die Sorge um eine weitere Verschlechterung der Arbeitsbedingungen treibt uns um. Offensichtlich steht DIE LINKE nicht allein mit dieser Sorge. Der DGB lässt seit der Wahl keine Gelegenheit aus, auch diese Befürchtungen vor der neuen schwarz-gelben Regierung sichtbar zu machen. Es ist auch kein Wunder, denn 60 Jahre DGB sind auch 60 Jahre Erfahrungen im Sozialauf- und -abbau. Wobei in den letzten 20 Jahren mehr gute Arbeitsbedingungen abg- als aufgebaut wurden.

Heute haben wir in Deutschland 4 Mio. Erwerbslose, 7 Mio. Menschen arbeiten im Niedriglohnsektor und  mehrere 100.000 Menschen sind abhängig von zusätzlichen Sozialleistungen. Viele fragen sich nach der Wahl: Wie geht es weiter? Dass solche Fragen nicht unbegründet sind, zeigt eine Umfrage des DIHK (Deutscher Industrie und Handelskammertag) für die Koalitionsverhandlungen vom September 2009.

Einige Ergebnisse, die auch Forderungen sind, will ich benennen:

58 % der Unternehmen sehen eine weitere Flexibilisierung des Arbeitsmarktes als dringendste Aufgabe der neuen Bundesregierung an. Der Fachkräftenachwuchs erhält die Note 3,4 und wird unter der demographischen Entwicklung als Problem gesehen. Die Arbeitskosten, Lohnnebenkosten und Löhne werden als zu hoch eingeschätzt und die Rente mit 67 muss erhalten bleiben. Es steht die Forderung nach der Bereitschaft des Einzelnen zum lebenslangen Lernen. Dagegen steht aber auch, dass die Unternehmen einen Rechtsanspruch der Arbeitnehmer auf Weiterbildung ablehnen. Wie soll das denn gehen? Eigenverantwortung der Arbeitnehmer – ohne Freistellung und sonstiger Unterstützung? Dazu passt auch nicht, dass wir in Sachsen-Anhalt das Bildungsfreistellungsgesetz abgeschafft haben.

Und schließlich - Kündigungsschutz ist auf Unternehmen ab 20 Beschäftigten zu konzentrieren.
Es wird Zeit, dass  die deutschen Unternehmer und ihre Verbandsvertreter die Beschäftigten in ihren Unternehmen auf gleicher Augenhöhe respektieren, denn dann haben sie Leistungsbereitschaft im Unternehmen und müssten nicht ständig darüber grübeln, wie sie durch menschenunwürdigen Druck die Beschäftigten zu mehr Leistung bewegen.

Ich frage mich immer wieder, warum noch immer manche (und das sind nicht wenige) Arbeitgeber das wichtigste Gut, das sie im Untenehmen haben - die Menschen mit ihren Fähigkeiten, Fertigkeiten, Ideen und ihren Fantasien - so schlecht behandeln. Sie sind doch das wichtigste Kapital für Produktivität und Effektivität, für die Entwicklung der Unternehmen.
Auch deshalb hat meine Fraktion wenig Verständnis für die Art und Weise, wie IKEA sein Tochterunternehmen in Gardelegen behandelt hat – nach 30 Jahren erfolgreicher Produktion. 

Blicken wir auf die Beschäftigtenstruktur in Sachsen-Anhalt. Es gibt ca. 1Mio. Erwerbstätige, davon 743 922 sozialversicherte Beschäftigte. Mehr als 25 % sind nicht oder sehr gering sozialversichert.

Erwerbstätigenquote im Vergleich (Quelle: DGB-Ost)

Bayern - 74,4

Baden-Württemberg- 74,6

Sachsen-Anhalt - 66,6

Bayern und Baden-Württemberg haben die ersten Plätze, und wenn ich richtig informiert bin, wird in diesen Ländern besser entlohnt, und sie sorgen dafür, dass Aufträge für die regionale Wirtschaft in ihren Ländern bleiben.

Auch die Armutsgefährdung ist in beiden Ländern sehr gering, anders als in Sachsen-Anhalt:

Armutsgefährdung von Arbeitnehmern in Sachsen-Anhalt (Quelle: DGB Ost)

1998 - 6,7% der Beschäftigten

2008 - 11,6% der Beschäftigten

Damit befinden wir uns hinter Mecklenburg - Vorpommern an vorletzter Position. Ich glaube, das ist Veranlassung genug, um über die Armutsgefährdung in unserem Land   nachzudenken. Das ist auch eine wesentliche Begründung für die paritätische Finanzierung der Kranken-, Renten- und Arbeitslosenversicherung. Wirklicher Schutz bei Krankheit und im Alter entsteht nur, wenn die Arbeitnehmer existenzsichernde Gehälter bekommen. Deshalb ist uns auch nach der Wahl die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns wichtig.

Mit Bürgergeld soll die Arbeitsbereitschaft der Menschen aus der  Erwerbslosigkeit gefördert werden. So will es die FDP. Die meisten Menschen wollen arbeiten, sie wollen für ihren Lebensunterhalt selbst sorgen. Dann geben Sie ihnen doch Arbeit wovon sie sich und ihre Familien ernähren und am gesellschaftlichen Leben teilhaben können. Das kostet die Allgemeinheit weniger Geld und bringt mehr Steuern in die öffentlichen Kassen. Aber auch hier gilt: Ordentliche Bezahlung ist eine Voraussetzung dafür, dass keine zusätzlichen Leistungen in Anspruch genommen werden müssen. Deshalb sind auch hier wirklich leistungsabhängige und existenzsichernde Löhne und Gehälter notwendig.

Der Kündigungsschutz ist gegenwärtig die wichtigste Kategorie wenn es um mehr Flexibilität im Unternehmen geht. Ich habe kein Verständnis dafür, dass nicht jeder Arbeitnehmer/In Anspruch auf Kündigungsschutz hat. Arbeitnehmer sollen fleißig sein, hohe wirtschaftliche Ergebnisse für das Unternehmen bringen, aber Verantwortung für den Schutz der Arbeitnehmer wollen viele Arbeitgeber nicht mehr übernehmen.

2004 wurden die Kündigungsfristen für Unternehmen mit fünf Beschäftigten gekippt. Der Schutz wurde nun auf Unternehmen ab10 Beschäftigte festgelegt. Das war eine Sünde der sozialdemokratischen Regierung. Jetzt reicht das auch nicht mehr aus. Seit längerer Zeit soll die Betriebsstärke für Kündigungsschutz auf 20 erhöht werden. Jetzt soll der Kündigungsschutz nur noch in  Unternehmen gelten, ab 20 Beschäftigte.

Worum geht es eigentlich?

Arbeitnehmer in der Probezeit - in der Regel ein halbes Jahr -  haben eine Kündigungsfrist von 2 Wochen und können ohne Grund gekündigt werden.

Nach der Einarbeitung beträgt die Kündigungsfrist 4 Wochen zum 15. oder Monatsende. Erst nach 2 Jahren besteht eine Kündigungsfrist von 4 Wochen zum Monatsende. Sind diese Kündigungsfristen wirklich ein Problem für die FDP? Das kann es nur sein, wenn man die Arbeitnehmer noch schneller heuern und feuern will.

Ich bitte zu bedenken, dass Kündigungsschutz keine einseitige rechtliche Regelung ist. Er wirkt für und gegen beide Arbeitsvertragspartner. In Zeiten der knapper werdenden Fachkräfte müsste das Interesse der Arbeitgeber eher sein, die Kündigungsfristen zu behalten – besonders die kleinen. Arbeitnehmer, die gut ausgebildet und woanders gefragt sind, wo sie besser entlohnt werden, könnten dann von kurzen Kündigungsfristen Gebrauch machen und das Unternehmen von heute auf morgen verlassen. Dann steht der kleine Unternehmer mit fehlendem Know how da. Ich habe diese Erfahrung bei Arbeitnehmern gemacht, die schneller aus dem alten Betrieb weg wollten, weil der neue Arbeitsvertrag kurzfristig abgeschlossen werden sollte, mit dem die Arbeitsbedingungen, der Weg und das Gehalt reizvoller waren. Und ich musste in diesen Fällen unseren Mitgliedern sagen, dass dieses Gesetz immer in zwei Richtungen wirkt. Es schützt den Arbeitnehmer vor zu schneller Kündigung durch den Arbeitgeber, es schützt aber auch den Arbeitgeber vor zu schneller Kündigung durch den/die Arbeitnehmer/in.

Demokratie setzt sich im Unternehmen in hohem Maße über die Mitbestimmung der Betriebsräte um.

Neben unseren hier einige Forderungen der SPD und der Grünen:

  • Mitbestimmung bei Personalfragen,
  • Mitbestimmung bei Strukturveränderungen der Unternehmen
  • Mitbestimmung bei wirtschaftlichen Fragen
  • Beendigung der Ausspionierung der Beschäftigte

Viele dieser Forderungen können relativ einfach gelöst werden, wenn das Betriebsverfassungsgesetz umgesetzt wird, wenn Wahlen von Betriebsräten zur Normalität werden, wenn Betriebsratswahlen nicht durch Maßregelung, persönlichen Druck auch auf Familienmitglieder verhindert werden.
Es wäre ein großer Erfolg, wenn alle Beschäftigten, die es wollen, sich ohne Repressalien einen Betriebsrat wählen können.

Nach jahrelanger Auseinandersetzung ist es den Beschäftigten bei Schlecker vor einigen Wochen in Sachsen-Anhalt gelungen, einen Betriebsrat zu wählen. Wie viel Schleckerfilialen es gibt, wissen Sie sicher selbst aus Ihrem Umfeld. Das ist zwar so gesehen ein Tropfen auf einen heißen Stein, aber es ist für die betroffenen Arbeitnehmerinnen eine gewonnene Schlacht.

Zum Schluss - meine These lautet, das Einkommen der Bevölkerung ist ein wesentlicher Wirtschaftsfaktor für die Region. Eine Lehre aus der Krise ist, dass die einseitige Orientierung auf den Export zur Vernachlässigung des Binnenmarktes beigetragen hat. Nicht wenige Unternehmer beklagen, dass Deutschland zum Billiganbieter geworden ist, hier muss ein Umdenken im gesellschaftspolitischen Bereich erfolgen. Auch deshalb bleiben wir bei unserer Forderung nach einem gesetzlichen Mindestlohn.

Die SPD fordere ich auf, ihr Versprechen von vor der Wahl umzusetzen und sich aktiv im Bündnis Mindestlohn in Sachsen-Anhalt zu beteiligen.