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Dr. Uwe-Volkmar Köck zu TOP 22: Landesplanerische Bewertung der CO2-Verpressung in der Altmark vom Verfahren der Aufstellung des Landesentwicklungsplanes trennen

Bereits zu einem Zeitpunkt, als auf europäischer Ebene noch heiß über die CCS-Richtlinie diskutiert wurde und noch nicht einmal das Gutachten des Büros für Technikfolgenabschätzung beim Deutschen Bundestag zur CO2-Abscheidung und –Lagerung bei Kraftwerken vorlag, hat sich die Landesregierung von Sachsen-Anhalt  in ihrem Landesenergiekonzept für CCS entschieden. Während Niedersachsen sich nicht zum Müllplatz der Bundesrepublik machen lassen wollte und Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern massiven Widerstand in Aussicht stellten, biederte sich unsere Landesregierung in Brüssel und Berlin förmlich an, in dem sie die Altmark als Versuchsgebiet für eines von 10 bis12 Demonstrationsvorhaben anpries. Wörtlich heißt es im Energiekonzept vom September 2007: „Die Landesregierung würde es begrüßen, wenn im Rahmen der Forschungsagenda der Europäischen Kommission zur Umsetzung von 10 bis 12 Demonstrationsprojekten mit CCS-Großkraftwerken in Europa für die Altmark erforscht würde, ob die Altmark ein geeigneter Standort zur langzeitsicheren Sequestration von Kohlendioxid ist.“

Durch die Aufnahme von zwei Zielaussagen im Landesentwicklungsplan (LEP) 2010 hat die Landesregierung die CCS-Technologie hoffähig gemacht und einen Bewertungsmaßstab für landesplanerische Stellungnahmen in Genehmigungsverfahren jedweder Art geschaffen. Wird der Entwurf des LEP unverändert verabschiedet, kann gegebenenfalls sogar auf ein ansonsten obligates Raumordnungsverfahren verzichtet werden.

CCS in Sachsen-Anhalt ermöglichen, dieses Ziel zieht sich seither als energiepolitischer roter Faden durch die Regierungspolitik. Darüber können auch nicht die kritischen Äußerungen von Minister Haseloff hinwegtäuschen, denn seine Bedenken sind nicht grundsätzlicher oder gar technologiekritischer Natur. Ihn treiben besonders die Sorgen bezüglich der Rechtsgrundlage für die zu erteilenden Genehmigungen und die Haftungsfragen um. Bei letzteren möchte er gern den Bund mit ins Boot holen.

Doch wo Haftung ist, da ist zuvor erst einmal ein Schaden. Im worst case ergeben sich gewisse Parallelen zu einer Hochwasserlage. Im Unterschied zu dieser würde das Kohlendioxid keine Sachwerte beschädigen. Dahingerafft würden aber alle auf die Luft zum Atmen angewiesene Lebewesen, so wie 1986 bei der Naturkatastrophe am ostafrikanischen Nios-See geschehen.

Auch wenn es versuchsweise „nur“ um 100.000 t geht - was 50 Tonnen CO2 anrichten können, haben wir vor zwei Jahren bei einem Brand in der Lagerhalle einer Lackfabrik in Mönchengladbach gesehen. Auf dieses Beispiel hatten bereits Minister Haseloff und Kollege Miesterfeld hingewiesen. Nur 220 Sekunden war die stationäre Feuerlöschanlage in Betrieb, doch eine leichte Muldenlage und eine austauscharme Wetterlage führten dazu, dass das Löschmittel CO2 an Ort und Stelle liegen blieb. Das wurde erst bemerkt, als auf einer nahe gelegenen Straße Passanten starke Atembeschwerden verspürten und eine kurzzeitig sogar bewusstlos werdende Mopedfahrerin schwer stürzte. Infolge der Ausbreitung des CO2 mussten schließlich auch noch Wohnhäuser evakuiert werden. Das aber nur, weil die Anwohner überwiegend den Forderungen der Feuerwehr nicht nachkamen, in den Häusern zu verbleiben, Fenster und Türen geschlossen zu halten und höher gelegene Räume aufzusuchen. Erst durch einen Hubschrauber der Polizei im Tiefflug konnte großflächig eine Verdünnung des CO2 erreicht werden. Dass sich die Besatzung dabei in höchste Gefahr begab, ahnte bei dem Einsatz niemand. Erst im Nachhinein wurde  eine Verbindung zwischen stockend aussetzenden Verbrennungsmotoren und der örtlichen CO2-Konzentration hergestellt. Das Fazit:  Insgesamt mussten 97 Personen vor Ort ambulant behandelt und 10 sogar kurzzeitig stationär aufgenommen werden.

Wie die staatsanwaltliche Untersuchung ergab, haben die beteiligten Feuerwehren alles richtig gemacht. Nur deshalb war kein Menschenleben zu beklagen.

Auch wenn der Betreiber umfassend für einen bestimmungsgemäßen Betrieb und für die Sicherheit Verantwortung trägt, sind die für Katastrophenschutz zuständigen staatlichen Stellen vom ersten Tag einer Verpressung an gefordert. Auch und gerade bei einer versuchsweise erfolgenden Ablagerung von CO2. Dabei reicht es m. E. nicht aus, nur die im Ernstfall für einen Einsatz vorgesehenen Kräfte auf die spezifische Lage hin auszurüsten, auszubilden und zu trainieren, sondern die Einwohnerschaft muss das richtige Verhalten kennen, es erlernen und entsprechend üben, auch in Kitas, Schulen, Behörden und Betrieben.

Der Bürgerinitiative in Salzwedel und allen potenziell betroffenen Bürgerinnen und Bürgern muss reiner Wein eingeschenkt werden. Viel mehr als klare Worte fordern sie ja eigentlich nicht. Von Informationsveranstaltungen über diese Technologie, die regelmäßig nach dem zweiten C von CCS Schluss machen, haben die Menschen nicht nur in der Altmark genug. Der Innenminister müsste regelrecht rotieren, um ein Konzept für ein Sicherheitsmonitoring präsentieren zu können, rechtzeitig bevor die erste Tonne CO2 unter der Altmark verschwindet. Doch von Minister Hövelmann hat man diesbezüglich noch kein Sterbenswörtchen vernommen.

Bereits die Aussicht auf die zukünftige CO2-Ablagerung könnte sich wie Mehltau über die Regionalentwicklung der Altmark legen. Ich denke da besonders an den Tourismus. CCS in der Altmark, das bedeutet auch dann noch Entwicklungseinschränkungen und finanzielle Belastungen für die öffentliche Hand, wenn der Tross der Verpresser schon längst weiter gezogen ist. Doch woher kommt das dafür notwendige Geld? Zumindest nicht aus der dauerhaften Nutzung der Geothermie, die nur in der nordwestlichen Altmark über nutzbare Potenziale verfügt. Eine Entscheidung für CCS bricht zugleich den Stab über diese regenerative Energiequelle.

Wurden diese bisher aufgeführten Fakten von allen an der Kabinettsrunde am 20. Juli 2010 Beteiligten auch bedacht, als sie den Entwurf der VO über den LEP durchwinkten? Ich glaube kaum. Hinzu kommt, dass die CO2-Ablagerung in der Altmark noch immer eine Rechtsgrundlage entbehrt. Und skandalös ist es, als Zweck der CO2-Verpressung die Austreibung der letzten Gasreste aus der weitgehend erschöpften Lagerstätte anzuführen, obwohl es sich bei der CO2-Verbringung um eine dauerhafte Ablagerung analog der von Filterasche handelt. Herr Minister Haseloff, haben Sie den Zielformulierungen zu CCS im Kabinett zugestimmt? Wenn ja, dann ist alle bisher von Ihnen geübte Kritik Makulatur.

Die fehlende Rechtsgrundlage, der für eine sachgerechte landesplanerische Abwägung unzureichende Wissensstand und die noch nicht sicher genug abschätzbaren Risiken verbieten zum gegenwärtigen Zeitpunkt eine landesplanerische Zielaussage pro CCS. Es macht auch keinen Sinn, ein Dokument mit solch weit reichender Rechtswirkung wie den LEP auf dem Referentenentwurf eines Bundesgesetzes aufzubauen. So ordnet dieser das CCS-Gesetz nun völlig überraschend dem Bereich Luftreinhaltung zu und beschränkt sich ausdrücklich nur auf Demonstrations- und Forschungsvorhaben. Die Formulierungen im LEP reichen da viel weiter.
Es ist also absehbar, dass für den avisierten Zeitraum der Gültigkeit des neuen LEP, keine landesplanerische Notwendigkeit besteht, eine Flächensicherung für die großtechnische Verbringung von CO2 vorzunehmen. So wie das Gas über Jahrmillionen in mehr als 1.000 m Tiefe ruhte, so können nun die Speicherräume ruhig noch etwas warten. Möglicherweise ist es für Sachsen-Anhalt nachhaltiger und zukunftsweisender, wenn diese statt CO2 Druckluft aufnehmen würden, um als Pufferspeicher für unstet anfallenden Windstrom zu dienen.
Die Abtrennung der CCS-Problematik von der Aufstellung des LEP würde einen der kardinalen Kritikpunkte – die Verpressung von CO2 in der nordwestlichen Altmark – entschärfen. Die komplizierte Sach- und Rechtsproblematik würde nicht länger im Rahmen des komplexen Sachbündels LEP diskutiert werden müssen, sondern könnte allein, der Brisanz angemessen und schrittweise mit dem stattfindenden Erkenntnisgewinn geschehen. Und die Landesregierung könnte sich über die Sicherheitsfragen klar werden.   

Die Koalitionsfraktionen haben eingangs der parlamentarischen Beratungen des LEP mit markigen Worten deutlich gemacht, dass sie keinerlei substanzieller Veränderung des VO-Entwurfes zustimmen werden, wenn dadurch die In-Kraft-Setzung vor Ende der Wahlperiode gefährdet würde. Wie schon bei der Novelle des Landesplanungsgesetzes fällt auch beim LEP dem angeblichen Zeitdruck eine Anhörung zum Opfer.

Wir kommen mit unserem Antrag der Koalition sogar entgegen, denn das verschafft der Landesregierung ein Zeitpolster, um entsprechend zu reagieren. Im Gegensatz zur Abwägung des Kabinetts, das viel zu zeitig irreversible Weichenstellungen vorgenommen hat, bleiben im Falle unseres Antrages alle Optionen erhalten.     
Wir verlangen ja von Ihnen keine Grundsatzentscheidung über die CCS-Technologie insgesamt. Der Antrag fragt ja nicht  „Brauchen wir CCS überhaupt?“ Das überlassen wir Ihnen, auch wenn DIE LINKE für sich nach der Rücknahme des Atomausstiegs erst recht keinen Bedarf für eine weitere so genannte Brückentechnologie in die energiepolitische Vergangenheit sieht. Denn CCS ist kein Brückenschlag in die Zukunft, sondern verschiebt das energiepolitisch Erforderliche nur um die Laufzeit einer Kraftwerksgeneration. Ich stimme bestimmt nicht sehr oft mit Herrn Kollegen Franke von der FDP überein, aber hier hat er Recht. Mit CCS verschieben wir nur die Probleme aus der Luft unter die Erde.