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Dr. Uwe-Volkmar Köck zu TOP 20: Veränderung der Bezugsbasis für die Bevölkerungsstatistik

Aufgabe der Bevölkerungsstatistik ist es, Veränderungen in Zahl und Zusammensetzung der Bevölkerung zu dokumentieren. Bundeseinheitlich bestimmt das Bevölkerungsstatistikgesetz die Wohngemeinde zur zentralen Bezugseinheit. Allerdings stammt das Gesetz bereits aus dem Jahre 1980. Seither ist eine langsam aber stetig verlaufende Reduzierung der Zahl der Gemeinden zu konstatieren. Für das Gebiet des heutigen Sachsen-Anhalt verzeichnete die amtliche Statistik im Jahre 1941 noch 2.739 selbständige Gemeinden. Bis 1989 hatte sich deren Zahl bereits halbiert. Am 1. Juli 2008 waren es noch 1013. Im Ergebnis der Gemeindegebietsreform werden schließlich nur noch etwa 135 große Wohngemeinden im Sinne des Bevölkerungsstatistikgesetzes übrig bleiben.

Solange jeweils eine Siedlung zugleich eine Gemeinde darstellte, spiegelten die Gemeindestrukturen auch die Siedlungsstruktur gut wieder. Mit der Eingemeindung oder bei einer Gemeindefusion werden jedoch bisher als Außenbeziehungen erfasste Sachverhalte zu Innenbeziehungen, die entweder statistisch gar nicht mehr oder an anderer Stelle erfasst werden. Aus der Außenwanderung wird Binnenwanderung und aus einigen der Arbeitspendler am Wohnort Beschäftigte. Im wirklichen Leben hat sich jedoch überhaupt nichts geändert. Die statistischen Zahlen können in Unkenntnis der Vorgeschichte sogar zu falschen Schlussfolgerungen führen.

Bei einer Fusion mehrerer Gemeinden glätten sich die statistischen Wogen. Eine hohe Dynamik wird nicht mehr statistisch abgebildet. So ist die Kurve der Bevölkerungsentwicklung für eine Verwaltungsgemeinschaft oder eine Einheitsgemeinde in der Regel viel glatter, als die der Mitgliedsgemeinden. 

Fazit:

  1. Das Bundesbevölkerungstatistikgesetz ist nicht mehr zeitgemäß.
  2. Die Gemeindestatistik wird in Sachsen-Anhalt spätestens ab 1.1.2010 hoch aggregiert aber weniger differenziert und hinsichtlich der Ortsteilebene, der ehemaligen Gemeindeebene, nicht mehr hinreichend aussagefähig sein.
  3. Langjährige Datenreihen – unersätzlich für Entwicklungsanalysen und –prognosen – brechen ab. 

Vor 260 Jahren wurde die deutsche Statistik als die Lehre von den Daten über den Staat eingeführt. Inzwischen ist der Staat der eifrigste Datensammler. Die Statistiker von Amtswegen sehen sich deshalb einem permanenten Rechtfertigungsdruck ausgesetzt, Statistik nicht um der Statistik Willen zu betreiben. „Moderne Gesellschaften“, heißt es daher im Vorwort zum Statistischen Jahrbuch 2008 Sachsen-Anhalts „sind ... auf gut fundierte Informationen angewiesen. Welche Datenquelle ist dafür verlässlicher als … die amtliche Statistik. Ihr Auftrag, Politik und Gesellschaft objektiv und neutral mit statistischen Informationen zu versorgen, spiegelt sich wieder in grundlegenden und zukunftsweisenden politischen Entscheidungen und Handlungsabläufen …“.

Es ist vermutlich nicht zufällig, dass das aktuelle vom Statistischen Landesamt  unlängst erst herausgegebene Gemeindeverzeichnis sämtliche Ortsteile bis hin zum kleinsten Vorwerk aufführt. Summa summarum 4.479 Siedlungsteile. 

Dagegen stehen demnächst noch 135 Großgemeinden, die keineswegs repräsentativ für das polyzentrische Siedlungssystem unseres Landes sind. Im Gegenteil. Zwei Drittel aller Orte verfügt über weniger als 1.000 Einwohner. Sie kommen aber statistisch gesehen schlicht gar nicht mehr vor.

Damit lässt sich der formulierte Anspruch der Statistik nicht mehr einlösen. Dies aber nicht wegen der Zahlenverliebtheit einiger Statistiker, sondern weil diese von der Politik im Stich gelassen werden.

Mit diesem Antrag will DIE LINKE diese Problematik auf die Tagesordnung setzen. Da die Zeit drängt, müsste neben der Thematisierung im Bundesrat mit dem Ziel einer Gesetzesnovelle auf Bundesebene eine landesspezifische Übergangs- ggf. auch Ersatzlösung gefunden werden. Über die verschiedenen Möglichkeiten sollte im Innenausschuss federführend, mit beratend in den Ausschüssen für Landesentwicklung und Wirtschaft beraten werden.