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Dr. Uwe-Volkmar Köck zu TOP 18: Entwurf der Verordnung über den Landesentwicklungsplan 2010 des Landes Sachsen-Anhalt

Umweltminister Dr. Aeikens hat gestern eine flammende Rede für den Schutz der Umwelt gehalten. Wenn man seine Schwerpunkte mit den Anstrichen des Entschließungsantrages der Fraktion DIE LINKE vergleicht, kann man eine verblüffende Übereinstimmung feststellen. Aber die Vorzeichen sind entgegengesetzt. Das bedeutet, dass gerade in den Bereichen, in denen nach Auffassung des Umweltministers der Handlungsbedarf am größten ist, der Landesentwicklungsplan seine größten Schwachstellen aufweist. Im krassen Widerspruch zu dem vom Umweltminister gezeichneten Bild steht, dass der Klimawandels nicht zu den sich weltweit veränderte Rahmenbedingung für die Landesplanung gezählt wird. Da ist kein Versehen im Spiel, sondern Vorsatz, wie das im Protokoll der Abwägung dokumentiert ist. Damit ist Klimaschutz zum nachrangigen Ziel der Landesentwicklung geworden. Gleiches gilt für den Schutz des Bodens. Nach der Ablehnung einer dementsprechend vorgeschlagenen Ergänzung im Ausschuss ist zu erwarten, dass die Mehrheit dieses hohen Hauses dieser Position folgt.

Das ist keine böswillige Unterstellung, sondern für jeden mit den landesplanerischen Begriffen Vertrautem an den im LEP (Landesentwicklungsplan) verteilten Z´s (Ziele) und G´s (Grundsätze) deutlich zu erkennen. Die Belange des Klima- und Bodenschutzes haben durchgängig nur den Status eines bei einer Abwägung zu berücksichtigenden Grundsatzes der Raumordnung. Weil jegliche Zielaussage fehlt, geraten bei jeder der vielen kleinen Abwägungsentscheidungen die Belange des Klimaschutzes – und das in völliger Übereinstimmung mit dem LEP – unter die Räder, in einem Plan, der nach dem Willen des Bundesgesetzgebers die Nutzungsansprüche an den Raum unter ökonomischen, ökologischen und sozialen Gesichtspunkten gleichgewichtig abzuwägen hat.

Der LEP ist über die Maßen wirtschaftsfreundlich. Die Krone wird der Schieflage mit der Begründung des Zieles aufgesetzt, die Erweiterung eines Gewerbegebietes bedürfe keiner näheren landesplanerischen Prüfung und habe schon deshalb Vorrang, weil die Schaffung von Arbeitsplätzen im Interesse des Gemeinwohls liege.

Sachsen-Anhalt geht mit seiner begrenzten Ressource Raum nicht nachhaltig um. Bevölkerungsentwicklung und Flächenverbrauch sind entkoppelt, ebenso der Ressourcenverbrauch. Was besonders schmerzt, ist erleben zu müssen, worunter die fruchtbarsten Böden verschwinden: unter Logistikzentren, die bekanntermaßen den größten spezifischen Flächenverbrauch mit dem geringsten Wertschöpfungspotenzial verbinden oder für Ansiedlungen von Betrieben mit end-of-pipe-Technologien.

Die Ansiedlung eines das Billigprodukt Behälterglas herstellenden Fabrikanten ist nur dann wirklich zukunftsfähig, wenn es der Region gelingt, zumindest einen Teil der Hohlkörper auch mit Inhalt zu füllen. Ausdruck einer von Nachhaltigkeit noch weit entfernten Entwicklung der Raumnutzung ist die Tatsache, dass die Zunahme der Wirtschaftskraft von einer proportionalen Entwicklung der Gewerbeflächen begleitet worden ist. In der Ära von Minister Dr. Dähre ist die Flächenproduktivität der Siedlungs- und Verkehrsfläche um mehr als 10 % gesunken. Sie liegt mittlerweile nur noch knapp über der des Jahres 1992.

Von der Koalition wird ein vom Volksmund auch als Vogel-Strauss-Politik bezeichnetes Verhalten an den Tag gelegt. Den Kopf in den Sand stecken in der Annahme, man sehe dann den Hintern nicht. Auch wenn die Koalition heute die Verordnung durchwinkt, die rechtlichen Bedenken zu einigen ihrer Teile, von renommierter Seite vorgetragen, bleiben. Diese sind aktenkundig und werden den LEP zeitlebens begleiten. Das Autorenteam erwies sich aber auch in anderen Fragen als äußerst beratungsresistent, wie die als Anhang beigefügten Abwägungsunterlagen belegen. Reihenweise wurden konstruktive Vorschläge der Träger öffentlicher Belange abgelehnt.  

Mit „Einvernehmen“ wird ein Zustand bezeichnet, der erreicht ist, wenn mehrere Personen die gleiche Meinung haben und das Verhältnis zwischen ihnen gut ist. In einem Parlament sind solche Zustände naturgemäß sehr rar. Zu den wenigen Situationen dieser Art gehörte die Einfügung der Einvernehmensregelung in das Landesplanungsgesetz.

DIE LINKE hat diese von der Regierungskoalition ausgehende Initiative mehrfach und in aller Öffentlichkeit gewürdigt. Von Stärkung des Parlaments war da die Rede. Vom kräftigen Mitwirken am Landesentwicklungsplan. Doch das, was hier in den letzten Wochen ablief, kann mit „Einvernehmen herstellen“ nicht gemeint gewesen sein. Die wirkliche Einvernehmensherstellung erfolgte bereits am Kabinettstisch am 20. Juli 2010. Da erging an die Koalitionsfraktionen der Auftrag, kompromisslos und ohne Veränderungen das Verfahren zum LEP 2010 bis zum Jahresende durchzuziehen. Kein Wort mehr von in die Tiefe gehenden Diskussionen, gemeinsam und mit den Verbänden, keine Anhörung, dafür Ausschussberatungen mit Alibicharakter und Abblocken jeder Sachdiskussion. Dazu kam ein rüder Tonfall, den ich so nicht erwartet hatte. Die Zeit der tiefen Bücklinge war vorbei. Wie bereits beim Landesplanungsgesetz wurde das Zeitargument bemüht. Man opferte lieber Qualität und die parlamentarische Kultur.

Nicht DIE LINKE kam unvorbereitet zur Ausschusssitzung, sondern die Koalition. Unsere 32 Seiten umfassenden Vorbereitungen belegen das eindeutig, sie sind als Anhang des Protokolls aktenkundig. Die Koalition hatte sich auf ein schnelles Abweisen aller Änderungsanträge der Opposition eingestellt und nicht auf eine Sachdiskussion. Um den damit verbundenen Eklat später der LINKEN anlasten zu können – ein bewährter Kunstgriff – war etwa eine Woche zuvor die Einladung abgeändert worden. Beim TOP LEP wurde aus „Beratung“ „Beratung und ggf. Beschlussfassung“. Gegebenenfalls heißt nun mal Gegebenenfalls. Ich stelle mich gern einer Bewertung des Sachverhaltes durch den Präsidenten. Was folgte, war die erste Beratung in einer Angelegenheit, für die der federführende Ausschuss 1999 sechs Ausschussberatungen verwandte. Von Sachberatung kann also nur bedingt die Rede sein. Bei jeder Sachfrage wurde auf schnellste Abstimmung von Änderungsanträgen gedrängt. Bei zwei von 5 Kapiteln wurde durch Geschäftsordnungsanträge die Beratung abgekürzt. Zu Daseinsvorsorge, Verkehr und Energie waren so Sachfragen und ggf. Sachanträge unmöglich gemacht worden. Und das alles bei einer extrem aggressiven, sich gegen meine Person richtende Grundstimmung. Die Schmerzgrenze war weit überschritten. Der Opferschutzbericht der Justizministerin hat mich deshalb eigentümlich berührt.  

Mit Blick auf solche Art von Verhandlungspraxis sah ein heute nicht ganz unbedeutender Vertreter der Regierungskoalition einst im Magdeburger Modell die Vorteile gegenüber einem per Koalitionsvertrag  abgeschlossenen Regierungsbündnis. Jede anstehende Sachfrage musste neu verhandelt werden. Sind jedoch die jeweiligen Positionen durch einen Koalitionsvertrag bereits festgezurrt, könne dies zum unreflektierten Abnicken seitens der Koalitionsmitglieder führen. Die Mitglieder einer Koalition seien ständig der Gefahr ausgesetzt, so die Worte des Kollegen, als „Abstimmungsvieh“ missbraucht zu werden. 

Das Gegenteil von dem, was die Einvernehmensherstellung verhieß - mehr Mitsprache durch das Parlament, ein Stück mehr Demokratie - ist eingetreten. Auch wenn die Koalition das nicht hören will, sie ist, ohne dass es ihr bewusst geworden ist, in die Rolle von Stimmvieh gedrängt worden. Und Ihnen, Herr Bergmann, fiel die undankbare Aufgabe des Viehtreibers zu, welche Ironie.