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Dr. Uwe-Volkmar Köck zu TOP 16: Obergrenzen für Tierbestandskonzentrationen

Jeder hier kennt wohl Schweinchen Babe, das kleine süße Ferkel, und hat es ins Herz geschlossen. So niedlich Ferkel auch sein mögen, wenn mehrere Tausend von ihnen munter durcheinander quieken, tüchtig futtern und Gülle produzieren, dann hört die Freundschaft auf.

Die Genehmigungsverfahren der aus betriebswirtschaftlichen Gründen immer größer werdenden Tierhaltungsanlagen sind deshalb auch besonders konfliktträchtig. Die glorreichen Zeiten, als der Bauer mit seinen Tieren noch unter einem Dach wohnte, sind lange vorbei. Neue Stallanlagen sind deshalb grundsätzlich nur noch im Außenbereich genehmigungsfähig und daher außerhalb des Siedlungsraumes privilegiert. Privilegierung bedeutet Beweislastumkehr. Die Genehmigungsbehörde muss nachweisen, welche öffentliche Belange der Erteilung einer Baugenehmigung entgegenstehen, und warum dies so ist.

Zwischen Stallanlagen und Windkraftanlagen ergeben sich somit deutliche Parallelen. Eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange liegt zum Beispiel vor, wenn das Vorhaben den Darstellungen des Flächennutzungsplanes widerspricht. Schädliche Umwelteinwirkungen sind ein weiterer Versagungsgrund. Die Prüfung dieses Sachverhaltes erfolgt nach den Festlegungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und nachgeordneter Fachvorschriften, wie zum Beispiel der TA-Luft. Bei Belangen des Naturschutzes kommen die Eingriffsregelungen der FFH-Verträglichkeitsprüfung zur Anwendung.

Öffentliche Belange können auch dadurch beeinträchtigt sein, dass Maßnahmen zur Verbesserung der Agrarstruktur beeinträchtigt. Mir ist allerdings kein Fall bekannt, in dem dieses Argument jemals eine Rolle gespielt hat. Hinsichtlich der Notwendigkeit der Verfahrenstiefe zur Beurteilung der Immissionen hat der Gesetzgeber auf der Bundesebene Schwellenwerte festgelegt und gleichzeitig Festlegungen über eine graduell abgestufte Umweltverträglichkeitsprüfung getroffen. Im Jahr 2007 wurden diese Schwellenwerte übrigens angehoben.

Die Beurteilung der Raumbedeutsamkeit solcher Stallanlagen ist dagegen bisher nicht normiert und bleibt der Prüfung des Einzelfalls überlassen. Daraus ergeben sich subjektive Berteilungsspielräume. Aus diesen resultieren wiederum Rechtsunsicherheit, Misstrauen und die Gefahr von unendlich vielen Klagen. Es bietet sich auch Raum für Korruption und Gefälligkeitsgutachten.

Mit zunehmender Größe und Technisierung der Stallanlagen geht der Bezug zur örtlichen Landwirtschaft immer mehr verloren und die Raumbedeutsamkeit wächst. Es ist also auch höchste Zeit, für die Beurteilung der Raumbedeutsamkeit von Massentierhaltungen Schwellenwerte und Beurteilungskriterien, wiederum analog zu den Windkraftanlagen, festzulegen.

Mit dem ersten Punkt des Antrages fordert DIE LINKE die Landesregierung auf, über eine Bundesratsinitiative bundesweit einheitlich anwendbare Beurteilungskriterien für Großstallanlagen einzufordern. Das ist auch aus der Sicht des Wettbewerbs dringend erforderlich. Bis dahin liegt die Verantwortung beim Land. Es kann aufgrund der Regelungen des § 1 der Raumordnungsverordnung landesrechtliche Vorschriften treffen, um solche Vorhaben in einem formalen Raumordnungsverfahren auf ihre raumerhebliche Wirkung hin zu prüfen. Auch hier erkennt man die Analogie zu den Anfangsjahren des Windkraftbooms, in denen es in Sachsen-Anhalt eine entsprechende Vorschrift auf der Landesebene gab. Alle Argumente, die dagegen vorgebracht wurden, sind nicht stichhaltig.

Die geplanten Anlagen sind mittlerweile so groß, dass sie von den üblichen Abstandsdiagrammen, mit dem der notwendige Abstand zur nächsten Wohnbebauung bestimmt wird, nicht mehr erfasst werden. Diese Diagramme enden bei ungefähr 6 700 Mastplätzen. Wie eine Behörde auf dieser Grundlage eine Anlage mit 100 000 Mastschweinen beurteilen kann, bleibt ein Rätsel.

Die Raumverträglichkeitsprüfung ist auch deshalb notwendig, weil dadurch Ansiedlungsvorhaben anderer Art unmöglich gemacht werden oder bereits in der Nachbarschaft vorhandene Unternehmen gefährdet sein können. Mir liegen entsprechende Schreiben von Firmen vor.

Dringend erforderlich ist die Bestimmung von Schwellenwerten für die obligate Durchführung eines Raumordnungsverfahrens und der entsprechenden Beurteilungskriterien. Sollten sich die Landesregierung bzw. ihre Fachbehörden nicht imstande sehen, diese Aufgabe selbst zu lösen, müssten die notwendigen Grundlagen durch ein geeignetes Institut oder durch Ingenieurbüros erarbeitet werden. Bis dahin könnten - das betrifft den zweiten Aspekt unseres Antrages - die Grenzwerte für die Umweltverträglichkeitsprüfung aus der Vierten Bundes-Immissionsschutzverordnung auch als Grenzen für die Durchführung eines Raumordnungsverfahrens oder einer raumordnerischen Beurteilung herangezogen werden.

Eine originäre Aufgabe besteht auch darin, die Ziele der Raumordnung im Landesentwicklungsplan so zu bestimmen, dass sie später in entsprechenden Raumordnungsverfahren als Bewertungsmaßstäbe fungieren können.