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Dr. Uwe-Volkmar Köck zu TOP 10: Obergrenzen für Tierbestandskonzentrationen

Wer hätte das gedacht. Im Mai erst eingebracht, liegt die Beschlussempfehlung zum Antrag über die Obergrenzen für Tierbestandskonzentrationen trotz Sommerpause im September bereits im Plenum wieder auf dem Tisch; in zwar völlig anderem Wortlaut, aber den Intentionen des Ursprungsantrages in ausreichendem Maße folgend. So wird die Beschlussempfehlung von den Mitgliedern meiner Fraktion zumindest keine Ablehnung erfahren. Ich selbst werde zustimmen.

Diese Zustimmung ist jedoch mit einem erheblichen Vertrauensvorschuss verbunden. Wie notwendig solche Kriterien für die Rechts- und Planungssicherheit haben, zeigt sich an den Klagen bis hin zur Obersten Instanz, die jedes größere Vorhaben dieser Art regelmäßig nach sich zieht. Und dass, obwohl nach Meinung der Bundes- und der Landesregierungen de jure alles paletti sei.

Aber es gibt entsprechende Löcher im juristischen Netzwerk auf Bundesebene, die einige Länder veranlasst haben - so z.B. Sachsen – Landesregelungen zu schaffen. Dies betrifft die Beurteilung von Stallanlagen für Rinder, für die die TA Luft keine Abstandskurve zur Wohnbebauung enthält. Allein diese Lücke in Verbindung mit der Tatsache, dass die Abstandskurven bei Stallgrößen enden, die heute kein Schweinemäster, weder ein niederländischer, noch ein einheimischer mehr beantragt, wäre eine Landesinitiative in Richtung Bundesebene wert. Aber Schwamm drüber.

Die Raumordner beklagen allenthalben die geringe Wirksamkeit der Raumordnung und ihrer Instrumente im Vollzug, begnügen sich dann aber mit einer Nebenrolle bei der Beurteilung von Anlagen, die von Ihren Verflechtungsbeziehungen her einer Kleinstadt entsprechen. Um es etwas deutlicher zu machen. Eine 100.000 er Schweinemastanlage entspricht abwasserseitig einer Bevölkerung von etwa 33.000 EW! Also etwa die Stadt Bernburg, aber auf einem sechstel deren Fläche. Über die Gründung einer Stadt dieser Größe auf der grünen Wiese würde mit Sicherheit nach raumordnerischen Kriterien entschieden, und nicht danach, welchen Lärm die Einwohner verursachen.

Je größer die Tierkonzentration, desto gewichtiger werden die raumordnerischen Aspekte bei der Beurteilung der Genehmigungsfähigkeit gegenüber den anlagenfixierten Verfahren nach BImSchG. Eigentlich müsste die Genehmigung von einer volkswirtschaftlichen Grenzkostenrechnung abhängig gemacht werden. Dem Unternehmer kann seine rein betriebswirtschaftliche Denkweise nicht vorgehalten werden. Politiker und staatliche Stellen aber müssen eine gesamtgesellschaftliche Sicht bewahren

Da empfiehlt es sich, den in Bürgerinitiativen engagierten Leuten unvorgenommen richtig auf´s Maul zu schauen. Da bekommt man eine komplette landesplanerische Beurteilung gratis, denn da wird das Vorhaben hinsichtlich seiner ökologischen, sozialen und auch volkswirtschaftlichen Folgewirkungen einer komplexen nicht unqualifizierten  gesellschaftlichen Bewertung unterzogen.

Im Mai zeigte sich Frau Minister Wernicke erstaunt, dass dieses Thema von den Raumordnern okkupiert worden sei. Die Agrarpolitiker sollten in den Ausschussberatungen den Raumordnern ordentlich in die Parade fallen. Das Zerwürfnis blieb dank des von der Koalition vorgelegten  Änderungsantrages aus. Aber ebenso ein fundierter Diskussionsbeitrag seitens des Agrarressors.
Grund zur Wortmeldung hätte Frau Wernicke allemal gehabt. Hatte doch zwei Wochen vor der Sitzung des Agrarausschusses eine „Handlungsempfehlung zur Beurteilung von Geruchsimmissionen bei Rinderanlagen für Sachsen-Anhalt“ das Licht der Öffentlichkeit erblickt. Diese versteht sich expressis verbis als Vollzugsempfehlung für die Beurteilung für Rinderanlagen in Sachsen-Anhalt. Für eine Anlage mit 2.350 Milchkühen wird zukünftig in Sachsen-Anhalt ein Mindestabstand zur Wohnbebauung von 430 m einzuhalten sein.

Die avisierten Kriterien für die landesplanerische Bewertung von Großstallanlagen sind also das Mindeste, was von der Landesregierung zu erwarten ist. Meiner Meinung nach befinden wir uns erst am Anfang eines gesellschaftlichen Diskurses, in dessen Verlaufe sich – unabhängig von den Umweltaspekten, aber nicht unbeeinflusst von diesen - die Akzeptanzgrenzen herausschälen werden. Die Politik sollte diesen Meinungsbildungsprozess fördern und nicht erschweren. Noch kann die Politik in Deutschland und in Sachsen-Anhalt über Obergrenzen von Tierkonzentrationen philosophieren. Wir können die notwendige Klärung natürlich auch vor uns herschieben bis uns ökologische Gründe zu solchen Reglementierungen wie in den Niederlanden zwingen. So weit sollten wir es aber nicht kommen lassen.