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Dr. Helga Paschke zu TOP 03: Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Fortentwicklung des Kommunalverfassungsrechts

„Starke Kommunen, starkes Land“ diese unumstößliche Wahrheit verkünden in dieser oder ähnlicher Weise die politischen Parteien am Vorabend der Kommunalwahlen am 7. Juni in Sachsen-Anhalt auf ihren Plakaten. Und im Unterschied zu manch anderen Wahlslogan, wird diese Aussage auch von niemandem bezweifelt. Und so stellt sich bei diesem Gesetzentwurf und bei vielen anderen getroffenen Entscheidungen in der letzten Zeit die Frage, ob die landespolitischen Entscheidungen diesem (ihrem) Wahlslogan Rechnung tragen. Ob diese Entscheidungen dazu beitragen, die Kommunen, die kommunale Selbstverwaltung tatsächlich zu stärken. Und da sagen wir, dazu trägt dieses Gesetz nicht bei.

Da es hier um das Kommunalverfassungsrecht geht, ist es an dieser Stelle auch angebracht, einmal grundsätzlich nach der Kommunalfreundlichkeit dieses Landes zu fragen. Bei einem kommunalpolitischen TÜV würden wir durchfallen, denn das Land hat bei ganz entscheidenden Stellschrauben bei der Abwägung von Landes und kommunalen Interessen den Hebel eben nicht in Richtung Kommunen umgelegt. Und so reiht sich dieser Gesetzentwurf in jene Vorgaben der Landesseite ein, die man betiteln könnte: Wir, die Landesebene, können ohnehin alles, aber auch alles besser.

Da können wir zum einen als Land per se die Aufgaben besser wahrnehmen - diese Erkenntnis hat die Landesregierung nach jahrelanger Diskussion und einem vom Ministerpräsidenten persönlich ausgerufenen „Jahr 2008 als Jahr der Funktionalreform“ in dem Funktionalreformgesetzentwurf so offensichtlich manifestiert, dass die Anhörung am kommenden Montag eher zum peinlichen Auftritt wird.

Dann können wir natürlich viel besser mit dem Geld umgehen, deshalb haben wir die schlechtesten Konditionen aller Länder für die Kommunen im Rahmen des Konjunkturpaketes II festgeschrieben.

Und dann stellt man sich erstaunt die Frage, ob Gebietsreform, Landesentwicklungsplanung und Finanzausgleichsgesetz so wenig miteinander zu tun haben, wie es die beiden verantwortlichen Ministerien in ihrer Arbeitsweise praktizieren.

Man könnte die Reihe sehr leicht fortsetzen - unter dem Strich kommt ein Agieren der Landesebene gegenüber den Kommunen heraus, bei dem ein ganzer Teil politischer Arroganz und Misstrauen gegenüber der kommunalen Ebene offenbar wird. Und das setzt sich in dem vorliegenden Gesetzentwurf leider fort. Dazu habe ich folgende Anmerkungen zu machen:

1. Das Parlament hat zwar im Verlaufe der Beratung dem Gesetzentwurf die Spitze des Eisberges in punkto Misstrauen und  Hineindirigieren genommen. Die bestand zweifelsfrei in den von der Landesregierung geplanten Änderungen im Bereich Haushaltswesen. (Stichworte Haushaltskonsolidierung, Kassenkredite, Kreisumlage) Die entsprechenden Paragrafen  hatten wir bereits in unserem Änderungsantrag im Rahmen der Einbringung beantragt zu ändern oder zu streichen.

So betonte der Landkreistag in seiner Stellungnahme zurecht, dass der Eindruck erweckt wird, als würden die Landkreise (und gleiches gilt in ähnlicher Weise auch immer für den gemeindlichen Bereich

  • sich einer Haushaltskonsolidierung verschließen,
  • sich ohne Berücksichtigung der gemeindlichen Haushaltssituation schamlos über die Kreisumlage bedienen und
  • zweckwidrig und immer häufiger nach Kassenkrediten greifen.

Ohne die Ursachen deutlich zu benennen, die zum überwiegenden Teil durch Bund und Land hervorgerufen werden, sollte die Antwort der Landesregierung eine Verschärfung der Rechtsaufsicht sein. Welchen katastrophalen Eindruck das auf der kommunalen Ebene erzeugt hat, dass kann man in den Stellungnahmen nachlesen. Ich persönlich habe eine solche Frustration der kommunalen Vertreter bei der Anhörung in all den Jahren noch nicht erlebt.

2. Dem Gesetzentwurf mangelt es an einem weiteren entscheidenden Punkt, den das Parlament nur punktuell  korrigiert hat. Der Gesetzentwurf strahlt die Denkweise auf der Grundlage der alten Strukturen aus, die sich jedoch bereits geändert haben und sich im gemeindlichen Bereich noch einschneidend ändern werden. Es ist in keiner Weise gelungen, hier dementsprechend Anreize zu setzen und die erhöhte Leistungsfähigkeit auch im Kommunalrecht inhaltlich zu reflektieren. Hier werden wir alle noch unsere Hausaufgaben machen müssen.

3. Das Kommunalverfassungsrecht steckt in weiten Teilen auch den Spielraum direkter Demokratie und Teilhabe ab. Wie wichtig das für die Gestaltung des Gemeinwesens ist, wissen alle, besonders in der gegenwärtigen Situation. Welches Angebot hierfür wird in dem vorliegenden Entwurf unterbreitet? Absolute Fehlmeldung!  Warum die Ablehnung unseres Vorschlages zur Wiederaufnahme der Bürgerinitiativen in Gemeinde- und Landkreisordnung zum Vorprüfungserfordernis vor Beginn eines Bürgerbegehrens, zur weitergehenden Unterrichtung der Bürgerinnen und Bürger? Was ist das für eine Regelung, wonach sich grundsätzlich die Einwohnerfragestunde nicht auf Themen der Tagesordnung beziehen kann? Wie frustrierend für die Fragenden, welche Unmündigkeitserklärung für die KommunalpolitikerInnen. Nach wie vor halten wir auch strikt an der Einschätzung fest, dass die Anhebung der erforderlichen Fraktionsstärke ein falsches Signal ist.

4. Mit diesem Gesetz wird es ferner nicht gelingen, die durch die gemeindliche Strukturreform objektiv entstehenden Demokratiedefizite auf geeignete Weise abzupuffern. Hier haben wir zum Ortschaftsverfassungsrecht und zur Arbeitsweise der Verbandsgemeinde  Vorschläge unterbreitet, die alle samt abgelehnt wurden. Nach gründlicher Diskussion haben wir uns entschieden, die einzelnen Vorschläge nicht erneut als Änderungsanträge einzubringen, denn im Grundsatz haben wir die wichtigsten in der Drs. 5/1596 bereits ins Plenum eingebracht, nach der Anhörung punktuell einer Korrektur unterzogen, jedoch ohne Erfolg, dem Ausschuss zur Beschlussfassung  vorgelegt.

5. Eine ganze Reihe von Vorschlägen der Spitzenverbände sind in dem vorliegenden Entwurf noch nicht aufgegriffen. Wir werden in den kommenden Jahren aber tatsächlich beispielsweise darüber nachdenken müssen, ob die Einteilung von örtlicher und überörtlicher Prüfung noch zeitgerecht ist, ob die Wahlbereiche dauerhaft und nicht nur in der Übergangsphase im Rahmen der Strukturreform gestaltet werden können. Auf der Agenda bleibt das kommunale Wirtschaftsrecht. Auch hier werden notwendige Veränderungen kommen, die wir in diesem Gesetz noch nicht durchsetzen konnten.

Fazit: Das Zweite Gesetz zur Fortentwicklung der kommunalen Selbstverwaltung entwickelt nicht fort, es passt lediglich an  bestimmte Gegebenheiten an, was in einigen Fragen von uns durchaus mitgetragen wird. Auf Dauer wird das Parlament sich einer Fortentwicklung, abgestimmt auf die neuen Strukturen, die auch inhaltlich ausgestaltet werden müssen, nicht verschließen können, denn: „Starke Kommunen – starkes Land“ gilt nicht nur zum Wahltag, sondern vor allem im Alltag. Wir werden den Gesetzentwurf ablehnen.