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Dr. Frank Thiel zu TOP 23: Auswirkungen der Bundeswehrstrukturreform auf Sachsen-Anhalt

In der Begründung des Antrages ist zu lesen, dass im Zuge der Bundeswehrstrukturreform mit einem Abbau der Truppenstärke und
Schließung von Bundeswehrstandorten zu rechnen ist. Mit drei Garnisonsstädten sei Sachsen-Anhalt das Bundesland, welches die geringste Anzahl an derartigen Bundeswehrstandorten aufweist. Nun will man die Bundeswehr auffordern, wegen der selbst propagierten Flächenpräsens keine Standortschließungen vorzunehmen und alle zu erhalten.

Ich erinnere mich noch gut an die Aktuelle Debatte der FDP im November 2004 „Auswirkungen der Bundeswehr-Standortentscheidungen durch den Bundesminister der Verteidigung auf das Land Sachsen-Anhalt“: Erhebliche Verkleinerungen von Bundeswehrstandorten oder gar deren Schließung, wie sie am 2. November 2004 vom Bundesminister der Verteidigung entschieden worden sind, wirken sich ohne entsprechende Konversionsmaßnahmen negativ auf die betroffenen Regionen aus.

Auf diesen Kurs hat sich auch die Bundeswehr begeben. Kern der so genannten Transformation ist die Schaffung von drei Kräftekategorien: Eingreifkräfte, Stabilisierungskräfte und Unterstützungskräfte. Vorrangiges Ziel sind dabei multinationale Einsätze zur Konfliktverhütung und Krisenbewältigung. Was diesem Ziel nicht dient, war laut Konzeption der Bundeswehr nachrangig.

In der jetzigen Etappe geht es nun um die weitere Reduzierung des Personals, auch im Rahmen der Abschaffung der Wehrpflicht. Das ist durchaus ein begrüßenswerter Schritt, aber er erfolgt vorrangig aus finanziellen Gründen. Unsere Position zur jetzigen Strategie der Bundeswehr hat sich nicht geändert. Das Dogma der Ausrichtung auf weltweite NATO- und EU-Militäreinsätze muss hinterfragt werden.

Sicherheit ist heute weder militärisch noch unilateral zu haben, Frieden ist einfach mehr als die Abwesenheit von Krieg.

Aufgrund von Strukturreformen innerhalb der Bundeswehr werden Standorte
aufgegeben, die oft intakt und modernisiert sind. Die Bundeswehr ist in den betroffenen strukturschwachen Regionen ein maßgeblicher Verbraucher, auf dessen Bedarf sich Wirtschaft und Handel eingestellt haben. Ich glaube, hierin sind wir alle einer Meinung. Aber die hinter uns liegende und die bevorstehende Bundeswehrreform sind doch beredte Beispiele dafür, dass wir dauerhaft nicht auf diesen Nachfrager als Wirtschaftskraft von immer gleichwertiger Größe bauen können.
Abbau von Personal und dessen Konsequenzen haben wir immer wieder in der Entwicklung des öffentlichen Dienstes in Sachsen-Anhalt erlebt, Enquetekommissionen beschäftigen sich damit, Personalentwicklungskonzepte werden verabschiedet, Behörden und Ämter zusammengelegt.

Warum soll das bei Bundesbehörden oder Bundeswehr anders sein?

Und natürlich gehört mit zur Wahrheit, dass beträchtliche Investitionsmittel gerade im militärischen Bereich keine Nachhaltigkeit innehaben, völlig unabhängig von den Auslandseinsätzen in Afghanistan oder anderswo. Bewaffnete Konfliktlösungen sind nie und nimmer nachhaltig.

Aber ich will an dieser Stelle nicht den Antragsinhalt erweitern, obwohl dieser Kontext nie vergessen werden sollten.

Die Bundeswehr hat immer wieder unter Beweis gestellt, dass sie Infrastrukturen schafft, deren anderweitige Nutzung kaum vorstellbar ist.

Nehmen wir als Beispiel die Debatte zum Standort Hohenmölsen im Burgenlandkreis 2004: Berechnungen zufolge geht durch den Wegfall der Kaufkraft ein Arbeitsplatz pro sieben Soldaten verloren. Bei einem Standort wie Hohenmölsen mit etwa 770 Dienstposten sind das 110 Arbeitsplätze im örtlichen Einzelhandel, im Handwerk, in kleinen und mittelständischen Unternehmen. Das steckt eine solche Gemeinde nicht ohne weiteres weg. Darin waren wir uns in diesem Hohen Hause auch einig. Das Ergebnis zwei Jahre später war: Verkauf eines mit 50 Mill. Euro Aufwand hergestellten Geländes für etwa 700.000 Euro.
Soviel ist ein militärischer Standort im zivilen Leben wirklich wert: 1,4 % seiner Investitionen, in der Wirtschaft undenkbar.

Auf dem Gelände hat sich ein Landmaschinenbauer angesiedelt, eigentlich ein gutes  Beispiel für Konversion. Eine einzigartige Sporthalle steht jahrelang leer, weder Kommune noch Sport können die Betriebskosten übernehmen. Die Unterbringungs- und Lehrräume sind nicht nutzbar, es bleibt wohl nur der Abriss – wenn möglich noch mit Fördermitteln.

Staatsminister Robra sagte 2004: „Umso wichtiger ist es deshalb, dass der Bund seine Verantwortung für eine sozial und ökonomisch vertretbare Konversion wahrnimmt. Viele Standortgemeinden haben ihre kommunalen Planungen und Entwicklungen im Interesse der Bundesregierung betrieben, Infrastruktureinrichtungen geschaffen und insgesamt ihre Wirtschaftsund Sozialstruktur stark auf die Bundeswehr ausgerichtet.
Damit steht der Bund in den anstehenden Konversionsprozessen in der Pflicht und in der Verantwortung, durch eine effiziente und finanziell ausreichend ausgestattete
Strukturpolitik die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass Kompensationen möglich sind, dass die Chancen für ein Mehr an Beschäftigung und Wachstum
und für eine sinnvolle Nachnutzung der Liegenschaften bestehen.“ Jetzt sollte man ihn beim Wort nehmen.

Unsere Fraktion hat in diesem Landtag und darüber hinaus immer wieder gefordert, die Colbitz-Letzlinger Heide vollständig einer zivilen Nutzung zuzuführen. Auch aus diesem Grund kann die Fraktion DIE LINKE diesem undifferenzierten Antrag der Koalitionsfraktionen keine Zustimmung erteilen. Die Entscheidungen über die Zukunft von Standorten werden im Bund gefällt, die Auswirkungen müssen leider die Länder und Kommunen tragen. Da nützen Appelle wenig, den betroffenen Kommunen sollten besser geeignete Konversionsmittel zur Verfügung gestellt werden.