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Dr. Frank Thiel zu TOP 11: Vergaberecht in Sachsen-Anhalt modifizieren

Wir haben gestern und heute bereits über die Rolle der öffentlichen Hand als Auftraggeber gesprochen, was besonders die Umsetzung des möglicherweise anstehenden Konjunkturprogramms betrifft. Deswegen hielten wir es für angebracht, diese Landtagssitzung zu nutzen, um noch einmal über die Regelungen zur Vergabe öffentlicher Aufträge zu sprechen.

Die Forderungen in unserem Antrag kann man in vier Punkte fassen:

Erstens. Es sind die Voraussetzungen dafür zu schaffen, ein kommendes Konjunkturprogramm möglichst rasch im Land umzusetzen.

Zweitens. Es geht um die Modifizierung der Vergaberichtlinien, insbesondere was die Regelung zu Losgrößen betrifft, was soziale, umweltbezogene und innovative Forderungen gegenüber dem Auftragnehmer betrifft, es geht um Fragen der Erhöhung der Obergrenzen für die freihändige Vergabe bzw. für Ausschreibungen mit beschränktem Teilnehmerwettbewerb.

Drittens. Es geht um die Berichterstattung der Regierung im Finanzausschuss und im Wirtschaftsausschuss zu der zu erwartenden Stellungnahme im Bundesrat zu dem Gesetz, auf das ich gleich zu sprechen komme.

Viertens. Es geht um die Vorlage eines Gesetzes zur Modernisierung des Vergaberechts analog dem, was der Bund getan hat.

Nun könnte man meinen, mit der jüngsten Presseerklärung des Ministers zu diesem Thema wäre alles gesagt. Das wäre einerseits gut, denn dann könnte man sagen, die Anträge der Opposition würden an der Stelle sofort in Regierungshandeln umgesetzt. Aber das ist einfach zu wenig. Das, was Minister Haseloff zu diesem Thema bisher gesagt hat, war uns zu wenig. Deswegen möchte ich noch einmal auf eine Reihe von Punkten zurückgreifen und sie in Erinnerung rufen.

Der Bundestag hat am 19. Dezember den Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Vergaberechts auf den Weg gebracht. Dieses Gesetz ist im Bundesrat zustimmungspflichtig. Festgestellt wurde, dass die Vergabe öffentlicher Aufträge eine wichtige Bedeutung in unserem Land hat, dass 30 000 Vergabestellen jährlich etwa 360 Milliarden € an öffentlichen Aufträgen vergeben.

Seit mehr als zwei Jahren wird über dieses Thema im Bundestag und im Bundesrat diskutiert. Jetzt ist eine Entscheidung gefallen. Im Zeitplan ist vorgesehen, dass wohl gegenwärtig noch interne Beratungen stattfinden. Am 13. Februar 2009 soll das Gesetz auch im Bundesrat abgesegnet werden.

Zu den einzelnen Aspekten, die wir gern noch einmal mit Ihnen gemeinsam diskutieren  wollten:

Erstens: Die Vereinfachung der Ausschreibungsbedingungen. Dazu brauche ich nichts mehr zu sagen, denn in der Pressemitteilung des Ministers vom 20. Januar 2009 stehen die Dinge alle erläutert drin, die die Grenzen betreffen. Es sind nach unserer Auffassung beträchtliche Veränderungen, die hier vorgenommen worden sind. Da bedarf es schon einer parlamentarischen Diskussion darüber, wie man mit diesen neuen Möglichkeiten umgeht. Denn wenn man die Grenze für die freihändige Vergabe von 15 000 auf 100 000 € erhöht, oder für Dienstleistungen von 50 000 auf 100 000 €, dann ist das schon beachtlich. Die Regeln sind das eine und die Umsetzung ist das andere.

Diese Vorgaben lassen durchaus das Gefühl erwachsen, dass Vergaben erfolgen könnten, die intransparent sein bzw. ohne die zuständigen Gemeinderäte abgesegnet werden könnten. Dem gilt es nach unserer Auffassung vorzubeugen, weil das, was als öffentlicher Auftrag zu vergeben ist, immer noch der Beschlussfassung in den Gemeinde- und Stadträten sowie in den Kreistagen bedarf.

Ich erinnere an die Diskussion im Jahr 2005, als es einen Antrag von CDU und FDP gab mit dem Thema „Mehr Spielräume für Sachsen-Anhalts Kommunen bei der Auftragsvergabe - mehr Chancen für den einheimischen Mittelstand“. Damals hatten wir bereits über diese Fragen diskutiert, ob unter Umständen eine solche freihändige Vergabe dazu führt, dass gewisse Haus- und Hoflieferanten entstehen, wie solche Vergaben künftig dokumentiert und kontrolliert werden, wie Anbieter auch einmal gewechselt werden und ob wir uns eventuell mit neuen Regeln zur Bekämpfung der Korruption beschäftigen müssen.
Diese Diskussion ist auch heute wieder. Wenn die Festlegung der Vergabe öffentlicher Aufträge in den Händen der Räte liegt, muss auch dafür Sorge getragen werden, dass die Vergabepraxis, die breite Auftragsverteilung an möglichst viele Unternehmen in der Region, den zuständigen Räten auch bekannt gegeben wird. 

Eine freihändige Vergabe bzw. ein beschränkter Teilnahmewettbewerb setzt ja nicht automatisch Prüfkriterien wie das wirtschaftlichste Angebot, die Leistungsfähigkeit des zu beauftragenden Unternehmens, die Folgekostenrentabilität und Ähnliches außer Kraft. Gerade deshalb sprechen wir uns dafür aus, dass mit den größeren Freiheiten in der Vergabe öffentlicher Aufträge die Transparenz in der Vergabepraxis gegenüber den Räten und den Bürgern erhöht wird.

Zweitens: Zum Thema der Losaufteilung. Im Bundesgesetz ist eine sehr weit reichende Formulierung getroffen worden, was die Forderung nach der Losaufteilung betrifft: „Mittelständische Interessen sind bei der Vergabe öffentlicher Aufträge vornehmlich zu berücksichtigen. Leistungen sind in der Menge aufgeteilt und getrennt nach Art oder Fachgebieten zu vergeben.“

Im Vergabehandbuch Sachsen-Anhalt steht geschrieben: Soweit es die technischen und die wirtschaftlichen Interessen zulassen, sind sie schon bei der Ausschreibung so in Teile zu zerlegen, dass kleine und mittlere Unternehmen in einem angemessenen Umfang beteiligt werden.
Nach unserer Auffassung wird mit der Bundesgesetzregelung die Mittelstandsklausel verstärkt. 

Die Frage lautet: Wie wird die Landesregierung vorgehen, um das, was im Bundesgesetz beschlossen worden ist, auch in der Landesregelung umzusetzen? Oder hat sie dazu eine andere Auffassung?

Hier sehen wir vor allem die Chance, dass viele der regional tätigen kleinen Bau-, Handwerks- und Dienstleistungsbetriebe eine echte Chance haben, verstärkt an der Ausführung öffentlicher Aufträge beteiligt zu sein. Sie wissen vielleicht aus den einschlägigen Pressemeldungen, dass die Handwerksbetriebe vor allem hierzu die Zustimmung der Landesregierung im Bundesrat einfordern.

Wir sind der Auffassung, dass das, was im Bundesgesetz geregelt ist, viel mittelstandsfreundlicher ist als unsere eigenen Landesvorgaben.

Drittes Thema: Soziale, innovative und umweltbezogene Standards. Die neuen Vergaberichtlinien der Europäischen Union sehen in Artikel 38 bzw. 26 explizit vor, dass öffentliche Auftraggeber zusätzliche Bedingungen für die Ausführung eines Auftrages vorschreiben können. Dort heißt es unter anderem: „Die Bedingungen für die Ausführung eines Auftrages können insbesondere soziale und umweltbezogene Aspekte betreffen.“

Das heißt, die öffentliche Hand kann nach EU-Recht mit gutem Beispiel vorangehen, wenn es darum geht, entsprechende Standards in der Auftragsvergabe zu setzen.

Die Bundesregierung hat es leider auch mit diesem Gesetzentwurf versäumt, dies in verbindliches nationales Recht umzusetzen und über die Kann-Formulierung hierzu entsprechende Vorschläge zu unterbreiten.

Zur Fachkunde, der Leistungsfähigkeit und der generellen Zuverlässigkeit eines Unternehmens können inhaltlich darüber hinausgehende Anforderung nach dem geltenden § 97 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen an Unternehmen nur gestellt werden, wenn dies durch Bundes- oder Landesgesetz ausdrücklich geregelt ist. Das ist die Lücke, die wir momentan in der aktuellen Bundesgesetzgebung sehen. Denn es wird den Vergabestellen überlassen sein, ob sie den Anbietern Vorgaben hinsichtlich der Qualifizierung des Personals oder einer angemessenen Mindestbezahlung machen.

Deswegen stellen wir erneut die Frage: Wie sieht dann unsere künftige gesetzliche Regelung dazu aus?

Sie wissen, dass wir im Landtag im vergangenen Jahr über das Thema Rüffert-Urteil, Mindestlohn und Vergabegesetz, ausführlich diskutiert haben. Ich weiß, dass das bekannte Themen sind, die dem einen oder anderen aus der Koalition das Blut etwas schneller in Wallung geraten lassen, vor allem dann, wenn es um die Durchsetzbarkeit von Forderungen geht, die hierzu im Landtag existieren.

Die Durchsetzbarkeit der Forderungen wird vom ständigen Wiederholen im Landtag nicht besser. Gleichwohl werden wir als DIE LINKE diese Dinge immer wieder auf die Tagesordnung nehmen, wenn wir der Meinung sind, dass es gilt, verlorene Zeit wieder aufzuholen.

Ein dritter Punkt, den ich im Hinblick auf unseren Forderungskatalog ansprechen möchte, betrifft die Berichterstattung in den Ausschüssen. Ich hatte bereits eingangs gesagt, dass das Verfahren im Bundesrat am 13. Februar 2009 seinen Abschluss findet. Der Bundesrat hat im Juli vergangenen Jahres eine Stellungnahme dazu abgegeben. Es ist interessant, wie unsere Landesregierung zu diesen Forderungen des Bundesrates steht, die im Juli verabschiedet worden sind.

Es gab im Wirtschaftsausschuss des Bundestages im Vorfeld der Befassung mit diesem Gesetz im Dezember 2008 eine entsprechende Änderung. Es sind maßgebliche Forderungen, die der Bundesrat aufgestellt hat, nicht in das Gesetz übernommen worden, zum Beispiel die Forderung im Hinblick auf die Rechtssicherheit bei der interkommunalen Zusammenarbeit, die so genannten Inhouse-Vergaben. Diesbezüglich hat der Bundesrat klar gefordert, dass der Bundestag eine gesetzliche Regelung verabschiedet. Dies ist aus dem Gesetzentwurf herausgenommen worden.

Des Weiteren ging es um das Register für schwere Verfehlungen von Bietern. Dies ist damals unter der Überschrift „Korruptionsregister“ diskutiert worden. Für eine Schaffung dieses Registers gab es viel Zustimmung im Land. Jetzt ist gesagt worden: Das können wir momentan nicht tun, aber nach dem Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens werden wir prüfen, ob ein solches Register anzuschaffen ist. Der Bundesrat hat sich dafür ausgesprochen. Der Bundestag hat es abgelehnt.

Außerdem stellte sich die Frage, wie es mit der länderübergreifenden Zusammenarbeit und der Abstimmung aussieht. Wie reagieren unsere Nachbarländer auf das, was wir an neuen Vergaberegelungen treffen wollen?

Als viertes Thema möchte ich die eigenständigen gesetzlichen Grundlagen ansprechen. Egal ob Bundestag oder Bundesrat ‑ die Gesetzgebung ist in dieser Frage eindeutig: All das, was im Hinblick auf das Vergabegesetz noch zu regeln ist, soll in entsprechenden Landesgesetzen festgeschrieben werden. Nun wissen wir alle, dass es hier ein solches Vergabegesetz nicht gibt. Alle Bemühungen in den letzten Jahren, diesbezüglich weiter voranzukommen, sind mehr oder weniger gescheitert.

Allerdings stellt sich eine Frage: Wann kommen wir davon weg, dass man nur von Erlassen oder regierungsinternen Verwaltungsvereinbarungen spricht, wenn es um wesentliche Dinge geht, die wir eigentlich im Landesrecht regeln müssten? Dazu gehören nach unserer Auffassung nach wie vor das Vergabegesetz und die Vergabeordnung. Das muss gesetzlich geregelt werden, denn wir sind der Auffassung, dass sowohl die Rolle des Parlaments als auch die Rechtssicherheit beim Auftraggeber und beim Auftragnehmer gestärkt werden sollten. Darüber sollte unsere jetzige Regierung sehr intensiv nachdenken.

Wir haben eine ganze Reihe von Beispielen, die man anführen kann. Ich denke diesbezüglich an das leidige Thema Landesentwicklungsplan. Ich denke dabei an das, was wir gerade gestern zum Thema Laufbahnverordnung der Polizei und zum Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Landesbeamtenrechts diskutiert haben. Das alles sind Dinge im Wechselspiel zwischen Parlament und Regierung, die eigentlich nicht sein sollten. Hier sollte es zu einer klaren Regelung kommen.

Wir sind durchaus bereit zu sagen: Bürokratieabbau ist notwendig. Gleichwohl sagen wir zu den Damen und Herren Ministern: „Stopp!“, wenn wesentliche Entscheidungen nur über Verordnungen geregelt werden.

Die Position der LINKEN zu dem Thema Vergaberecht ist nichts Neues.

Es kam uns als LINKE immer darauf an, tatsächlich faire Wettbewerbsbedingungen am Markt zu schaffen. Das war immer der Ansatz für unsere Überlegungen. Derjenige, der untertariflich oder Niedriglöhne zahlt, sollte eben keine Wettbewerbsvorteile in der öffentlichen Vergabe haben. Daran führt ‑ das ist unsere Position ‑ kein Weg vorbei. Das Fehlen einer Tariftreuerklärung führt nach unserer Auffassung dazu, dass nicht tarifgebundene Unternehmen strukturell bevorteilt werden und der Staat selbst zur Erosion des Tarifvertragssystems beiträgt.