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Dr. Frank Thiel zu TOP 08: Stärkung der Tourismuswirtschaft Sachsen-Anhalts durch reduzierten Mehrwertsteuersatz

Es ist zu begrüßen, dass im Landtag auch Themen aufgerufen werden, die vor der Wahl wichtig waren und nach der Wahl weiter behandelt werden sollen. Ich möchte an die Debatte erinnern, die wir im Landtag schon im Juni 2009 zu einem Antrag der FDP geführt haben. Es ging darum, den in den Bundesrat eingebrachten Antrag Bayerns zu unterstützen.
DIE LINKE hat sich dazu klar bekannt. Sie hat gesagt: Wir sind für den reduzierten Mehrwertsteuersatz im Hotellerie- und im Gaststättenwesen. Wir haben damals gesagt, dass wir uns aber auch dafür einsetzen, dass diese Mehrwertsteuersenkung genutzt wird sowohl für Investitionen als auch für die Erhöhung der Einkommen der Beschäftigten. Wir haben uns dafür ausgesprochen, auch einen ermäßigten Mehrwertsteuersatz für arbeitsintensive Dienstleistungen in der Handwerksbranche sowie im Bereich der Kinderbekleidung und der rezeptpflichtigen Arzneimittel einzuführen und das als Paket zu sehen.
Wir haben auch rechtzeitig gesagt, woher wir das Geld dafür nehmen wollen: aus der Einführung einer entsprechenden Vermögensteuer in Deutschland mit 16 Milliarden Euro. Das haben Sie abgelehnt.

Von der Mehrwertsteuerermäßigung profitiert nur ein Teil der Tourismuswirtschaft in Sachsen-Anhalt. Tourismuswirtschaft ist mehr als Hotels und Pensionen.
Was sind unsere Anforderung an den Tourismus? Wir reden von der Teilhabe aller touristischen Angebote, von einem barrierefreien Tourismus, von einem ökologisch vertretbaren Tourismus usw.
Wir erhoffen uns natürlich, dass die Unternehmen in diese Bereiche entsprechend investieren.  
Der Gegenstand der Analyse soll laut Antrag sein, die direkten Effekte, etwa zusätzliche Investitionen, neu eingestelltes Personal und Preissenkungen, sowie die daraus resultierenden Auswirkungen auf Übernachtungszahlen, Umsätze und Gewinne zu quantifizieren. Leider ist von Lohnerhöhungen für die in diesem Bereich Beschäftigten nicht die Rede. Das möchten wir anmahnen.

In der Begründung zu dem Antrag heißt es, es gehe um die Wiederbelebung der deutschen Wirtschaft. Auch in der tiefsten Krise ist die deutsche Wirtschaft nicht tot, sodass sie wieder belebt werden müsste. Man muss ihr vielleicht neue Impulse geben, aber wieder beleben muss man sie sicherlich nicht.

Die Rede war von der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Tourismuswirtschaft - diesbezüglich sollten wir in Sachsen-Anhalt unser Licht nicht unter den Scheffel stellen. In den letzten Jahren ist im Hotel- und Gaststättenbereich eine ganze Menge passiert. Es sind in vielen Bereichen hervorragende Angebote entstanden. Die Unternehmen in Sachsen-Anhalt und in Deutschland brauchen sich nicht vor denen zu fürchten, die in Frankreich oder in Großbritannien aktiv sind.

Die Frage, wie die Branche reagieren würde, ist interessant. Dafür gab es unterschiedliche Ansätze. Der Präsident des Dehoga-Bundesverbandes Ernst Fischer hat in der „Süddeutschen Zeitung“ am 18. November 2009 schreiben lassen: Jawohl, durch diesen reduzierten Mehrwertsteuersatz erhalten die Unternehmen den dringend benötigten Spielraum für Investitionen, für Preissenkungen sowie bei der Mitarbeiterentlohnung und -qualifizierung.
Acht Wochen später sieht es ein wenig anders aus. Dehoga-Chef Doepelheuer hat gesagt, man wolle vorrangig investieren, Mitarbeiter qualifizieren und nicht die Preise senken.
Wenn im Land momentan von Preissenkungen geredet wird, dann vor allen Dingen von den kleineren Unternehmen. Die haben auch den Mut zu sagen: Wir werden versuchen, einen Teil des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes an die Beschäftigten weiterzugeben.
Wer arbeite, so die FDP, könne auch Steuern zahlen. Sie beklagt, dass die Zahl der Steuerzahler zurückgegangen sei. Das hängt auch damit zusammen, dass der große Bereich der in prekären Beschäftigungsverhältnissen Tätigen zugenommen hat und selbige keine Steuern zahlen müssen. Gerade in der Tourismuswirtschaft ist ein nicht geringer Anteil der Beschäftigten davon betroffen.

Die Position der Gewerkschaft NGG dazu teilen wir. Das Steuergeschenk bringt weder den Hotelgästen noch den Beschäftigten in diesem Bereich einen Vorteil.
Der bestehende Tarifvertrag ist im Land Sachsen-Anhalt bereits zum 31. Dezember 2008 von der Gewerkschaft NGG gekündigt worden. Seitdem befindet man sich in einem tariflosen Zustand. Wir hoffen, dass die Chance genutzt wird, um in Sachsen-Anhalt zu einem vernünftigen Tarifvertrag zu kommen.  

Schauen Sie sich mit Blick auf die europäische Wettbewerbsfähigkeit einmal an, was diesbezüglich momentan passiert. Das Magazin „Wiso“ hat am 11. Januar 2010 Recherchen im grenznahen Bereich, nämlich in Bayern und Baden-Württemberg, angestellt. Nur drei von den 50 getesteten Hotels haben sich für eine Preissenkung ausgesprochen. Darauf müssen wir uns wahrscheinlich in der nächsten Zeit einstellen.

Man kann ja sagen, dass das der Wettbewerb irgendwann einmal richten, dass es zu Preissenkungen kommen werde. Ich glaube nicht, dass es der Wettbewerb richten wird. Es wird vielleicht kurzfristig zu Preissenkungen kommen, aber langfristig werden wird es immer wieder mit Preiserhöhungen zu tun haben. Dann bleibt im privaten Bereich oftmals die Frage des Einkommens, nämlich wer sich wann wie viel Urlaub leisten kann. Das ist der entscheidende Punkt, um die Tourismuswirtschaft zu beleben.

Von den vielen Forderungen nach mehr Gerechtigkeit im Bereich der Umsatzsteuer ist nun eine umgesetzt worden. Dann darf man sich nicht wundern, liebe Kollegen von der FDP, dass dies durch die Spende einer Hotelkette zum Thema wird. Wir sollten die Frage, wie wir mit Parteispenden umgehen, ernst nehmen. Das ist nicht nur eine Frage, die den Bundestag bewegt, sondern auch eine Frage, die uns als Parlamentarier generell bewegen sollte.
Es bleibt dabei, dass sich die FDP durch einige unglückliche Entscheidungen in der Vergangenheit den Unmut der breiten Öffentlichkeit zugezogen hat. Die Mövenpick-Kette ist das eine, die Berufung eines Spitzenfunktionärs der privaten Krankenkassen zum Abteilungsleiter durch Minister Rösler ist das andere.

Unsere Fraktion wollte eigentlich dem Antrag der FDP-Fraktion zustimmen, weil wir es für wichtig halten, dass dieses Thema behandelt wird. Es liegen nun zwei Anträge vor, nämlich einer von der FDP-Fraktion und einer von den Koalitionsfraktionen. Wir können mit beiden nicht leben.
Wenn wir uns dieses Themas annehmen, dann wäre es wichtig, nicht auf trockene Berichte zu vertrauen, sondern eine Anhörung im Wirtschaftsausschuss durchzuführen und dazu den Dehoga, die Gewerkschaft NGG, Hoteliers und Beschäftigte einzuladen, um zu erfahren, was passiert ist.  
Wir haben nicht mehr viel Zeit. Wenn wir warten, bis die Saison durchgelaufen ist, wird das Jahresende vorbei sein. Im Jahr 2011 beginnt der Wahlkampf. Deswegen bitten wir darum, dieses Thema am Ende des Jahres im Wirtschaftsausschuss zu behandeln.