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Dr. Detlef Eckert zu TOP 32: Einsatz von Integrationshelferinnen und -helfern bzw. Schulbegleiterinnen und -begleitern im gemeinsamen Unterricht auf gesicherte Basis stellen

Seit März 2009 gilt in Deutschland die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen. Sie ist wesentlicher Ausgangspunkt für unseren Antrag, vor allem der Artikel 24. Darin heißt es in Absatz 1: „Die Vertragsstaaten anerkennen das Recht von Menschen mit Behinderungen auf Bildung. Um dieses Recht ohne Diskriminierung und auf der Grundlage der Chancengleichheit zu verwirklichen, gewährleisten die Vertragsstaaten ein integratives Bildungssystem auf allen Ebenen und lebenslanges Lernen mit dem Ziel, a) die menschlichen Möglichkeiten sowie das Bewusstsein der Würde und das Selbstwertgefühl des Menschen voll zur Entfaltung zu bringen und die Achtung vor den Menschenrechten, den Grundfreiheiten und der menschlichen Vielfalt zu stärken...“  

Dann geht es weiter mit b und c. In Absatz 2 heißt es: „Bei der Verwirklichung dieses Rechts stellen die Vertragsstaaten sicher, dass ... c) angemessene Vorkehrungen für die Bedürfnisse des Einzelnen getroffen werden, d) Menschen mit Behinderungen innerhalb des allgemeinen Bildungssystems die notwendige Unterstützung geleistet wird, um ihre erfolgreiche Bildung zu erleichtern...“  

Ich habe die Teile dieses Artikels relativ ausführlich zitiert, um den Handlungsauftrag für uns, der sich aus der UN-Konvention ableitet, deutlich zu machen. Auch wenn sowohl die Bundesregierung als teilweise auch unsere Landesregierung der Meinung sind, dass die Situation bei uns schon völlig in Ordnung sei, gehen wir von dem Bestehen diskriminierender Bedingungen aus. Das wird auch durch das Gutachten „Völkerrechtliche Fragen des inklusiven Unterrichts in Deutschland im Zusammenhang mit dem Inkrafttreten des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen“. Darin wird zur Situation in Deutschland festgestellt: „Zunächst stellt eine Sonderung in Förderschulen und das Vorenthalten des inklusiven Unterrichts immer eine Diskriminierung aufgrund einer Behinderung dar.“  
Weiter heißt es: „Weiterhin ist die bereits herausgearbeitete grundlegende Wertentscheidung des Artikels 24 Abs. 1 Satz 2 zu beachten, nach der ein nichtinklusives Schulsystem grundsätzlich eine Diskriminierung im Sinne der Konvention darstellt.“

Klar ist zugleich, dass nach über 100 Jahren Sonderschulsystemen in Deutschland ein rascher Umbau mit erheblichen Risiken verbunden ist. Die Bedingungen für einen gemeinsamen Unterricht, für eine inklusive Schule können nur schrittweise geschaffen werden. Das betrifft die baulichen, die personellen und auch die Einstellungsfragen sowohl bei den Kollegien als auch bei den Eltern und selbstverständlich auch im gesellschaftlichen Umfeld.

Unser Antrag ist in diesen Kontext einzuordnen. Aufgrund der Initiativen von Eltern oder auch von Behindertenorganisationen streben seit mehreren Jahren Kinder mit Behinderungen danach, im Rahmen des gemeinsamen Unterrichts in so genannten Regelschulen zu lernen. Dafür sind nicht nur barrierefreie Räume erforderlich, sondern auch personelle, sehr individuell abgestimmte Hilfen.  
Da kommen Integrationshelfer bzw. Schulbegleiter ins Spiel. Sie unterstützen, sie helfen, sie assistieren bei der Bewältigung des Schulalltags, beim Lernen, beim gemeinsamen Unterricht behinderter und nicht behinderter Kinder. Wie sie arbeiten, in welchem Umfeld sie arbeiten und in welchem Anstellungsverhältnis und unter welchen Bedingungen diese Leistungen erbracht werden, ist in Sachsen-Anhalt höchst unterschiedlich.  

Die Kosten hat in der Regel der Sozialhilfeträger zu tragen, denn es handelt sich um Eingliederungshilfe zur Teilhabe an Bildung. Es gibt einige Träger der Behindertenhilfe, die solche Assistenzleistungen organisieren. Einige davon finanzieren den Einsatz nach dem Sachleistungsprinzip und verhandeln mit dem Kostenträger die Stundensätze. Andere gehen über das persönliche Budget als Assistenzleistung, meist zu einem Minipreis. Manche Familien regeln das auch mit Freunden und Bekannten.  

Allen Varianten ist gemeinsam, dass keine dauerhafte Einstellung von Hilfs- oder gar Fachkräften möglich ist, weil die Kostenerstattung auf die konkreten Unterrichtsstunden des behinderten Kindes begrenzt wird und die Ferien- und Krankheitszeiten nicht entgolten werden. Die Stundenkalkulation ist so eng bemessen, dass für den Integrationshelfer eine Urlaubsgewährung problematisch ist.  
Damit verbunden ist ein ständiger Wechsel der Bezugsperson für die betreffenden Schülerinnen und Schüler mit Behinderungen. Das ist keine günstige Lernsituation für diese Kinder.  

Hinzu kommt, dass häufig das Antragsverfahren für die Eingliederungshilfe mit einem sehr hohen bürokratischen Aufwand verbunden ist und relativ lange dauert. Das heißt dann aber auch, dass die Vereine bzw. die Träger in Vorleistung gehen müssen. Auch das ist nicht besonders günstig und förderlich. Es ist vor allem nicht förderlich für die Entwicklung des gemeinsamen Unterrichts.  

Notwendig ist die Analyse der gegenwärtigen Situation, das Zusammentragen und die Kenntnisnahme der doch sehr vielfältigen Erfahrungen in diesem Bereich. Die Erstellung dieser Analyse ist Inhalt des ersten Punktes unseres Antrages.  

Zu Punkt 2 unseres Antrages. Ich möchte zunächst daran erinnern, dass beinahe alle, ich würde sagen, alle Artikel der UN-Konvention mit dem Satz beginnen: „Die Staaten ergreifen Maßnahmen für …“ Also, sie ergreifen Maßnahmen. Wenn wir also schrittweise Bedingungen für eine inklusive Schule schaffen wollen, wobei es nach der Ratifizierung der Konvention durch den Deutschen Bundestag nicht mehr um das Ob, sondern nur noch um das Wie gehen kann, sind Veränderungen im Einzelnen wie auch im Gesamtsystem notwendig.  

Wir fordern die Landesregierung, konkret das Kultusministerium zusammen mit dem Sozialministerium auf, ihre Vorstellungen für einen verbesserten und umfassenden Einsatz von Integrationshelfern und Schulbegleitern in den entsprechenden Ausschüssen darzustellen. Wir gehen davon aus, dass bei der Darstellung ihrer Vorstellungen unter anderem Fragen nach Standards und einheitlichen Richtlinien für die Gestaltung der arbeitsrechtlichen Bedingungen beantwortet werden, dass Fragen nach Qualifizierungs- und Fortbildungsmöglichkeiten sowie verbindliche Empfehlungen für eine einheitliche Verwaltungspraxis in den Sozial- und Jugendämtern beantwortet werden.  

Mit unserem dritten Punkt greifen wir ein weiteres Problem auf: mangelnde Beratung, und zwar sowohl der Eltern als auch der Schule im Zusammenhang mit dem gemeinsamen Unterricht und den Möglichkeiten von Assistenzleistungen und Integrationshilfen. Wir sehen hier künftig wachsenden Informations- und Beratungsbedarf. Dieser besteht eben gerade deshalb, weil wir eine hundertjährige Aussonderungstradition haben, die wir überwinden wollen.  

Gegenwärtig wird über die Neuordnung der Beratungsstellenlandschaft nachgedacht. Diese Gelegenheit sollte genutzt werden um zu prüfen, inwieweit in diesem Prozess der Neugestaltung der Beratungsstellenlandschaft dieser neue Beratungsbedarf bei Unterstützungsleistungen für einen inklusiven Unterricht Beachtung finden könnte.