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Dr. Detlef Eckert zu TOP 10: Entwurf eines Gesetzes des Landes Sachsen-Anhalt zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen

Vor etwas mehr als zehn Jahren hat die damalige PDS-Fraktion ihren Gesetzentwurf zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen in den Landtag eingebracht. Unsere Fraktion war damals als tolerierende Fraktion aktiv in den Prozess der Erarbeitung eingebunden. Wir haben damals vor allem mit der SPD intensiv um Inhalte und Formulierungen gestritten.  

Bei einer Reihe von Regelungen haben wir uns nicht durchsetzen können, so mit dem Vorschlag für eine regelmäßige Berichterstattung des Beauftragten im Landtag. Das ist nun im vorliegenden Entwurf geregelt. Es hat ein Lernprozess stattgefunden und die Gesellschaft ist fortgeschritten. Das Bewusstsein für die Belange behinderter Menschen, für deren Anspruch auf Selbstbestimmung und Normalität in den Lebensbedingungen hat sich in der Gesellschaft doch etwas gewandelt, auch wenn wir als Betroffene immer noch erhebliche Defizite sehen.  

Jeder Mensch mit einer Behinderung oder Beeinträchtigung, der darauf aus ist, seine Ansprüche auf Selbstbestimmung und Teilhabe außerhalb eingefahrener Gleise umzusetzen, kennt die Barrieren, die von Bürokratie, von Baulichkeiten, von Ignoranz und Unkenntnis aufgetürmt werden. Diesbezüglich muss es einen Wandel geben. Vielleicht wird der befördert, wenn künftig der Bericht des Behindertenbeauftragten ein Mal in jeder Legislaturperiode im Landtag diskutiert wird.

Die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen, die seit einem Jahr auch hier gilt, hat Grundlagen für ein neues Herangehen festgeschrieben. Das geltende Recht im Land muss entsprechend angepasst werden. Diese Anpassung versucht die Landesregierung mit ihrem Entwurf in Angriff zu nehmen.  

Festzustellen ist, dass der Weg auch dieses Gesetzentwurfs nicht mit weniger Kampf verbunden war, als der Weg des Gesetzes vor zehn Jahren, wie wir als behindertenpolitische Sprecher aus mehreren Beratungen des Landesbehindertenbeirats wissen. Insofern gilt dem Landesbehindertenbeirat Dank, dass auf seine Initiative hin dieser Gesetzentwurf entstanden ist.  

Natürlich gibt es weiterhin Kritikpunkte und Forderungen, die in diesem Entwurf nicht ausreichend geregelt sind, auch wenn einige Forderungen, die vor zehn Jahren noch nicht durchsetzbar waren, heute im Entwurf schon etwas deutlicher enthalten sind. Das betrifft vor allem die Einführung eines ganzen Abschnitts zur Barrierefreiheit mit Regelungen für die Teilhabe am politischen Leben, an Kommunikation und Informationstechnik und der Möglichkeit des Abschlusses von Zielvereinbarungen.

Barrierefreiheit etwa bei Formularen ist ein hoher Anspruch. Wenn wir das schrittweise umsetzen könnten, wäre das schon ein großer Erfolg.  
Nach wie vor ist zu kritisieren, dass in § 12, der die Herstellung von Barrierefreiheit im Bau- und Verkehrsbereich regelt, die Forderung nach konsequenter Anwendung der einschlägigen DIN-Normen wieder nicht ausreichend berücksichtigt wurde. Es gibt eine sehr weiche Formulierung in Absatz 2, die mit den Schlupflöchern in der Landesbauordnung korrespondiert. Sie ermöglicht es, dass bei Neu-, Um- und Erweiterungsbauten die Träger der öffentlichen Verwaltung die Norm nur so weit, wie möglich anwenden sollen. Man kann sich also mit mehr oder weniger stichhaltigen Gründen vor der Umsetzung der Barrierefreiheit drücken. Der Behindertenbeirat hatte hierzu andere Vorstellungen vorgelegt.  

Erneut ist nicht zur Zufriedenheit der Betroffenen ist der Einsatz hauptamtlicher kommunaler Behindertenbeauftragter geregelt, obwohl sich in vielen Kommunen hauptamtlich tätige Beauftragte bewährt haben. Sie haben den Kommunen nicht nur Personalkosten verursacht, sondern mit ihrer Tätigkeit bei der Schaffung von Barrierefreiheit auch viele Umbau- und Folgekosten verhindert und für mehr Lebensqualität aller Menschen gesorgt. Zudem sind die meisten der hauptamtlich Beauftragten nur anteilig für den Bereich der Behindertenpolitik zuständig.
Mit Blick auf die demografische Entwicklung ist festzustellen, dass viele Kommunen zur Barrierefreiheit getragen bzw. gescheucht werden müssen, es ist also nach wie vor für notwendig, so etwas hauptamtlich zu tun, es sei denn, die kommunalen Spitzenverbände erkennen in diesem Bereich endlich ihre Verantwortung.  

Deshalb fordert DIE LINKE die Landesregierung auf, in diesem Gesetz Regelungen zu treffen, die in allen Landkreisen und kreisfreien Städten - in Magdeburg und Halle ist dies seit vielen Jahren der Fall - die Bestellung hauptamtlicher Behindertenbeauftragter sichern. Über die konkreten Modalitäten der Finanzierung sollte im Gesetzgebungsverfahren beraten werden.  

Ein letzter Kritikpunkt betrifft § 10 bezüglich der Bildung. Das reicht nicht. Es ist eine Zeitschiene einzubauen, bis wann die entsprechenden Regelungen vorzunehmen sind, denn alle Erfahrungen zeigen, wie integrations- bzw. inklusionsfreudig - in Anführungszeichen - unser Schulsystem ist. Hier ist Druck notwendig, wenn es reale Fortschritte geben soll.  

Zu den Änderungsanträgen: Wir möchten, dass ihr Inhalt bereits in den Anhörungen zur Diskussion gestellt wird. Für die Monitoringstelle bleibt keine Zeit, die Begründung ist nachzulesen.

Ein letzter Satz zu den Paralympics: Es ist richtig, was gesagt wurde - in der Tagesschau bzw. in der heute-Sendung musste man vor vier Jahren noch nach solchen Meldungen suchen. Aber es ist auch heute noch kein Vergleich mit der Berichterstattung über die Olympischen Winterspiele. Es ärgert mich, dass der MDR federführend ist und genau hier eine neue Chance zur offensiven Darstellung, was behinderte Menschen leisten können, vergeben hat. Die Berichterstattung lief von 10.30 Uhr bis 11 Uhr und nach 22.30 Uhr. Das tut mir einfach leid. Ich möchte Andrea Eskau und Herrn Braxenthaler sehr herzlich gratulieren, ich kenne sie persönlich.