Diese Website verwendet Cookies. Warum wir Cookies einsetzen und wie Sie diese deaktivieren können, erfahren Sie unter Datenschutz.
Zum Hauptinhalt springen

Dr. Angelika Klein zu TOP 07: Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung der Landeshaushaltsordnung des Landes Sachsen-Anhalt

Bisher war der Zweck der Finanzverfassung der, den öffentlichen Aufgaben eine nach politischer Prioritätensetzung angemessene Ausstattung zu sichern. Jetzt steht die Haushaltsstabilität vor gesellschaftlicher Stabilität und der Abbau der Nettoneuverschuldung ist durch die Schuldenbremse nun zu einem Staatsziel geworden, auch im Grundgesetz.

Die Entscheidung, ob neue Schulden aufgenommen werden oder nicht, muss eine politische Entscheidung sein und bleiben. Damit befürworten wir nicht eine Neuverschuldung ohne Wenn und Aber. Aber Entscheidungen für oder gegen bestimmte Ausgaben sollten nach wie vor vom Parlament getroffen werden.

Mit der Verankerung eines Schuldenverbots in der Landeshaushaltsordnung macht man sich als Parlamentarier klein, man verzichtet auf Kontrolle, man verzichtet auf eine Debatte. Es ist schon schlimm genug, dass vieles am Parlament vorbei passiert.  
Ich denke nur daran, dass der Umfang der außerplanmäßigen Ausgaben, die im letzten Jahr selbst am Finanzministerium vorbeigegangen sind, zunehmend gewachsen ist und dass wir erst im Nachhinein überhaupt darüber informiert werden.

Die Umsetzung von Haushaltswahrheit und Haushaltsklarheit ist ein schwieriger Prozess, aber wir sollten uns dem nicht entziehen. Wir sollten wirklich jede Position im Ausschuss und im Parlament hinterfragen und nicht sagen: Regierung, mach mal.
Mit der Verankerung eines Schuldenverbots in der Landeshaushaltsordnung wird den Parlamentariern doch von vornherein ein verantwortungsloses Handeln unterstellt.

Die Landesregierung wird künftig Kürzungen vornehmen müssen, die zulasten der Bereiche gehen, über die das Land selbst zu entscheiden hat: Bildung, Wissenschaft, Kultur, Kinderförderung, Schülerbeförderung, Kommunalfinanzen und Wirtschaftsförderung. Sie brauchen nur einmal nach Schleswig-Holstein schauen - der Finanzminister hat darauf verwiesen, da bleibt nicht mehr viel von einem Land übrig.  

Dazu muss man selbstverständlich sagen: Die Haushaltssituation in Sachsen-Anhalt ist nicht gut. Eine Nettokreditaufnahme in Höhe von 750 Millionen € und eine geplante globale Minderausgabe in Höhe von 520 Millionen € allein für das Jahr 2010 machen die Schwierigkeiten deutlich.  
Aber was bitte können die Parlamentarier von Sachsen-Anhalt dafür, dass die Steuereinnahmen in erheblichen Größenordnungen weggebrochen sind? Die öffentlichen Haushalte leiden an einem strukturellen Defizit, nicht weil grundsätzlich zu viel ausgegeben wird, sondern weil zu wenig eingenommen wird, um die Aufgaben der öffentlichen Haushalte entsprechend zu finanzieren.

Seit Jahren gibt es eine Steuerpolitik in der Bundesrepublik, die die Besserverdienenden entlastet. Angesichts einer Finanzkrise, in der die Banken mit Mitteln in Höhe von 500 Millionen € aus dem Staatshaushalt saniert werden, ist es endlich an der Zeit, über ein Steuersystem nachzudenken, das nicht nur mit der Verteilung von unten nach oben aufhört, sondern das auch für genügend Einnahmen sorgt, um die öffentlichen Haushalte angemessen auszustatten.
Dazu kann die Finanztransaktionssteuer sicherlich ein klein wenig beitragen. Aber ein bisschen mehr muss schon noch passieren. Ich nenne hier nur Stichworte Einkommensteuersatz für Spitzenverdiener, Vermögensteuer und Erbschaftsteuer.

Auf jeden Fall darf nicht über weitere Steuersenkungen nachgedacht werden, denn eines hat sich in den vergangenen Jahren deutlich gezeigt: Diejenigen, die in den Genuss der Steuersenkungen kommen, investieren nicht. Sie legen ihr Geld in Rendite bringenden Finanzprodukten an und das kurbelt weder die Binnenkonjunktur noch die Wirtschaft als solche an. Einer der Sachverständigen der Föderalismuskommission II, Professor Bofinger, schlug eine Steuersenkungsbremse vor. Nach dieser dürfte die Politik die Steuern erst dann senken, wenn die Staatsverschuldung auf 50 % gesunken ist.

Wir haben lange darüber nachgedacht, warum ausgerechnet jetzt dieser Vorstoß zur Änderung der Landeshaushaltsordnung vorgenommen wird. Eine Dringlichkeit ist nicht gegeben. Die Länder haben die Grundgesetzänderung Bis zum Jahr 2020 nachzuvollziehen.  
Allerdings sind im nächsten Jahr Landtagswahlen. Vielleicht will die Landesregierung der künftigen Landesregierung und den Abgeordneten ein paar Zügel mit auf den Weg geben. Interessant werden auch die Wahlprogramme der einzelnen Parteien sein, die mit diesem Gesetzentwurf arbeiten werden, denn sie dürften eigentlich nur Projekte enthalten, die sich im Rahmen eines geringer werdenden Haushaltsvolumens realisieren lassen.

Über die offenen Fragen im Gesetzentwurf werden wir uns sicherlich im Ausschuss noch unterhalten. Es gibt noch manches zu bereden.
Die CDU meinte, Schuldenmachen sei unsozial. Einer der Väter der deutschen Finanzwissenschaft, Lorenz von Stein - 1850 bis 1890 -, sagte: Ein Staat ohne Schulden tut entweder zu wenig für seine Zukunft oder fordert zu viel von seiner Gegenwart. Darauf baute er auch die goldene Regel der Staatsverschuldung, nach der die jährliche öffentliche Kreditaufnahme im Regelfall in Höhe der öffentlichen Investitionen erfolgen soll.  

Wir bleiben dabei: Ein Schuldenverbot ist nicht die Lösung der Probleme. Im Gegenteil: Es führt zu einer weiteren Entstaatlichung. Von 1998 bis 2008 hat Deutschland als einziges Land in der EU seine gesamten Staatsausgaben preisbereinigt gesenkt. Aber die Aufgaben sind geblieben, sie sind verdichtet worden und die Qualität ist gesunken.
Was die Kernaufgaben des Staates sind, das haben wir trotz Enquetekommission noch immer nicht herausgefunden.