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Dr. Angelika Klein zu TOP 05: Stand der Verhandlungen der Föderalismuskommission zur Schuldenbremse für Bund und Länder

Das Ergebnis der Föderalismus-Kommission II ist erschreckend, auch wenn es Herr Struck als eine „Sternstunde des kooperativen Bundesstaates“ bezeichnet.
Unter Sternstunden habe ich mir bisher etwas anderes vorgestellt, auf jeden Fall keine Schuldenbremse für den Bund oder ein Schuldenverbot für die Länder.

Die Forderung der Föderalismuskommission, den Ländern per Grundgesetz die Aufnahme neuer Schulden zu versagen, ist weder finanzpolitisch noch verfassungsrechtlich  berechtigt.

Eine Festschreibung eines Schuldenverbots für die Länder im Grundgesetz wäre eine grundlegende Zäsur im bundesdeutschen Föderalismus. Die geplante Änderung des Artikels 109 GG bedeutet einen massiven Eingriff in das Budgetrecht der Länder.
Die politischen Spielräume werden grundlegend eingeschränkt, und der Verweis, dass es eine lange Frist ist bis 2020 und die Länder ja damit Zeit haben, ihre Haushalte in Ordnung zu bringen ist zynisch.
BundespolitikerInnen und BundesministerInnen, sowie LandespolitikerInnen, deren politische Perspektive endlich ist, legen den kommenden Generationen Spar- und Kürzungszwänge auf, die diese nicht selbst entscheiden konnten.

Mit dem Hinweis auf das Schuldenverbot, und das werden wir schon bei den kommenden Haushaltsberatungen erleben, wird es einen weiteren Ausgabenabbau geben.

Die Entscheidung, ob neue Schulden aufgenommen werden oder nicht, muss eine politische Entscheidung sein und bleiben. Damit befürworten wir nicht, und ich betone, nicht eine Neuverschuldung ohne Wenn und Aber.

Absolut nicht nachvollziehbar ist die Entscheidung, dass der Bund den Ländern ein totales Schuldenverbot auflegt und er sich immerhin noch 0,35 % erlaubt.

Eine Schuldenbremse oder ein Schuldenverbot  ist nicht nur nach Ansicht der LINKEN auch volkswirtschaftlicher Blödsinn.
Prof. Heinz Bontrup bezeichnet das, was an Begründungen für die Schuldenbremse geliefert wird, als „ökonomisches Nirwana“. Man vergleicht immer wieder einen Privathaushalt mit einem Staatshaushalt und macht nicht darauf aufmerksam, dass es dort, wo es einen Schuldner gibt, auch einen Gläubiger gibt. Bei einem Staatshaushalt werden nicht nur die Schulden vererbt sondern auch die Forderungen einschließlich Zinsen.

Der Verweis darauf, dass wir unseren Kindern und Enkeln eine immense Schuld aufbürden, klingt wunderbar melodramatisch, ist aber pure Heuchelei, denn wir nehmen doch die jetzt getätigten Investitionen nicht mit ins Grab. Egal ob es super sanierte Schulen sind oder die Nordverlängerung der A 14, die notfalls mit Krediten finanziert werden -  sie sind doch ein Vermögen, von dem künftige Generationen noch etwas haben, falls sie dann noch in Sachsen-Anhalt leben.

Und bei den Zinsen die der Staat zahlt, gibt es doch eine tolle Umverteilung von unten nach oben. Zinsen werden aus dem allgemeinen Steueraufkommen bezahlt und schützen diejenigen, die mit hoher Renditeerwartung ihr Geld bei den Banken deponieren. Ein Harz IV-Empfänger hat kein Geld, mit dem Banken arbeiten können.

Auch das Argument, das Kollegin Hüskens jüngst in ihrer Presseerklärung zum Schuldenverbot brachte, ist richtig schön vom eigentlichen Problem ablenkend: „Jede Generation soll nur das verbrauchen, was sie produziert hat“.
Kollegin Hüskens, wenn ich Sie ernst nehmen sollte, und das mache ich, dann brauchen wir aber sofort eine Erbschaftssteuer, die sich gewaschen hat – wozu brauchen die kommenden Generationen dann das gegenwärtige Erbe? Sie haben es nicht erarbeitet und mit einer entsprechenden Steuer könnten öffentliche Aufgaben erfüllt werden, ohne Schulden aufzunehmen.

Noch eine Bemerkung zur Staatsverschuldung. Die deutsche Staatsverschuldung liegt gemessen am BIP bei 65 %, damit  liegt sie unter dem  Schnitt der OECD-Länder von rund 80 %. Internationale Investoren  sehen den deutschen Staat als den sichersten Kreditnehmer.
Ein führende Wirtschaftswissenschaftler wie Peter Bofinger, der sich in einem Gutachten für die Föderalismuskommission II gegen eine Schuldenbremse ausgesprochen hat, ging in einem Siegel-Online Interview am 11.Februar 2009 davon aus, dass mit der Schuldenbremse die Sparerinnen und Sparer in der Bundesrepublik ins Ausland getrieben werden. Deutsche Haushalte sparen rund 120 Mrd. Euro jährlich für die private Altersvorsorge, sie wollen es sicher anlegen, ab wo? Unternehmen sind eine nur bedingt Anlagequelle, und wenn Bund und Länder kein Geld mehr leihen dürfen – dann bleiben amerikanische Staatsanleihen.
Bofinger schlägt z.B. ein mittelfristig angelegtes Bildungsprogramm vor, bei dem Bund und Länder über 10 Jahre hinweg einen Betrag von 1 % des BIP zusätzlich in Bildung investiert – 25 Mrd. Euro jährlich, finanziert über Staatsanleihen, die mittelfristig eine hohe Rendite abwerfen, so dass die Zinsen von zur Zeit 3 % weit überschritten werden – man geht von Renditen für Bildungsinvestitionen von bis zu 10 % aus.

Bei der Sanierung der Banken – ich weiß gar nicht, bei wie viel 100 Milliarden die Bundesregierung inzwischen ist, gab und gibt es kaum den Verweis auf die Schuldenbremse. Nun stellen Sie sich einmal vor, wir hätten sie schon – was sollte denn dann mit den vielen Not leidenden Banken geschehen – unter Naturkatastrophe fallen sie ja wohl nicht und die außergewöhnliche Notsituation, die es dann im Abs. 3 des Artikel 109 geben soll, ist dann weit interpretierbar.
Die Begründung – keine Schulden – wird immer dann herangezogen, wenn es zum Beispiel um die Ausgestaltung öffentlicher Güter geht, wenn es um die Erhöhung des Regelsatzes für Hartz IV oder um die Renten oder um die Gesundheitsversorgung oder - um im Lande zu bleiben -, wenn es um eine angemessene Ausstattung der Landesverwaltung mit hoch qualifiziertem Personal geht.

Die verfehlte Schuldenpolitik der zurückliegenden Jahrzehnte sollen gegenwärtige und auch künftige Generation tragen. Die Schulden sind doch – abgesehen von den Kosten der deutschen Einheit - in den vergangenen Jahren durch eine verfehlte Steuerpolitik entstanden und nicht, weil die  Parlamentarier, sei es im Land oder in den Kommunen, verantwortungslos gehandelt haben. Unser Einfluss auf die Gestaltung der Steuern ist relativ gering, die der Landesregierungen schon größer. Sie könnten ja wenigstens im Bundesrat ein Zeichen setzen.

Die öffentlichen Haushalte leiden an einem strukturellen Defizit, nicht weil grundsätzlich zu viel ausgegeben, sondern weil zu wenig eingenommen wird, um die Aufgaben der öffentlichen Haushalte entsprechend zu finanzieren. Seit Jahren gibt es eine Steuerpolitik in der Bundesrepublik, die die Besserverdienenden entlastet. Angesichts einer Finanzkrise, in der Banken mit Milliarden Euro aus dem Staatshaushalt, also vom Geld der Steuerzahler saniert werden, ist es endlich an der Zeit, über ein Steuersystem nachzudenken, das nicht nur mit der Umverteilung von unten nach oben aufhört, sondern auch für genügend Einnahmen sorgt, um die öffentlichen Haushalte angemessen auszustatten.

Bofinger schlägt übrigens eine Steuersenkungsbremse vor – nach der dürfte die Politik die Steuern erst wieder senken, wenn die Staatsverschuldung auf 50 % gesunken ist.

Liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD, Ihre Partei trat Anfang der 70er Jahre unter anderem mit dem Slogan „Nur Reiche können sich einen armen Staat leisten“ an. Bei den Bundestagswahlen 1972 erreichten sie vielleicht auch deshalb 45,8 %. Vielleicht wäre es eine Chance.

Aber zurück um Ergebnis der Föderalismuskommission II: An das Problem der Altschulden von Bund, Länder und Kommunen ist die Kommission grundsätzlich nicht herangegangen. Eine nachhaltige Entschuldung der Länder steht eigentlich auf der Tagesordnung, herausgekommen sind für die fünf ärmsten Ländern Konsolidierungshilfen. Diese sind nicht auskömmlich und sollen dann auch noch an ein Sanierungsprogramm gebunden werden, das keiner kennt. Sachsen-Anhalt sollte ganz genau prüfen, ob sich eine Konsolidierungshilfe von 80 Millionen Euro im  Jahr rechnet bzw. wie hoch der Preis ist, welche sozialen und politischen Auswirkungen dies auf lange Sicht haben wird. Die „Großzügigkeit“ der Bayern wird ihren Preis haben.

Sicher, Sachsen-Anhalt hat 20 Mrd. Euro Schulden und Sachsen-Anhalt hat mit die höchsten Zinsen pro Einwohner, aber doch auch, weil die Menschen immer noch in atemberaubenden Größenordnungen das Land verlassen und die Schulden einschließlich Zinsen hier lassen.

Die Föderalismuskommission II hat aus Sicht der LINKEN versagt. Sie hatte den Auftrag, die Bund-Länder-Beziehungen zu modernisieren. Davon kann nicht die Rede sein. Die Länder, insbesondere die finanzschwachen Länder und die Kommunen werden die Verlierer sein, falls die Grundgesetzänderung durch den Bundestag und den Bundesrat kommt.

Es besteht ernsthafter Reformbedarf im deutschen Föderalismus. Es gab nicht nur von den LINKEN Vorschläge z.B. zur Einführung einer Bundesschuldenverwaltung, die einen Teil der Altschulden von Bund, Ländern und Kommunen übernimmt. Hier hätte man sich am Erblastentilgungsfond orientieren können. DIE Linke bekennt sich auch zur Einführung einer zentralen Bundessteuerverwaltung und zur Einführung einer zentralen Börsenaufsicht. Reformiert werden muss die Bildungsfinanzierung. Die Aufhebung des Kooperationsverbotes ist zwingend notwendig. Hier geht es allerdings auch um die Sünden der Föderalismusreform I.
Ich habe es schon am Anfang gesagt, aber ich betone noch einmal, es geht nicht darum, Schulden zu machen, sondern um die politische Entscheidungsmöglichkeit, sich im Parlament für den eigenen Haushalt entscheiden zu können.

Die Fraktion DIE LINKE bzw. Abgeordnete der Fraktion werden, wenn es zu entsprechenden Änderungen des Grundgesetzes kommen sollte, auch über eine entsprechende Verfassungsklage nachdenken, da die parlamentarischen Rechte wie eben das Budgetrecht beschnitten werden.