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Birke Bull zu TOP 17: Diskriminierungsschutz um sexuelle Identität erweitern

DIE LINKE stellt den Antrag, der bereits vorliegenden Bundesratsinitiative der Ländern Bremen, Berlin und Hamburg beizutreten. Es geht darum, das Diskriminierungsverbot in Artikel 3 des Grundgesetzes um das Verbot der Diskriminierung wegen sexueller Identität zu ergänzen.

Warum wollen wir, dass diese Initiative unterstützt wird? Weil es immer noch so ist, dass Menschen, die schwul bzw. lesbisch leben wollen und das auch tun, im harmlosesten Fall mit stillem Argwohn und Abneigung zu kämpfen haben. Jede/r sollte sich hier selbst einmal selbstkritisch hinterfragen.

Ich bin mir durchaus darüber im Klaren, dass so etwas mit Gesetzen nicht zu unterbinden ist. Dennoch gibt es eine Wechselwirkung zwischen gesellschaftlicher Wirklichkeit und grundgesetzlicher Gegebenheit. Es geht im nicht mehr ganz so harmlosen Fall um offene Abwertung und Ausgrenzung oder gar um Gewalt.

Ich kann mich daran erinnern, wie Kollege Ritter, seines Zeichens damals, Mitte der 90er-Jahre, Mitglied der CDU-Fraktion, in einer Anhörung mit dem Lesben- und Schwulenverband den Betroffenen unentwegt Therapieangebote gemacht hat.
Oder ein neuerer Fall: Kollege Bergner hat in Halle die hohe Suizidrate von jungen Menschen, die vor einem schwul-lesbischen Coming-out stehen, ursächlich in die Nähe von schwerer Persönlichkeitsstörung gebracht und hat damit allemal Ursache und Wirkung verwechselt.

Vor allem aber geht es darum: Wir haben es mit handfesten rechtlichen Benachteiligungen zu tun, weil es eben vom Weltbild des jeweiligen Richters oder der jeweiligen Richterin abhängt, ob eine Benachteiligung oder eine Diskriminierung wegen sexueller Identität als solche zu akzeptieren, ob sie zumutbar ist, ob es persönliches Pech oder ob sie für nicht hinnehmbar zu halten ist.

Diesbezüglich bedarf es der Klarheit, und zwar der grundgesetzlichen Klarheit. Das Verbot der Diskriminierung wegen sexueller Identität muss gesetzte Sache sein.

Welche Gegenargumente werden ins Feld geführt?

Da haben wir zum einen die Hardcore-Variante, dass lesbisch-schwulen Lebensformen gänzlich die Akzeptanz abgesprochen wird. Ich würde mutig behaupten, dass das auch im Bereich der konservativen Kreise nur noch eine verschwindende Mehrheit ist.

Die zweite Argumentation: Diese Leute werden gar nicht diskriminiert. Das halte ich entweder für blauäugig - das ist eher weniger typisch für Politiker - oder das ist ignorant. Damit kommt man, denke ich, schon eher in die Nähe von Wahrheit. Das Problem, das dahinter steckt, hat der Vertreter der Lesbisch-Schwulen Union - vielleicht ungewollt - zum CSD in Halle auf den Punkt gebracht: „Diskriminiert werden sollen lesbisch-schwule Menschen nicht, aber gleichgestellt werden sollen sie auch nicht.“

Das ist quasi eine semantische Kostbarkeit, frei von den Zwängen der Logik. Man könnte mit anderen Worten auch sagen: Wasch mich, aber mach mich nicht nass.
Wir haben kein Erkenntnisproblem, wir haben ein Akzeptanzproblem. Denn was nicht sein kann, das nicht sein darf.
Warum darf es nicht sein? Weil es die reine Lehre vom gemischtgeschlechtlich patriarchalen Paarverhalten infrage stellt, etwas, das das Leben ohnehin lange, lange hinter sich gelassen hat.

Rechtliche Gleichstellung hat in den vergangenen Jahren durchaus Fortschritte erzielt. Es gibt die Möglichkeit der eingetragenen Partnerschaften. Und nur, damit das Ding nicht „Ehe“ heißt, haben sich hierfür außerordentlich vergnügliche Wortneuschöpfungen gebildet, so etwas wie „verpartnerte Lebensgemeinschaften“. Das versuche man einmal einem Englischsprachigen beizubringen.  

Die eingetragenen Lebenspartner dürfen füreinander Pflichten übernehmen, dürfen aber steuerliche Ausgleiche nicht in Anspruch nehmen. Diese sind ihnen ausdrücklich versagt. Klassische Ehepartner können in den Genuss des Ehegattensplittings kommen - völlig unabhängig davon, ob sie Kinder haben wollen oder nicht. Ich würde es gern abschaffen, aber solange es da ist, muss es allen zugänglich sein.  

Wir haben ein Antidiskriminierungsgesetz. Dem ist damals von den Kollegen der FDP eine riesige Klageflut vorausgesagt worden. Nichts war, null. Und wir haben das Beamtenrecht. Ich vermute, dass am Ende der Legislaturperiode das Land Sachsen-Anhalt so mutig sein wird, als eines der letzten Länder auch hier Ordnung zu schaffen.

Einfache gesetzliche Diskriminierungsverbote haben die Situation der Betroffenen sehr wohl verändert. Aber was fehlt, ist ein ausdrückliches Diskriminierungsverbot aufgrund sexueller Orientierung im Grundgesetz, um die Frage der Diskriminierung oder Nicht-Diskriminierung der Beliebigkeit zu entziehen und einen klaren grundgesetzlichen Bezug zu schaffen. Das ist notwendig, um klare Verhältnisse zu schaffen, um bei künftigen Gesetzgebungen auch klare Maßgaben für den Gesetzgeber zu schaffen.

Es wird im Übrigen unterstützt von der CDU in Hamburg, von der SPD in Berlin und Bremen und von den LINKEN und den GRÜNEN, die sich damit ohnehin nicht wahnsinnig herumquälen.

Insofern mein Appell an Sie: Zeigen Sie sich aufgeklärt, springen Sie über Ihren Schatten. Wir sind bereit, einer Ausschussüberweisung zuzustimmen. Man kann durchaus im Ausschuss noch einmal darüber reden, um dann zu einer vernünftigen und zeitgemäßen modernen Regelung zu kommen.