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Birke Bull zu TOP 16: Neustrukturierung der Beratungslandschaft in Sachsen-Anhalt

Das Sozialgesetzbuch sieht eine ganze Reihe von Angeboten vor: Hilfe, Beratung, Schutz, Interessenvertretung für Menschen und Familien, die in Lebenssituationen kommen, aus denen sie nicht mehr ohne Weiteres allein herausfinden. Vieles hat mit Einkommensarmut, vieles mit Langzeitarbeitslosigkeit zu tun, mit weniger erfolgreicher Bildungsbiografie. Eine erfolgreiche Bildungsbiografie ist eine der Voraussetzungen dafür, ein selbstbestimmtes Leben führen zu können. 

Gut ausgebildete, engagierte Professionelle sind unterwegs. Das ist eine sehr anstrengende Arbeit. Das ist eine Arbeit, bei der der Erfolg sehr rar gesät ist. Und die Akteure vor Ort gehören trotz eines hoch qualifizierenden Studiums nicht zu den oberen Einkommensgruppen.
Wir sprechen nach meinen Berechnungen von ungefähr 450 bis 500 Beschäftigten. Wenn man es weit auslegt, könnte man faktisch schon von einem mittelständischen Unternehmen für soziale Dienstleistungen sprechen. Finanziert wird dies durch das Land - ca. 8 Millionen bis 9 Millionen € pro Jahr geben wir dafür aus -, durch die Landkreise - diese beteiligen sich sehr unterschiedlich an der Finanzierung - und natürlich auch durch die Träger.

Ein Problem ist bereits genannt worden: Die Höhe der finanziellen Mittel ist von allen Finanziers Jahr für Jahr scheibchenweise zurückgefahren worden. Wir haben gegen Ende jedes Jahres das Problem von Haushaltssperren und Führungserlassen. Genau genommen werden diese Angebote dadurch auch immer ein Stück weit grundlegend infrage gestellt. Das verunsichert, das schluckt Energie, vor allem die Energie, die eigentlich bei Klientinnen und Klienten sehr viel dringender gebraucht würde.  

Einige der Baustellen, die in den nächsten zwei Jahren zu bearbeiten sind, wurden genannt. Ich möchte noch auf ein Argument verstärkt eingehen, das ist das Argument der demografischen Entwicklung. Auch wenn sehr viele Menschen das Land Sachsen-Anhalt verlassen haben - es sind nicht diejenigen, die sich in den Beratungsstellen, in den Angeboten für Hilfe, Schutz und Interessenvertretung wieder finden. Ich kann mit diesem Argument immer weniger anfangen. Natürlich haben wir eine demografische Entwicklung, die berücksichtigt werden muss. Aber sie hat in diesem Bereich nicht einen solch signifikanten Umfang, dass sie maßgeblich Einfluss auf das hat, was wir künftig anzubieten haben.

Eine weitere Frage ist die der Zuständigkeiten. Auch das ist schon öfter besprochen worden. Wir haben im Moment eine sehr fragmentierte Zuständigkeit. Auf der einen Seite ist das Land zuständig, auf der anderen Seite die Landkreise. Es gibt Bereiche, in denen es gar keine explizit geregelte Zuständigkeit gibt. Hierzu wäre es aus unserer Sicht nötig, dass wir uns auf das Prinzip „Finanzierung und Förderung aus einer Hand“ verständigen.
DIE LINKE plädiert dafür, die Zuständigkeit für diese sozialen Dienstleistungen, die nicht kreisübergreifend arbeiten, in die Landkreise zu geben. Kommunale Politik ist Sozialpolitik vor Ort und dort am wirksamsten.

Zur Finanzierung: Über die Frage des Umfangs der Finanzierung ist schon mehrfach diskutiert worden. Aber auch die Zuständigkeit für die Finanzierung ist außerordentlich fragmentiert. Da gibt es die Landesförderung, die Landkreisförderung, da gibt es Mischfinanzierungen, das gibt es Festbetragsfinanzierungen, da gibt es Fehlbetragsfinanzierungen und vieles mehr. All das erfordert einen hohen bürokratischen Aufwand, versetzt die Träger immer wieder in die Lage, mit ganz unterschiedlichen Menschen kommunizieren zu müssen. Auch hier ist es für uns denkbar, diese finanziellen Mittel zu pauschalieren, selbstverständlich an einen Zweck gebunden, und zu kommunalisieren.
Ich möchte an dieser Stelle kritisch anmerken: Es hat uns ein Stück weit überrascht, dass gerade in den Bereichen, für die die Landkreise originär zuständig sind, die finanzielle Beteiligung außerordentlich problematisch ausfällt. Das ist also durchaus ein Feld, wo wir als Land uns darüber klar werden müssen, wie wir es schaffen, hierbei ein Stück weit auch die finanzielle Beteiligung der Kommunen herauszufordern. Es kann nicht so sein, dass sich die Landkreise hinstellen und sagen, sie hätten kein Geld und ihre Lage sei hochproblematisch, und das Land springt dann jeweils in die betreffenden finanziellen Lücken ein. Das ist vom Land nicht finanzierbar, nicht leistbar. Auch unsere Haushaltsentwicklung erfordert es, Prioritäten zu setzen.

Es sind noch andere Fragen aufgeworfen worden, zum Beispiel in Bezug auf neue Formen von Kooperation bzw. Kommunikation, auch in Bezug auf neue Angebotsstrukturen und mobile Angebote im ländlichen Raum. All das sind inhaltliche, substanzielle Stichworte, über die man im Ausschuss für Soziales beraten müsste.

Zum Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen. Es ist ein erster Schritt und es fehlt ein Stück weit die Verbindlichkeit in dem Sinne, dass gefordert wird: Wir brauchen ein Konzept und das muss zum Tag x vorgelegt werden.
Wir werden uns deshalb bei der Abstimmung über den Antrag der Stimme enthalten, sofern der Wunsch besteht, darüber direkt abzustimmen. Ich plädiere dafür, dass wir uns im Ausschuss erst einmal darüber verständigen, was wir wollen, was unser politischer Wille ist, was unsere Maßstäbe für ein Konzept sind. Wenn das aber nicht mehrheitsfähig ist, dann werden wir uns, wie gesagt, der Stimme enthalten.