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Birke Bull zu TOP 07: Entwurf eines Heimgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt

Ein Geschenk der Föderalismusreform 2006 liegt vor uns, das Heimgesetz ist in weiten Teilen in die Kompetenz des Landes überführt worden.  
Wir diskutieren seit vier Jahren darüber, wie das Heimgesetz faktisch aussehen könnte, ob es gelingt, bundeseinheitliche Standards zu entwickeln usw. Auch die PDS hat im Jahr 2006 einen Antrag dazu hier im Parlament vertreten.

Dass es nicht allein darum gehen kann, Bundesrecht in Landesrecht umzuschreiben, dafür sprechen mehrere Gründe.  

Punkt 1. Da ist Zum einen die demografische Entwicklung. Wir haben deutlich mehr ältere Menschen und vermutlich dadurch auch mehr ältere Menschen, die der Hilfe, der Unterstützung bedürfen.

Punkt 2. Es gibt gravierende Veränderungen, einen gravierenden Wandel in den Vorstellungen der Menschen darüber, wie sie alt werden möchten. Diejenigen, die in der Sozialpolitik unterwegs sind, kennen die Diskussionen im Behindertenbereich zum Beispiel um die Heime.
Wir haben auf der anderen Seite das Problem, dass Familien entgegen dem traditionellen Familienmodell nicht mehr in dem Maße in der Lage und bereit sind, ältere Menschen bis an ihr Lebensende zu pflegen. Trotzdem ist es nicht mehr der „Automatismus Heim“ und trotzdem haben sich Vorstellungen verändert. Es gibt viele Überlegungen dazu, wie Menschen künftig den letzten Abschnitt ihres Lebens gestalten wollen. Wir müssen überlegen, welche davon dem Schutzauftrag des Staates unterliegen.

Punkt 3 ist ein Spannungsfeld. Ich habe neulich einen Unternehmensberater sagen hören: Machen Sie ein Seniorenheim. Der Markt hält mit Sicherheit. Der Markt ist gewinnträchtig.
Das verweist auf ein Spannungsfeld. Auf der einen Seite geht es um betriebswirtschaftliche Interessen. Darum geht es im Übrigen auch den Wohlfahrtsverbänden, muss es ihnen gehen. Wir haben auf der anderen Seite natürlich die Frage des Schutzes und der Würde der Bewohnerinnen und Bewohner.  
Und wir haben auch die Arbeitsbedingungen und die Einkommen der Beschäftigten. Wenn Sie sich in einigen stationären Angeboten umsehen, auch der Wohlfahrtsverbände, dann eröffnen sich dort hochproblematische Entwicklungen, was die Frage der Mitbestimmung von Fachkräften anbelangt, was die Frage der Einbeziehung von Personalvertretungen anbelangt.
Hochproblematisch ist die Entwicklung der Einkommenssituation. Ich kann nicht nur jeweils zum Frauentag frauenpolitische Liebeserklärungen losschicken und sagen, wir wollen gleichwertige Arbeit auch halbwegs gleich entlohnen, wenn ich an der Stelle - das ist die Aufgabe von Land und Bund - dafür sorge, dass in dem Bereich Stück für Stück ein riesiger Niedriglohnsektor entsteht.

Zu einigen Schwerpunkten, die im Gesetzentwurf der FDP enthalten sind.
Wir werden diskutieren müssen welche der neu entstehenden Wohnformen wir tatsächlich in dieses Gesetz einbinden. Das ist eine nicht ganz einfache Frage.
Was ich richtig gut finde, ist die Regelung der unangemeldeten Besuche im Grundsatz. Das ist deutlich mehr als ein Drittel. Wir haben ja in der Vergangenheit eine ganze Reihe von unangenehmen Erfahrungen machen müssen. Diese Regelung unterstützen wir ganz ausdrücklich.

Zur Frage der Fachkraftquote müssen wir der Ehrlichkeit halber sagen, die ist nicht unbedingt eine Erfindung der FDP. Das hatten wir rechtlicherseits schon

Zwei Dinge sind noch anzumerken. Da ist die Frage des Umgangs mit der Ultima Ratio. Die FDP hat in Ihren Gesetzentwurf weitgehend Bundesrecht übernommen. Wir müssen uns fragen, wann der Zeitpunkt erreicht ist, dass eine Aufsichtsbehörde sagt: Jetzt ist Schluss! Was momentan in dem Gesetzentwurf formuliert ist, lässt das alles offen. Dort ist die Frage, ob sich eine Behörde irgendwann bewegt oder es lässt, sehr unspezifisch geregelt. Damit wäre ich noch sehr unzufrieden.  

Die letzte Bemerkung zur Begrifflichkeit. Begrifflichkeiten, auch in Gesetzen, haben ja eine bestimmte Funktion. Sie haben einen Klang, sie haben eine Definitionsmacht. Der Begriff „Heim“ befördert und transportiert Vorstellungen der Vergangenheit, die ich nicht wieder haben möchte. Zumindest besteht die Gefahr, dass Vorstellungen der Vergangenheit in die Gegenwart transportiert werden. Damit bin ich überhaupt nicht glücklich. Trotzdem fällt mir auch noch nichts Beglückendes ein. Aber es ist noch genügend Zeit, im Ausschuss darüber zu beraten.

Alles in allem ist das sehr wohl ein unterstützenswerter Gesetzentwurf ist, aber es gibt noch eine Reihe von Baustellen, die unbedingt beredet werden müssen.