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Kerstin Eisenreich zu TOP 26: Härtefallfonds gegen Energiesperren

Sehr geehrte Damen und Herren,

Energiearmut ist bei Weitem kein neues Phänomen. Schon lange vor den Preisexplosionen der letzten 24 Monate sahen sich Menschen in Sachsen-Anhalt nicht mehr in der Lage, ihre Energierechnungen zu bezahlen. Und Menschen, die dauerhaft in Armut leben oder von Armut bedroht sind, ringen tagtäglich um jeden Cent um irgendwie über die Runden zu kommen. Da ist die Frage: Soll ich jetzt Essen, Licht einschalten, heizen oder kochen? Die Schuhe müssten mal erneuert werden. Telefon? Diese Menschen drehen sich im Kreis und bei allen Bemühungen, irgendwo irgendwas einzusparen, ist das Tischtuch einfach zu kurz. Und da dauert es nicht lange, dass sich diese Menschen, Rentner*innen, Familien, deren Kinder verschulden. Sie haben auch keinerlei Ersparnisse, die sie einsetzen könnten.

Wer bei Strom und Gas über längere Zeiträume solche Schulden anhäuft, läuft somit Gefahr, dass eine Energiesperre droht oder aber schließlich auch umgesetzt wird. Das ist gravierend und ein massiver Einschnitt in die Lebensqualität. Was für die meisten Menschen selbstverständlich ist, wird zum Luxus: keine warme Stube oder Mahlzeit, saubere Wäsche, Telefon oder Internet. Besonders schwerwiegend ist eine solche Situation für Kinder, ältere Menschen und Kranke. Im Jahr 2020 wurde 10.688 Verbraucher*innen in Sachsen-Anhalt der Strom abgeklemmt. Damit nahm Sachsen-Anhalt bundesweit eine traurige Spitzenposition ein. Und das im Übrigen trotz des zu Beginn der Corona-Pandemie eingeführten Moratoriums für Strom und Gassperren.

Dabei will ich auch gar nicht verkennen, dass vor allem kommunale Versorgungsunternehmen, Energie-, Schuldner- und Insolvenzberatungen viele Anstrengungen unternehmen, um gemeinsam mit den Betroffenen Lösungen zu suchen. Aber das funktioniert in vielen Fällen nicht. Menschen, die Rechnungen nicht bezahlen können, schämen sich dafür. Sie schämen sich teilweise auch, Hilfe zu suchen. Wenn sie in den Briefkasten schauen, nehmen sie Rechnungen, Mahnungen, Vollstreckungsbescheide usw. heraus, oder eben auch nicht mehr, weil sie es einfach nicht mehr ertragen, denn sie können diese Forderungen nicht erfüllen.

Ich darf daran erinnern, dass unter dem Hashtag #ichbinarmutsbetroffen seit einiger Zeit zahlreiche Menschen ihre Scham überwunden haben und damit an die Öffentlichkeit getreten sind. Das ist aus meiner Sicht mutig. Denn in unserer Gesellschaft wird Armut gern verdrängt. Aber inzwischen sind nicht mehr nur Menschen mit geringem sondern zunehmend mit mittleren Einkommen betroffen und geraten in finanzielle Nöte. Und die Bevölkerung in Sachsen-Anhalt leidet überproportional von den steigenden Lebenshaltungskosten.

Zur Energiearmut konkret sehen wir als Linke schon lange erheblichen Handlungsbedarf. Denn aus unserer Sicht ist Energie genau wie z.B. Wasser Teil der Daseinsvorsorge.

An dieser Stelle möchte ich mal mit einem Mythos aufräumen. Denn es herrschen aus meiner Sicht sehr viele falsche Vorstellungen zum Beispiel darüber, dass die Stromkosten von ehemals Hartz-IV- heute Bürgergeldempfänger*innen komplett vom Staat übernommen werden. Das ist schlichtweg falsch. Schon lange muss ein Teil der Stromkosten selbst von ihrem dürftigen Grundbetrag bezahlt werden und viele Betroffene mussten dafür Darlehen aufnehmen. Also häufen sie weiter Schulden an. Und beim jetzt eingeführten Bürgergeld decken die angesetzten Stromkosten den tatsächlichen Bedarf ebenfalls nicht ab. Am Beispiel einer alleinstehenden Person beträgt der Bedarf 641 Euro pro Jahr, angesetzt werden jedoch nur knapp 511 Euro.

Mit den seit zwei Jahren galoppierenden Energiepreisen verschärft sich die Situation weiter und weder die drei Entlastungspakete noch die Einführung des Bürgergeldes sowie die aktuellen Strom- und Gaspreisbremsen können dabei wirklich Abhilfe schaffen. So wurden bei den Einmalzahlungen zunächst ganze Bevölkerungsgruppen vergessen, sind aber insgesamt ungeeignet, das Problem steigender Preise für die Verbraucher*innen abzumildern. Aber auch die Preisdeckel für Strom und Gas entlasten nicht jene, die es am nötigsten haben. Der Deckel bei 80 Prozent des Verbrauchs von 2021 belastet im Gegenteil Menschen, die bisher schon wenig verbraucht haben. Dafür zahlen sie aber dann drauf. Und bei den Preisen, die gerade aufgerufen werden, drohen weitere Verschuldungen. Im Übrigen wird wahrscheinlich erst mit den Betriebskostenabrechnungen für das vergangene Jahr das Ausmaß der Kostensteigerungen deutlich und viele Menschen werden weitere Unterstützung brauchen, wenn sie ihre Rechnungen nicht bezahlen und aufgelaufene Schulden tilgen können, um Strom- und Heizsperren abzuwenden.

Deshalb schlagen wir mit unserem Antrag vor, einen landeseigenen Härtefallfonds von 10 Millionen Euro einzurichten. Mit diesem sollen Verbraucher*innen unterstützt werden, denen unverschuldet Energiesperren drohen oder bereits bestehen. Natürlich muss dem eine Einzelfallprüfung vorausgehen. Es geht aber eben darum, kurzfristig die Energieschulden zu bezahlen. Denn so gut das Angebot von Darlehen gemeint ist, es hilft diesen Menschen nicht weiter. Darüber hinaus ist die Beratung dieser Menschen im Bereich Energie aber eben auch im Zusammenhang mit den Schulden wichtig, um ihnen langfristig eine Perspektive und sichere Energieversorgung zu geben. Die Stärkung der entsprechenden Beratungsstellen und vor allem auch die enge Zusammenarbeit von Sozialbehörden, Jobcentern, Beratungsstellen und Energieversorgern sind entscheidende Bausteine zur Unterstützung Betroffener. Und ja, auch mir ist bekannt, dass vor allem kommunale Energieversorgungsunternehmen hier schon sehr viel tun. Aber neben der schon genannten Schamschwelle kommt hinzu, dass Verbraucher*innen im ländlichen Raum meist davon nicht profitieren können, weil es weder kommunale Versorgungsunternehmen noch leicht zugängliche Beratungsstrukturen gibt.

Und darüber hinaus fordern wir seit Jahren ein gesetzliches Verbot von Strom-, Heizungs- und Gassperren. Deshalb fordern wir hier die Landesregierung erneut auf, in diesem Sinn im Bund initiativ zu werden.

Die Praxis zeigt, dass ein Haushalt ohne Strom sogar eine Bedrohung für Leib und Leben ist: Immer wieder kommt es vor, dass Menschen bei Hausbränden sterben, weil sie Kerzen benutzen, um nicht im Dunkeln zu sitzen.

Für die Fraktion DIE LINKE ist die Versorgung mit Strom und Wärme eine Grundvoraussetzung für ein menschenwürdiges Leben und die Teilhabe der Bürger*innen am gesellschaftlichen Leben: Sie ist daher ein soziales Recht. 

Ich bitte um Zustimmung zu unserem Antrag.