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Thomas Lippmann zu TOP 5: Öffentlich vor privat - Die Krankenhauslandschaft Sachsen-Anhalts kurzfristig retten, langfristig sichern und zukunftsorientiert gestalten

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen,

was sich derzeit in der Krankenhauslandschaft in unserem Land abspielt, ist dramatisch. Seit Montag befinden sich die Beschäftigten in allen AMEOS-Krankenhäusern in Sachsen-Anhalt in einen unbefristeten Streik. Sie sehen keine andere Möglichkeit mehr, ihren Arbeitgeber zu Tarifverhandlungen und damit endlich zur Regelung ordentlicher Arbeitsbedingungen zu zwingen. Und genau dieser Konzern, der uns gerade ungeschminkt die Folgen fortschreitender Privatisierung vorführt, hätte fast das nächste Krankenhaus kaufen können. Damit wäre er dem Ziel einer Monopolstellung in der Krankenhausversorgung wieder einen Schritt nähergekommen.

AMEOS schadet dem Land Sachsen-Anhalt, schadet den betroffenen Landkreisen, erst recht den Patienten und vor allem den Beschäftigten. Sie stehen jetzt Tag für Tag auf der Straße statt im OP-Saal und kämpfen für ihre Rechte. Wir wissen, wie schwer eine solche Entscheidung für die Beschäftigten und die Gewerkschaft zu treffen ist und wir ahnen, welche persönlichen Herausforderungen mit einem solchen Tarifkampf verbunden sind. Aber diese Ansage an AMEOS ist bitter nötig. Wir haben den größten Respekt vor den Beschäftigten und wir hoffen, dass es jeden Tag mehr werden. Wir stehen fest an ihrer Seite und werden sie auch weiterhin solidarisch unterstützen.

Das am Ende das Burgenlandklinikum in letzter Minute doch nicht an AMEOS verkauft wurde, verdanken wir auch diesem Arbeitskampf der Beschäftigten. Sie haben vielen die Augen geöffnet, mit wem wir es hier zu tun haben. Solchen Konzernen dürfen sich nicht noch weiter in unserer Krankenhauslandschaft ausbreiten, sondern ihr Einfluss muss zurückgedrängt werden. Diese Lektion sollte jetzt auch die CDU gelernt haben. Die lautstarke Empörung über das Gebaren von AMEOS ist da immerhin ein Anfang. Sie ist aber kaum glaubhaft, wenn weiterhin nicht anders gehandelt wird. 

Mit dem Verkauf des Burgenlandklinikums an einen frei-gemeinnützigen Träger ist zwar vorerst das Schlimmste verhindert worden, es ändert aber nichts an unserer grundsätzlichen Kritik. Denn es bleibt eine Privatisierung. Die Landesregierung hätte sich von Beginn an konsequent engagieren müssen, um die Insolvenz und letztlich den Verkauf eines weiteren kommunalen Krankenhauses zu verhindern. Dass das Land hier den Landkreis im Regen stehen lässt und nicht alles unternommen hat, um das Burgenlandklinikum in öffentlicher Trägerschaft zu erhalten, ist glattes Staatsversagen. Eine Landesregierung, die kommunales Tafelsilber weiter vergeudet und die Sicherung der Gesundheitsversorgung aufs Spiel setzt, braucht unser Land nicht.

Und die Alternativen lagen auf dem Tisch. Die Übernahme durch die Uniklinik Halle wäre ein Weg gewesen. Er ist bewusst verhindert worden, denn ohne Unterstützung durch das Land konnte das Uniklinikum das Übernahmeangebot nicht stemmen. Am Ende mussten undurchsichtige Risikobewertungen herhalten, um den Rückzug der Uniklinik zu begründen. Oder der Vorschlag der Sozialministerin, einen Investitionsfond in Höhen von 700 Mio. Euro zu schaffen, um endlich in die Offensive zu kommen. Hier hätten auch Bürgschaften für offenen Forderungen der Gläubiger an das Burgenlandklinikum gesichert werden können. Das Geld wäre am Ende vermutlich nicht einmal geflossen und selbst wenn, wäre es nicht weg gewesen, denn das Klinikum ist ja weiter da – anders übrigens als die 46 Mio. Euro Zinsverlust im Pensionsfonds von 2018 – denn das Geld war dann einfach mal weg.

Doch alle Rettungspläne wurden vom Finanzminister verhindert. Aber nicht, weil für eine so wichtige Aufgabe kein Geld zu mobilisieren wäre, sondern weil er ein überzeugter Fan von Privatisierungen ist. Wie er denkt, konnten wir ja gestern großformatig nachlesen. 200 Mio. für die Nord-LB, die mussten sein, da hängen ja die Sparkassen dran, aber kommunale Krankenhäuser? Da soll die Sozialministerin erstmal ihre Krankenhausplanung überarbeiten und festlegen, was überhaupt erhalten werden soll und was nicht. Das ist nicht nur eine Demütigung für die Kabinettskollegin, es ist das Signal, dass die bisherige Politik ungebrochen fortgesetzt wird und das Land auch weiterhin seinen Investitionsverpflichtungen gegenüber den Krankenhäusern nicht nachkommt.

Die wesentlichen Gründe für die ganze Misere liegen in der systematisch herbeigeführten Finanznot der Kommunen und der Krankenhäuser. So wird immer wieder der Druck aufgebaut, um der Privatisierungen öffentlicher Einrichtungen Tür und Tor zu öffnen. Das Land hat über ganze Legislaturperioden hinweg seine Investitionsverpflichtungen gegenüber den Krankenhäusern nicht ansatzweise erfüllt. Und auch im nächsten Doppelhaushalt gibt es keine Aussicht, dass diese schlimmen Zustände irgendwie angepackt werden sollen – im Gegenteil! Die mickrigen Summen, die das Land den Krankenhäusern zubilligt, reichen nicht einmal aus, um wenigstens eine weitere Verschlechterung der Situation zu verhindern.

Die meisten Häuser stehen mit dem Rücken zur Wand. Und der Ministerpräsident und sein Finanzminister schauen tatenlos zu, wie alles weiter den Bach runtergeht. So ist absehbar, dass dem Burgenlandklinikum weitere kommunale Krankenhäuser in die Privatisierung folgen werden. Die Menschen in Sachsen-Anhalt sind aufgrund der Ereignisse zu Recht verunsichert, denn es geht hier um nicht weniger als um ihre Gesundheit!

Deshalb dürfen nach dem Burgenlandklinikum keine weiteren Privatisierungen mehr folgen. Es müssen kurz- und längerfristige Lösungen her, die sowohl aktuelle Notsituationen abfedern als auch langfristige, zukunftsorientierte Wege zu einer soliden Gesundheitsversorgung ebnen. Solche Lösungen sind möglich, wenn man es will und die Prioritäten anders setzt.

Die Privatisierung unserer Krankenhäuser in der Vergangenheit war ein Fehler, der korrigiert werden muss. Es ist kindisch, gegen diese Erkenntnis die alten Gruselgeschichten über die schlimmen Zustände im Staatssozialismus wieder ins Feld zu führen. Vom Ministerpräsidenten war das ja in den letzten Wochen wiederholt zu hören. Wer radikalen Kapitalisten wie AMEOS keine weiteren Kliniken überlassen will, wer sich die Rückführung privatisierter Krankenhäuser in öffentliche Hände auf die Fahne schreibt, der will angeblich zurück in die DDR. Das ist ein wirklich schwacher Versuch, von ihrem Versagen bei der Sicherung der Gesundheitsversorgung abzulenken.

Gesundheit ist keine Ware! Das ist keine sozialistische Kampfparole, das ist ein politisches Stopp-Zeichen in einem kapitalistischen Wirtschaftssystem, das in seinen Verteilungskämpfen immer Gewinner und Verlierer produziert. Bei der Gesundheit darf es aber keine Verlierer geben und deshalb dürfen hier eben auch keine privaten Gewinne erzielt werden. Denn um die Gewinne zu maximieren werden am Ende unrentable Einrichtungen oder ganz Häuser früher oder später abgestoßen. Dem leisten auch die Fehlanreize durch das DRG-System erheblichen Vorschub. Es ist derzeit nicht möglich, die wirtschaftlichen Interessen privater Krankenhausträger so zu beschränken, dass die Versorgungsinteressen der Patienten im Vordergrund stehen.

Deshalb ist ein Engagement der Landesregierung gegenüber dem Bund zur Korrektur der Krankenhausfinanzierung unabdingbar. Neben einer grundlegenden Überarbeitung des DRG-Systems ist zur Regulierung vor allem im privaten Bereich die Vorgabe von Spielregeln für den Betrieb von Krankenhäusern erforderlich. Die Beschäftigten müssen verpflichtend eine Bezahlung nach Tarif erhalten und die Ausschüttung von Gewinnen aus öffentlichen Zuwendungen und Mitteln der gesetzlichen Krankenversicherung muss verboten werden. Außerdem ist den meisten inzwischen klar, dass es neue Finanzierungsregelungen für Universitätsklinika geben muss. Hier kann die Kenia-Koalition zeigen, ob sie noch handlungsfähig ist und Zukunftsfragen in Angriff nimmt.

Die Krankenhauslandschaft in Sachsen-Anhalt ist in der Krise und der Staat muss seiner Verantwortung gerecht werden, denn der Markt kann und wird es nicht richten. Es wird immer deutlicher, dass wir mehr öffentliche und weniger private Krankenhäuser brauchen. Sonst können die Kommunen ihrem Sicherstellungsauftrag immer weniger gerecht werden und Planungsbemühungen des Landes laufen weiter ins Leere.

Im Übrigen, Herr Ministerpräsident, ist die Monopolstellung eines privaten Betreibers in ganzen Landkreisen das Gegenteil der von ihnen gern ins Feld geführten „Trägervielfalt“. Und die allseits geforderte „Spezialisierung“ findet gerade nicht im Wettbewerb privater Unternehmen statt, denn dort versucht jeder, ein möglichst großes Stück vom Kuchen abzubekommen. Wenn der Staat hier sinnvoll steuern will – und das ist aus unserer Sicht ohne Zweifel erforderlich – dann kann er es nur, wenn er auch das Steuer in die Hand nimmt und nicht weiterhin marktradikalen Fantasien hinterherläuft.

Wir haben unsere grundlegenden Vorschläge für eine Stabilisierung und Gesundung unserer Krankenhauslandschaft bereits auf den Tisch gelegt und machen das mit unserem Antrag heute erneut. Entscheidend sind deutliche Schritte zur Auflösung des Investitionsstaus, mit denen sofort – also im vorliegenden Doppelhaushalt – begonnen werden muss. Dafür haben wir in den Haushaltsberatungen bereits Anträge vorgelegt.

Wir sehen die Landesregierung in der Pflicht, jede weitere Privatisierung zu verhindern und private Krankenhäuser schrittweise wieder in öffentliche Trägerschaft zurückzuführen. Dafür müssen mittel- und längerfristig solide öffentliche Trägerstrukturen unter Beteiligung der Landkreise geschaffen werden. Mit der SALUS GmbH und dem Altmarkkreis Salzwedel gibt es dafür ja bereits ein gut funktionierendes Beispiel. Wir arbeiten hier intensiv an konkreten Vorschlägen, die wir im Sommer vorstellen werden. Außerdem muss die Krankenhausplanung so weiterentwickelt werden, dass sie als verbindliches Steuerinstrument notwendige Strukturveränderungen voranbringt.

Inzwischen sind wir mit unseren Forderungen offenbar auch nicht mehr allein. Eine nüchterne Analyse und klare Beschlüsse auf Parteitagen sind wichtig für ein politisches Umsteuern. Sie helfen aber nicht sehr weit, wenn Koalition und Regierung nicht in Gänze ihren Kurs ändern. In der akuten Situation unserer Krankenhäuser reicht auch kein Vertrösten auf kommende Wahlperioden. Die Privatisierer a la Bullerjahn, Richter und Haseloff sind dann verschwunden. Aber unsere kommunalen Krankenhäuser sind es dann möglicherweise auch. Deshalb fordern wir die Koalition auf, jetzt zu handeln und sich unsere Vorschläge zu eigen zu machen, bevor weiterer Schaden für das Land entsteht.