Diese Website verwendet Cookies. Warum wir Cookies einsetzen und wie Sie diese deaktivieren können, erfahren Sie unter Datenschutz.
Zum Hauptinhalt springen

Thomas Lippmann zu TOP 19: Weiterentwicklung der Eliteschulen des Sports in Magdeburg und Halle/Saale

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren,

die Aufgaben unserer allgemeinbildenden Schulen und die für ihre Erfüllung erforderlichen Rahmenbedingungen haben uns hier im hohen Haus aus meist wenig erfreulichen Gründen schon mehrfach beschäftigt – und sie werden uns sicher auch in den kommenden Monaten über den Sommer hinweg noch so einige angeregte Debatten bescheren.

Wegen des immer weiter um sich greifenden Mangels an pädagogischem Per-sonal macht in den letzten Monaten verstärkt das Wort von der notwendigen „Prioritätensetzung“ die Runde. Es ist dabei schnell klargeworden, dass sich da-runter die unterschiedlichsten Auffassungen verbergen können. Wir werden sicher noch mehrfach Gelegenheit bekommen, darüber zu streiten, was in Zei-ten des Mangels prioritär ist und was wegfallen muss.

Das Thema unseres heutigen Antrages sollte allerdings nicht zu diesen Streit-themen gehören. Es sollte geeignet sein, dass wir uns im Interesse der hier an-gesprochenen jungen Leistungsträger in unserem Land zügig zu einer gemein-samen und tragfähigen Position verständigen und zeitnah die notwendigen Entwicklungen einleiten.

Mit den Entscheidungen hier Parlament müssen wir für ein schulisches Angebot sorgen, das allen Schülerinnen und Schülern gute Möglichkeiten bietet, eine breite Allgemeinbildung zu erwerben, ihre individuellen Stärken zu entdecken und vielfältige Kompetenzen für die freie Gestaltung eines selbstbestimmten Lebens zu entwickeln. Dazu zählt nicht nur, bestehende Nachteile auszuglei-chen, sondern es kommt gleichermaßen darauf an, besondere Talente zu ent-decken und zu fördern. Das gilt natürlich für alle Schulen in allen Schulformen und muss auch jene erreichen, bei denen der „Knoten“ erst später „platzt“. Deshalb sind frühe Weichenstellungen im Schulsystem weiterhin kritisch zu sehen. Allerdings bedarf die Entwicklung vor allem von musischen und sportlichen Talenten wegen der herauszubildenden Motorik und Physis zum Erreichen von Spitzenleistungen einer intensiven Ausbildung schon von der Kindheit an.

Deshalb findet sich in unserem Land neben den „Regelschulen“ auch ein System von Spezialschulen. Diese verfügen überwiegend über langen Traditionen und haben ihre Wurzeln oft schon im DDR-Schulsystem. Die Förderung bezog und bezieht sich dabei vor allem auf Talente in den Bereichen Musik und Sport, aber auch in den Bereichen Mathematik/Naturwissenschaften, Sprachen und Kunst findet teils schon seit Jahrzehnten eine Förderung in Spezialschulen oder in Spezialklassen statt.

Vor allem in den Bereichen Sport und Musik ist es dabei geboten, für die her-anwachsenden Talente im Schulalter solche Rahmenbedingungen zu schaffen, dass neben der schulischen Ausbildung ein kontinuierliches und leistungsför-derndes Üben bzw. Trainieren ermöglicht wird. Dabei sollen Störungen im Lernprozess einerseits bzw. im Trainingsbetrieb andererseits weitgehend ver-mieden und vor allem die Schülerinnen und Schüler nicht überfordert werden.

Ich will an dieser Stelle erwähnen, dass es sich bei der Bezeichnung „Eliteschu-len des Sports“ um ein vom Deutschen Olympischen Sportbund vergebenes Prädikat handelt. Es wird für Schulen vergeben, die hinsichtlich ihrer Profilbil-dung in besonderer Weise Voraussetzungen für die eben genannten Rahmenbedingungen bieten – also schulische Ausbildung und intensives Training aufeinander abstimmen zu können.

In der Runde der unterschiedlichen Spezialschulen bedürfen die Sportschulen aus verschiedenen Gründen einer gesonderten Betrachtung und stärker spezifi-zierter Rahmenbedingungen, von denen ich die für unseren Antrag maßgeblichen kurz erläutern will:

Im Unterschied zu anderen Spezialschulen agiert an den Sportschulen ein zweiter großer Partner, der für die Gesamtentwicklung der jungen Leistungssportler in gleichem Maße Verantwortung trägt, wie die Schule. Das sind die Organisationen des Leistungssports, also der Landessportbund mit seiner Leistungssportabteilung und der Olympische Sportbund mit seinen Landesstützpunkten. Es sind aber vor allem die vielen Verbands- und Stützpunkttrainer, die täglich neben dem Schulunterricht für mehrere Stunden das Training der Sportlerinnen und Sportler leiten. Die Koordination des Schulbetriebes und der hohen zeitli-chen und physischen Anforderungen des leistungssportlichen Trainings stellt für die Schülerinnen und Schüler eine ebenso große Herausforderung dar, wie für die Schulleitungen, die Lehrkräfte und die Trainer. Hier sind spezielle, von den allgemeinen Regelungen abweichende Rahmenvorgaben erforderlich, um diese Koordination überhaupt zu ermöglichen und auch zu erleichtern. Die Sportschulen gegenüber den anderen Spezialschulen besonderes und mit durchaus weitreichenden Ausnahmen in den Blick zu nehmen, rechtfertig sich vor allem aus dem Umstand, dass sich im Bereich des Leistungssports mehr grundlegende Konflikte in der schulischen Entwicklung der Schülerinnen und Schüler ergeben können, als in anderen Bereichen. Künstlerisch-musische oder mathematisch-naturwissenschaftliche Talenten gehören erfahrungsgemäß ehr zu den leistungsstärkeren Schülern ihres Jahrgangs. Darauf weist u.a. auch der Umstand hin, dass es sich bei den Spezialschulen für diese Bereiche ausschließlich um Gymnasien handelt.

Bei den sportlich talentierten Schülerinnen und Schülern ist dagegen ein sehr viel breiteres schulisches Leistungsspektrum zu erkennen. So werden unter dem Label „Sportschulen“ an beiden Standorten sowohl ein Gymnasium als auch eine Sekundarschule organisiert. Organisatorisch wäre hier übrigens die Zusammenführung zu einer Gesamtschule sehr sinnvoll. Darüber hinaus nimmt aber auch der Trainings- und Wettkampfbetrieb im Bereich des Leistungssports in der Summe insgesamt größere Zeitbudgets der Schülerinnen und Schüler in Anspruch und greift insgesamt stärker in die schulischen Abläufe ein, als dies in den anderen Leistungsbereichen der Fall ist.

Letztlich ergibt sich ein signifikanter Unterschied zwischen den verschiedenen Leistungsbereichen in der Intensität der öffentlichen Aufmerksamkeit. Der Leis-tungssport und die von den Sportlerinnen und Sportlern erreichten Leistungen spielen in der öffentlichen Wahrnehmung und Diskussion – wie auch immer man das bewertet – eine bedeutende Rolle und sind daher vermehrt Gegen-stand politischer Debatten und letztlich auch Entscheidungen. Eine tatsächliche oder auch nur vermutete unzureichende Förderung sportlicher Nachwuchstalente führt im Zusammenhang mit ausbleibenden sportlichen Erfolgen deshalb fast naturgemäß zu Forderungen, die Rahmenbedingungen für leistungssportliche Entwicklung so zu verändern, dass die vorhandenen Potenziale besser ausgeschöpft werden.

Das ist auch in unserem Bundesland der Fall. So findet auf der Grundlage einer bereits im Sommer 2013 zwischen dem MI, MK und LSB geschlossenen Verein-barung seit diesem Schuljahr u.a. eine flächendeckende Sichtung und Erfassung sportlicher Talente in den 3. Klassen der Grundschulen (EMOTIKON) und eine anschließende intensive Ansprache durch die Vereine und Leistungszentren statt. Wir nehmen also als Gesellschaft die sportlich talentierten Kinder und Jugendlichen sehr zeitig und sehr intensiv in Anspruch in der Erwartung, mit ihren künftigen Erfolgen auch eine größere Reputation und Wertschätzung der Leistungsfähigkeit des Landes erreichen zu können. Wir sehen in ihnen Leistungsträger, Vorbilder und Aushängeschilder.

Das muss man nicht gut finden, denn mit den Chancen, die sich für junge Menschen durch eine erfolgreiche leistungssportliche Karriere möglicherweise ergeben, können eben auch Risiken für die körperliche, die schulische und die seelische Entwicklung der jungen Persönlichkeiten verbunden sein. Wir sehen deshalb eine Bringschuld der Gesellschaft gegenüber den jungen Nachwuchssportlerinnen und Nachwuchssportlern, diese Risiken soweit wie möglich zu vermeiden. Dies muss an ganz unterschiedlichen Stellen geschehen, zuerst natürlich in den Gremien des Leistungssports selbst. Was an den Sportschulen dazu beigetragen werden kann, zeigt unser Antrag konkret und detailliert auf.

Es ist abschließend darauf hinzuweisen, dass einige der weitreichenden Sonderregelungen für die Sportschulen nur dann zu rechtfertigen sind, wenn diese Schulen tatsächlich auch von Kindern und Jugendlichen mit einer erfolgver-sprechenden sportlichen Karriere besucht werden. Dafür muss mit dem Eintritt in den 7. Schuljahrgang Sorge getragen werden. Allerdings bedeutet in diesem Kontext die Anerkennung eines wechselseitigen Verhältnisses von Breitensport und Spitzensport, auch dem allgemeinen Schulsport deutlich größere Aufmerksamkeit zu schenken.

Sofern der derzeitige Status der Sportschulen als Schulen mit genehmigtem in-haltlichem Schwerpunkt in kommunaler Trägerschaft den beantragten Entwicklungen entgegenstehen sollte, wäre die Rücküberführung in die Trägerschaft des Landes – so wie bei den Landesschulen in Wernigerode, Schulpforte oder der Latina in Halle – zu prüfen.

Bereits im April 2015 hatten Vertreter der Kultusministerkonferenz, des DOSB und der Schulen auf dem 6. Bundeskongresses der Eliteschulen des Sports in Potsdam intensiv über die künftigen Anforderungen an die Eliteschulen des Sports in Kooperation von Bildungssystem und Spitzensport diskutiert und sich auf einen Prozess zur Weiterentwicklung der Eliteschulen des Sports verständigt. Das in Potsdam vor zwei Jahren diskutierte Anliegen wurde dann Ende August letzten Jahres vom Landesportbund und vom Olympiastützpunkt Sachsen-Anhalt in einer Beratung mit den sportpolitischen Sprechern der Fraktionen unter Vorlage ganz konkreter Vorstellungen vorgetragen. Die Beratung stand im Kontext einer Auswertung der Ergebnisse der Sommerolympiade in Rio mit einer erneut ernüchternden Bilanz für Sportlerinnen und Sportler aus Sachsen-Anhalt.

Ich hoffe daher auf eine konstruktive und zügige Beratung des Antrages und beantrage dafür die Überweisung federführend in den Ausschuss für Inneres und Sport und mitberatend in den Ausschuss für Bildung und Kultur.