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Swen Knöchel zu TOP 4: Wiederbelebung der Vermögenssteuer als Teil einer gerechten Steuerpolitik und als Beitrag zur nachhaltigen Konsolidierung des Landeshaushalts

Anrede,

Mitten in den Haushaltsberatungen stellt meine Fraktion einen Antrag, der sich mit der Vermögensteuer befasst. Einen Antrag, der auf eine Bundesratsinitiative unseres Bundeslandes abzielt, die seit 1997, auf Grund eines Urteils des Verfassungsgerichtes, ausgesetzte Vermögensteuer, wieder einzuführen.

Muss das sein? Höre ich den einen oder anderen fragen. Oder ich höre die Frage: Warum ausgerechnet jetzt?Die Antwort ist klar: Genau deshalb!

Genau deshalb, weil wir gerade in Haushaltsberatungen sitzen und ich immer wieder die Frage höre, wo soll das Geld herkommen um die Dinge zu finanzieren, die für die Entwicklung unseres Land so dringend nötig sind. Geld für Lehrer, Krankenhäuser oder Kindertagesstätten, Geld für Arbeitsmarktprogramme oder dringend benötigte Investitionen. Und genau in dieser Kein-Geld-da-Debatte will meine Fraktion darauf hinweisen, dass genügend Geld da ist, dass die behaupteten Sparzwänge keine Zwänge, sondern selbstgeschaffenes Elend sind. Selbstgeschaffenes Elend einer ganz großen Koalition aus CDU, SPD und Grünen.

Die Vermögensteuer wurde nicht per se als verfassungswidrig eingestuft, sondern ihre damalige Form der Veranlagung. Schon damals sollten Reichen Geschenke gemacht werden, war Vermögen nicht gleich Vermögen, deshalb hat das Verfassungsgericht im Jahr 1995 dem Gesetzgeber aufgegeben, das Vermögensteuergesetz so zu verändern, dass es dem Gleichheitsgrundsatz nicht mehr widerspricht. Die Vermögensteuer ist Teil eines steuerlichen Ausgleichssystems, das auf gerechte Lastenteilung einer Gesellschaft abzielt. Und genau dieser Verteilungsgerechtigkeit verweigern sich CDU, SPD und Grüne seit 22 Jahren eben diesem Gerechtigkeitsmoment. Die CDU, als Lobby der Reichen und Schönen hat daraus nie einen Hehl gemacht, dass sie der Auffassung ist: gerecht sei das was den Arbeitnehmern in die Tasche greift und den Superreichen schont. Bei SPD und Grünen liegen die Dinge nicht viel anders, aber sie haben Probleme das in ihrer Alltagsprosa zu verbrämen. Und gemeinsam haben Sie in den vergangenen 22 Jahren eine Umverteilung von unten nach oben organisiert, die in der Geschichte beispiellos ist.

Gelegentlich werfen Sie uns vor, wir wollten Umverteilung.

Abgesehen davon, dass ich darin den Vorwurf nicht erkenne, ist zu konstatieren, dass Sie einen Umverteilungsprozess organsiert haben, in dessen Ergebnis unverschämter Reichtum sowie sich verfestigende Armut in Deutschland steht. Die Ungleichheit hat stark zugenommen, der politische Wille das zurückzudrehen fehlt Ihnen aber allgesamt.

Sicher wird mir einer der nachfolgenden Rednerinnen den Gefallen tun und hier den Satz zelebrieren, nach dem Deutschland noch nie so hohe Steuereinnahmen habe wie heute. Ich bin mir sicher, dass ich diesen wohlgefälligen Satz hören werde, der genauso von mangelndem wirtschaftlichen Sachverstand zeugt, wie er falsch ist.

Richtig ist, noch nie war die Summe der Steuereinnahmen in Deutschland, in Sachsen-Anhalt nominal so hoch wie im vergangenen Jahr. Aber was ist hoch, Sie werden zugeben, dass das eine Frage der Perspektive ist und im Auge des Betrachters liegt. Betrachten wir den Anteil der Steuern am Bruttoinlandsprodukt, also die sogenannte Steuerquote, dann wissen wir vom Bundesminister der Finanzen, dass diese bei 22,6 Prozent liegt. 1980 lag sie bei 23,8 Prozent. Sie sehen, dass die Behauptung, noch nie seien die Steuereinnahmen so hoch wie heute nicht valide ist und allemal für Milchmädchendebatten taugt. Interessant zu wissen ist, dass die Steuerquote vor der neoliberalen Wende, also im Jahr 2000 bei 22,1 Prozent lag.

Richtig ist also, der Anteil der Steuereinnahmen am Gesamteinkommen unseres Landes ist relativ konstant und das ist der eigentliche Skandal, meine Damen und Herren.

Warum Skandal? Na betrachten wir doch mal die Steuerpolitik der vergangenen Jahre. Da wurde zunächst die Vermögensteuer seit 1990 nicht mehr erhoben. Weder die Regierung von SPD und Grünen, noch die Großen Berliner Koalitionen haben den Willen gehabt große Vermögen an der Finanzierung unseres Gemeinwesens zu beteiligen. Die Koalition von CDU und FDP schon gar nicht. Das war das erste Geschenk an die Reichen.

Dann kam die Steuerreform von SPD und Grünen. Erinnern Sie sich noch an die Debatte, ob die Nacht- und Schichtzuschläge für Krankenschwestern steuerfrei bleiben sollen? Ich erinnere mich. Weniger diskutiert wurde dann das Feuerwerk an Steuergeschenken an die Superreichen:

  • Absenkung des Spitzensteuersatzes auf 42 Prozent,
  • Senkung des Steuersatzes für Kapitalgesellschaften auf 15 Prozent, Beschränkung der Einkommensteuer für Anteilseigner durch das sogenannte Halbeinkünfteverfahren und
  • Umwandlung der Kapitalertragsteuer in eine Abgeltungsteuer, die den Steuersatz für Kapitalerträge auf 25% begrenzte.

Und auch die Besteuerung großer Erbschaften wurde begünstigt, Reichtum soll in der Familie bleiben, so im Kern ihre Aussage.

Die Steuern wurden also für die Reichen und Superreichen kräftig gesenkt Aber die Steuerquote blieb nahezu konstant, sie stieg sogar leicht. Was nichts Anderes heißt, als das irgendwer die schwarz-rot-grünen Steuergeschenke bezahlen musste.

Und da war man sich schnell einig. Man griff allen Bürgern mit einer Mehrwertsteuererhebung in die Tasche sie beträgt heute 19 Prozent. Die Mehrwertsteuer wird von allen Konsumenten gezahlt, sie trifft die Armen proportional stärker als die Reichen. Man muss also konstatieren, sie haben den Reichen und Superreichen Steuern erlassen und den Armen zur Finanzierung in die Tasche gegriffen. Nicht wirklich angegangen wurde die kalte Steuerprogression, die trifft ja vor allem Normalverdiener, trifft diejenigen, die für ihr Geld täglich hart arbeiten müssen. Denen haben Sie das Lied vom Sparen, das Lied von der schwarzen Null vorgesungen.

Die Steuerpolitik des Bundes hat Ungleichheit gefördert, CDU, SPD und Grüne haben damit Armut gefördert. Wenn wir heute fordern, dass das Land Sachsen-Anhalt aktiv wird, dann hat das was mit der Herstellung von Gerechtigkeit zu tun, wir wollen das Land wieder vom Kopf auf die Füße stellen. Und wenn wir von Steuerquoten reden, möchte ich nicht unerwähnt lassen, dass im Land der statistischen Lebensqualität und Zufriedenheit – also in Dänemark die Steuerquote bei 50,8 Prozent liegt. Die von Belgien liegt bei 30,6 Prozent und selbst die Griechenlands bei immerhin 25,5 Prozent. Ich erwähne das, um klar zu machen, dass Wohlstand einer Gesellschaft nicht an der Steuerhöhe hängt, sondern an ihrer Fähigkeit zur sozialen Sicherheit.

Und wenn ich höre, dass uns der Eine oder Andere vorwirft, Neiddebatten zu führen oder gar umverteilen zu wollen, machen Sie sich bitte klar, in diesem Land wurde seit 22 Jahren umverteilt und zwar von unten nach oben.

In trauter Einigkeit wurde den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in die Tasche gegriffen, selbst die Ärmsten nicht geschont. Erinnert sei hier an die Agenda 2010, die Sozialleistungen gekürzt, Leiharbeit möglich machte und einen Niedriglohnsektor etablierte. Das Rentenalter wurde raufgesetzt, das Rentenniveau gekürzt. Öffentliche Leistungen wurden gekürzt, auch in Sachsen-Anhalt, Stichwort Blindengeld. Öffentliche Daseinsvorsorge wurde zurückgefahren, der Staat beschränkte sich zulasten der Bürgerinnen und Bürger, die auf ihn angewiesen sind. So richtig ins Füllhorn griff man, wieder in trauter Einigkeit, als es galt bei der Immobilien- und Finanzmarktkrise die Banken und die großen Vermögen zu retten. Zu keiner Zeit stieg die Staatsverschuldung stärker als damals. Und schon das rechtfertigt, sie heute mit einer Vermögensteuer an der Abzahlung dieser Schuld zu beteiligen.

Ungeniert wurde in diesem Land umverteilt, ungeniert. Ich möchte an die Forschungsergebnisse von Cristoph Butterwegge anknüpfen, der feststellte: Nach Daten des Statistischen Bundesamts verfügen die obersten zehn Prozent der Haushalte über 51,9 Prozent des Nettovermögens - die untere Hälfte nur über ein Prozent. Diese jüngsten Zahlen zeigen den Stand von 2013. 1998 hatten die reichsten zehn Prozent nur 45,1 Prozent, die unteren 50 Prozent 2,9 Prozent des Vermögens.

20,2 Prozent der Bevölkerung haben kein Vermögen, 7,4 Prozent sogar mehr Schulden als Vermögen. 20 Millionen Menschen in unserem reichen Land leben also von der Hand in den Mund. Sie sind – wenn man so will – nur eine Kündigung oder eine schwere Krankheit von der Armut entfernt. Das Thema „Armut“ und die Frage, wie sie bekämpft werden kann, genießen unter der Berliner Koalition keinen großen Stellenwert.

"Bei uns ist die Kluft ganz tief", rechnet Butterwegge vor: "Die fünf reichsten Deutschen verfügen über 101 Milliarden Euro. Das ist so viel wie die ärmsten 40 Prozent zusammen haben."

Seit 2001 haben die bisherigen Armuts- und Reichtumsberichte statistische Daten geliefert. „Es fehlt nicht an Daten, sondern an Taten“, so Butterwegges Fazit.

Es bestehe die Neigung, die erkennbare soziale Spaltung der Gesellschaft zu negieren oder zu verharmlosen. Wer von absoluter Armut betroffen sei, der könne seine Grundbedürfnisse nach Wohnung, Essen und Arbeit nicht befriedigen. Jedoch sei in Deutschland die relative Armut eine ebenso relevante Tatsache: dass zwar durch das Einkommen die Grundbedürfnisse gesichert seien, aber die Teilhabe an gesellschaftlich relevanten Bereichen wie Mobilität, Kultur und Bildung nicht möglich sei. Häufig werden eher die Armen und weniger die Armut bekämpft, während man die Reichen hofiert, weil sie auch politisch einflussreich sind. Ein Beispiel: Das reichste Geschwisterpaar unseres Landes, die Konzernerben Stefan Quandt und Susanne Klatten, haben im Mai des vergangenen Jahres 994,7 Millionen Euro an Dividende nur aus BMW-Aktien bezogen. Das vergleichen Sie mal mit dem Geldbetrag, den Hartz-IV-Empfänger bekommen. Tiefer kann die Kluft zwischen Arm und Reich nicht ausfallen.

Den Begriff „Politikverdrossenheit“ halte ich für ebenso irreführend wie den der Wahlmüdigkeit. Beide suchen Nichtwählern selbst die Schuld in die Schuhe zu schieben, obwohl sie aufgrund ihrer sozialen Misere häufig zu Recht das Gefühl haben, von den etablierten Parteien nicht mehr vertreten zu werden. Während die Wahlbeteiligung in Nobelvierteln deutscher Großstädte noch immer bei 80 bis 90 Prozent liegt, erreicht sie in sogenannten Brennpunktvierteln teilweise kaum noch 40 Prozent. Insofern handelt es sich hierbei um eine Krise der politischen Repräsentation. Wenn ein wachsender Teil der Bevölkerung sozial abgehängt und ausgegrenzt wird, gerät die Demokratie in Gefahr.

Deshalb schlagen wir Ihnen vor, dass Sachsen-Anhalt aktiv wird, die Wiedereinführung der Vermögensteuer im Bundesrat einfordert. Uns ist bewußt, dass Sachsen-Anhalt nicht das Paradies der Millionäre ist. Die Einkommenstatistik wies 64 Einkommensmillionäre für unser Land aus. Sachsen-Anhalt hat ein Armutsproblem, aber gerade deshalb müssen wir einfordern, dass in Gesamtdeutschland die Einnahmen erhoben werden die notwendig sind. Auch Sachsen-Anhalt würde davon profitieren. Wir stellen den Antrag auch deshalb, weil die Voraussetzungen so gut wie nie waren. Laut ihren Lippenbekenntnissen wollen auch SPD und Grüne die Vermögensteuer, mal mehr mal weniger.

Es existiert grundsätzlich eine Mehrheit in Bundestag und Bundesrat für ihre Widereinführung. Das sie nicht kommt liegt also am fehlenden politischen Willen. Ja, der Wille der CDU, als Vertreter der Reichen und Schönen ist bekannt. Aber wie ist es mit Ihnen liebe SPD, liebe Grüne? Wie ernst ist es Ihnen?