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Stefan Gebhardt zu TOP 6: Regierungserklärung des Staats- und Kulturministers zum Thema: "SOS - Kultur; Kulturland Sachsen-Anhalt nachhaltig und zukunftsfähig trotz Corona

Sehr geehrte Damen und Herren,

die Lage der Kunst- und Kulturschaffenden ist bundesweit und in Sachsen-Anhalt mehr als kritisch. Die Kulturbranche gehört zu den Branchen, die am meisten von der Epidemie und den Maßnahmen betroffen sind. Mit anderen Worten: Die Vielfalt der Kulturlandschaft ist bedroht und das auch im Kulturland Sachsen-Anhalt. Insbesondere die Soloselbständigen kämpfen um ihre berufliche Zukunft und damit um ihre Existenz
Und um es gleich direkt zu sagen: Nicht die Verordnungen und die Einschränkungen tragen die Schuld an der Situation. Denn für die Maßnahmen - auch für die Schließung von Einrichtungen - gab es Verständnis in der Kulturszene. Schuld ist aber die Bundes- und Landesregierung, wegen unterlassener Hilfeleistung!

Nachdem zu Beginn der Pandemie die dramatische Lage verharmlost wurde, entstanden zunächst auf Bundesebene und schließlich auch in Sachsen-Anhalt - ich würde mal sagen - nur sehr zaghafte Versuche, einer finanziellen Unterstützung der Kulturszene. Eine finanzielle Soforthilfe, die den Kunstschaffenden laut Minister Robra „unkompliziert und unbürokratisch“ angeboten werden sollte, wurde vom Land gewährt, die Höhe: 400,00 EURO.
 

Meine Damen und Herren,

das zählt eher zu den Peinlichkeiten, die wir in der letzten Zeit erleben durften. Nicht nur, dass 400 Euro ein Tropfen auf dem heißen Stein sind. Auch, dass sich am Ende herausgestellt hat, dass die Mitgliedschaft in der KSK eine Voraussetzung für die Beantragung der Mittel ist, zeugte von völliger Unkenntnis des Fachministeriums, wie die Kunst- und Kulturszene im Land aufgebaut ist.

Am Ende wurden gerade mal 360.000 €uro ausgegeben – im Vergleich mit Soforthilfeprogrammen anderer Bundesländer für Kunst- und Kulturschaffende ein sehr kläglicher Hilfesatz.
Immer begleitet wurden diese Szenarien mit dem Hinweis des Ministers, doch auf Grundsicherung/Hartz IV umzusteigen – Eine Frechheit und ein Schlag ins Gesicht der KünstlerInnen. Deutlicher kann man wohl seine Geringschätzung gegenüber KünstlerInnen nicht zum Ausdruck bringen. Denn Kunst- und Kulturschaffende werden damit zum Sozialfall.
Und auch wenn einige diese Möglichkeit wahrgenommen haben, dann mussten sie schmerzlich erfahren, dass die Jobcenter der vom Bund zugesagten vereinfachten Antragsstellung, in vielen Fällen nicht folgten.
Uns sind mehrere Fälle bekannt, wo Soforthilfezahlungen als Einnahmen angerechnet wurden, obwohl die Verfahrensvorschriften dies eigentlichen ausgeschlossen haben.
Auch an dieser Stelle hat der Kulturminister nicht gerade Fingerspitzengefühl, geschweige denn ein Herz für die betroffenen KünsterInnen gezeigt und auch hier entzog sich ihm wohl die reale Problematik, mit der die KünstlerInnen konfrontiert wurden:

O-Ton Robra mdr vom 12.10.20: „Es ist also wirklich eine völlig unkonditionierte Grundsicherung. Ich hätte mir gewünscht, dass diejenigen, denen das angeboten wird, mal über diesen Schatten springen und tatsächlich den Anspruch annehmen. Wer es nicht getan hat, da muss man sagen, der muss sich dann auch ein Stück weit an seine eigene Nase fassen. Wir wissen, dass es einige nicht in Anspruch genommen haben, weil ihre Existenz eben doch nicht so gefährdet ist wegen des berühmten Zweit-Jobs, den viele sowieso immer haben.“

Mehrfach sprach Minister Robra davon, dass er mit KünstlerInnen gesprochen hätte, die eine dreimonatige Pause mal ganz schön fänden, um in Ruhe zu arbeiten. Schon interessant, was Herr Robra so für Künstler kennt…, wir kennen solche Aussagen nicht.

Und auch in dem kürzlich erschienen Youtube-Video erklärt der Minister: „… die Arbeit geht weiter…“

Alles klar Herr Robra. Natürlich geht die Arbeit weiter. Für den einen als gut bezahlten Minister und für den anderen als vollzeitarbeitender Sozialhilfeempfänger. Ihre Aussagen, Herr Robra sind gewaltige Ohrfeigen für die Kunst- und Kulturszene im Land.

Sehr geehrte Damen und Herren,

im Juni dieses Jahres war dann doch auch dem Letzten klar: Es braucht ein eigenes Landesprogramm, um für das Kulturland den allergrößten Schaden abzuwenden.

So entstand das Programm mit dem merkwürdigen Namen „Kultur ans Netz“ mit Mitteln in Höhe von 6 Millionen Euro, davon sind jedoch lediglich 25% abgeflossen.

Der Grund für diese sehr schlechte Inanspruchnahme liegt auf der Hand:
neben den Rahmenbedingungen, die nicht der Arbeitsrealität der Kunst- und Kulturschaffenden entsprachen, gab es auch eine miserable Kommunikation.

Und das ganze Programm zielte eben nicht auf Unterstützung in der gegenwärtigen Situation.

So war die Förderung wieder an konkrete Konzepte für Projekte gebunden – damit hat auch dieses Programm nicht das eigentliche Problem der Kunstschaffenden aufgegriffen: die Begleichung ihrer Unterhaltskosten. Das leisten die Programme auf Bundesebene eben aber auch nicht. 
Dass die Künstler das Programm nicht wahrgenommen haben, zeigt deutlich, dass im Moment (in der Pandemie) keine Stipendienprogramme benötigt werden, sondern vielmehr echte Hilfsprogramme, die die Situation der Kunstschaffenden anerkennen

Und ich will noch mal betonen:
Die Kunst- und Kulturschaffenden haben die Maßnahmen von Anfang an mitgetragen, sie haben unter schwierigen Bedingungen und im Wissen um die wirtschaftlichen Risiken, die sie damit eingehen, im Sommer ihre Einrichtungen wieder geöffnet.

Trotzdem wurde ihnen mangelhafte Kooperation und fehlende Eigeninitiative vorgeworfen.

O-Ton Robra in mdr Sachsen-Anhalt am 12.10.20: Ich zitiere: „Am Anfang hatte ich den Eindruck, dass zum Beispiel die DEHOGA wesentlich mehr eigene Initiativen entfaltet hat, als zum Beispiel die Kunst- und Kulturlandschaft in Deutschland. Da war oft viel Gejammer und vergleichsweise wenig eigene Initiative, mal eine Konzeption zu entwickeln.“

Schämen sie sich Herr Minister! Diese Äußerung eines Kulturministers ist nicht nur bedauerlich, sie ist vor allem respektlos und schlicht weg falsch!

Denn in den Sommermonaten wurden Hygienekonzepte entwickelt und zwar unter wirtschaftlich desaströsen Bedingungen Kulturveranstaltungen durchgeführt, um eben einen kulturellen Beitrag zu leisten, und das im Wissen darum, dass man nichts groß verdienen wird und der Kühlschrank eben trotzdem leer bleibt.

Das ist die Realität! Die Landesregierung verwies in den letzten Tagen darauf, dass zunächst die Ausgestaltung der Bundeshilfen abgewartet werden müsse, um dann eigene Programme neu zu stricken.

Schaut man sich den aktuellen Stand der Bundesprogramme an, dann kann man wohl sagen, es kommt etwas – Was genau? Für wen genau? Wieviel genau? Wann genau? Das sind Fragen, die keiner in der Landesregierung beantworten kann:

Da fragt man sich, wie es den Betroffenen im Moment geht?
Wenn mit dem Neustarthilfeprogramm des Bundes insbesondere für Soloselbständige, die keine Fixkosten geltend machen können, Hilfeleistungen angedacht sind, ist das ein richtiger Schritt.

Denn diese Selbständigen in der Kultur- und Veranstaltungsbranche sind ganz besonders hart von den Beschränkungen betroffen und waren bisher von den Hilfen weitestgehend ausgeschlossen.

Es ist aber auch ein Programm, dessen Laufzeit von Dezember 2020 bis Juni 2021 geht, und ab dem 1. Januar 2021 gelten soll:

Ein Programm, bei dem die Anträge aufgrund der nötigen Programmierungen und Abstimmungen mit Ländern und EU-Kommission einige Wochen nach Programmstart im neuen Jahr gestellt werden können.

Ein Programm, das einmalig offiziell einen Betriebskostenzuschuss gewährt, der aber als Lebensunterhaltungskosten geltend gemacht werden kann.

Und ein Programm, dessen Höchstsatz bei 5.000 € liegt, aber nur dann, wenn man einen durchschnittlichen Monatsumsatz von 2.850 € im Jahr 2019 hatte.

Real haben soloselbständige KünstlerInnen im Land einen Jahresumsatz von ca. 12.000 € (laut Künstlersozialkasse).

Damit erhalten die KünstlerInnen über die Neustarthilfe des Bundes einen einmaligen Zuschuss von 1.458 € von Dezember bis Juni – das ergibt eine monatliche Fördersumme von 208 Euro. Das nenne ich bürokratischen Irrsinn! Und warum wirken die Hilfen nicht rückwirkend? Kann uns auch niemand logisch erklären!

Das alles mach eins deutlich: Man schaut nicht, was notwendig ist, man schaut nicht auf den Bedarf und die Realität, sondern man macht ein kompliziertes Verfahren auf, um offenbar möglichst wenig Geld auszureichen. Damit spart man dann zwar öffentliche Gelder, aber man spart sich dann auch künftig das, was das Leben lebenswert macht, das, was der Staatsminister Herr Robra eben noch als unverzichtbar bezeichnet hat.

Morgen wird im Tagesordnungspunkt 2 ein Antrag meiner Fraktion hier verhandelt, wo es um Unterstützung für die Kultur- und Veranstaltungsbranche geht. Und zwar um Hilfe aus Sachsen-Anhalt.
Es kann ja wohl nicht sein, dass wir alle nur auf den Bund warten und bis dahin hier im Kulturland LSA die Hände in den Schoß legen. Wer jetzt noch nicht verstanden hat, dass die Untätigkeit des Ministerpräsidenten, des Finanzministers und des Staats- und Kulturministers zu fatalen Folgen für unser Land führt, der sollte schnell munter werden.

Wenn wir die Dinge (was echte Unterstützung betrifft!) nicht als Landtag selbst in die Hand nehmen, machen wir uns mitschuldig. Wegen unterlassener Hilfeleistung! Und das wäre in der Tat eine Katastrophe!