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Soziale Gerechtigkeit für die Kleinsten – Reform des Kinderförderungsgesetzes in den Landtag eingebracht

In der heutigen Landtagsdebatte über die Änderung des Kinderförderungsgesetzes betont Nicole Anger, kinder- und jugendpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE:

„Immer wieder hören wir von der Landesregierung, dass Kinder und Jugendliche unsere Zukunft sind. Und ich sage Ihnen, sie sind nicht nur die Zukunft, sie sind auch das Jetzt! Und jetzt müssen wir alle Anstrengungen unternehmen, um ihnen die bestmöglichen Chancen für ein gutes Aufwachsen in Sachsen-Anhalt zukommen zu lassen. Damit kann man nicht früh genug anfangen - also ganz genau bei den Jüngsten!

Wir haben Ihnen heute unseren Gesetzesentwurf für die Kindertagesbetreuung vorgelegt. Dieser fokussiert auf folgende Schwerpunkte:

  1. die Elternbeiträge ab 2025 vollständig abzuschaffen,
  2. ein kostenloses Mittagessen für alle Kinder einzuführen,
  3. die Rückkehr zum 10-Stunden Betreuungsanspruch für alle Kinder sowie
  4. die Verbesserung des Personalschlüssels 

Dies alles wird verbunden mit einer grundlegenden Neuordnung des gesamten Finanzierungssystems. Dessen Ziel ist es, die bisher unkalkulierbaren Finanzrisiken aus dem sogenannten gemeindlichen Defizit bei den Gemeinden und damit auch bei den Eltern aufzulösen. Wir wollen Transparenz sowie Bürokratieabbau bei allen Beteiligten herstellen.

In den 215 Gemeinden des Landes Sachsen-Anhalt variieren die Elternbeiträge in der Kindertagesbetreuung stark. Bei den Elternbeiträgen erleben wir in den Gemeinden einen massiven Wildwuchs. Es ist abhängig vom Wohnort, wie viel ich für den Kita- oder Hortplatz meines Kindes zahle. So kostet ein zehnstündiger Krippenplatz in Magdeburg 150 Euro, in der Gemeinde Brücken-Hackpfüffel im Landkreis Mansfeld Südharz hingegen 356,70 Euro – also mehr als doppelt so viel. Ein zehnstündiger Platz im Kindergarten in Magdeburg kostet 80 Euro, in der Gemeinde Brücken-Hackpfüffel im Landkreis Mansfeld Südharz hingegen 255,64 Euro – also dreimal so viel.

Noch eklatanter ist der Unterschied bei der Hortbetreuung. In Barby im Salzlandkreis kostet ein sechsstündiger Hortplatz 28 Euro, in Eilsleben, Harbke, Völpke, Wefensleben, alle im Landkreis Börde, kostet der gleiche Hortplatz 178,88 Euro. Das ist mehr als das Sechsfache! Wir haben zwar seit geraumer Zeit die sogenannten Mehrkindregelung, die eine finanzielle Entlastung für die Eltern schaffen soll. Aber wenn ich so auf die aktuelle Entwicklung der Beiträge gucke, dann muss ich feststellen, dass sich diese in den Gemeinden mitunter massiv erhöht haben. Auffällig dabei sind die Erhöhungen im Bereich der Horte. Da kann ich zur Mehrkindregelung nur sagen, gut gemeint, ist nicht gleich gut gemacht! Denn wenn die Kosten, die Eltern beim zweiten Kind einsparen, jetzt beim ersten Kind durch Beitragserhöhungen aufsummiert werden, dann kommt die Entlastung nicht an!

Es sind keine gleichwertigen Lebensbedingungen im Land, wenn es vom Wohnort abhängig ist, was Familien für die Kindertagesbetreuung zahlen! Es muss möglich sein, dass in Sachsen-Anhalt ein Kitaplatz in Brücken-Hackpfüffel genau so viel kostet wie in Magdeburg. Oder besser noch, und das ist eine echte Entlastung der Eltern, wir machen uns auf den Weg zur beitragsfreien Kita! Und genau das ist einer der Punkte, den wir hier heute mit dem Gesetzesentwurf vorlegen. Die Inflation, welche der größte Preistreiber bei Lebensmitteln ist, sorgt für einen Preisanstieg beim Kitaessen. Mehr und mehr Familien können sich die Mittagsversorgung in der Kita schlichtweg nicht mehr leisten. Aber ein warmes Mittagessen darf nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängig sein.

Wenn ich auf die Anträge gucke, die dann nicht mehr eingehen, ob nun Ausnahme auf 10 Stunden, Überprüfung des Anspruches auf 10 Stunden oder auch der Antrag auf Übernahme der Mittagsverpflegung beim BuT - dann sehe ich vor allem Entlastung bei den Mitarbeitenden in der Verwaltung. Diese können dann andere Tätigkeiten übernehmen. Und auch das rechnet sich! Mit Blick auf die Jüngsten haben wir so gleichwertige Startbedingungen. Seit Jahren beklagen die pädagogischen Fachkräfte aber auch die Gewerkschaften, dass unsere Erzieher:innen überlastet sind. Fast zwei Drittel der Beschäftigten fühlen sich permanent an der Grenze der eigenen Belastbarkeit. Mehr als drei Viertel gehen davon aus, dass sie in ihren Berufen nicht das Rentenalter erreichen werden. Ursache hierfür sind insbesondere schlechte Rahmenbedingungen und eine starke Arbeitsverdichtung.

Der Personalschlüssel im Land Sachsen-Anhalt ist einer der schlechtesten bundesweit. Ein gut ausgebautes Netz der Kindertagesbetreuung, eine hohe Betreuungsquote allein machen noch keine ausreichende Kitaqualität. Erst wenn das Personal nicht mehr überlegt, den Job zu wechseln, sondern sich jeden Tag freut, in die Kita zu gehen - dann bekommen wir einen echten Qualitätsschub. Deswegen ist für uns zentral die Verbesserung der Arbeitsbedingungen, sprich des Personalschlüssels und damit die Steigerung der Attraktivität des Berufsbildes. Wir bilden mehr als 1.100 jedes Jahr aus! Von einem Fachkräftemangel kann an der Stelle keine Rede sein! Aber wir müssen sie für unsere Einrichtungen der Kindertagesbetreuung auch gewinnen und halten!

Für die Verbesserung der frühkindlichen Bildung sollen die Erzieher:innen Vor- und Nachbereitungszeiten erhalten. Nur so können sie den gestiegenen Anforderungen im Alltag und auch den Anforderungen des Bildungsprogramms gerecht werden. Ebenso müssen Ausfallzeiten aufgrund von Krankheiten, Urlaub oder Fort- und Weiterbildung vollständig berücksichtigt werden. Und wir möchten auch die Leiter:innenfreistellung klar regeln.

Die bisherige Finanzierungssystematik über die Kindpauschalen hat sich nicht bewährt. Die Gesamtkosten der Kinderbetreuung sind nicht bekannt und können in den Pauschalen auch nicht abgebildet werden. Die Gemeinden tragen ein unkalkulierbares finanzielles Risiko, in dessen Folge auch die Elternbeiträge steigen. Wir wollen mehr Transparenz in die Finanzierung bringen und die Kostenbelastung anders verteilen. Neben der Planung und den Verhandlungen über die LEQ-Vereinbarungen wird auch die Finanzierung bei den Landkreisen und kreisfreien Städten konzentriert. Damit liegt dann alles in einer Hand. Die finanzielle Beteiligung des Landes wird beibehalten. Diese wird aber als fester Anteil an den tatsächlichen Personalkosten des pädagogischen Personals ermittelt. Und damit künftig auch automatisch dynamisiert. Alle Regelungen zu den Kindpauschalen fallen dafür weg.

Die Gemeinden müssen das gemeindliche Defizit aus der Gesamtfinanzierung für ihre Kindertagesstätten nicht mehr selbst tragen. Sie bleiben aber über die Kreisumlage an der Finanzierung der Kinderförderung beteiligt. Die Umstellung des Finanzierungssystems ist eine entscheidende Voraussetzung, damit Umfang und Qualität der Kinderförderung nicht mehr von der finanziellen Leistungsfähigkeit der einzelnen Gemeinden und von den verschiedenen Trägern der Kindertagesstätten abhängen. Wir fordern gleichwertige Lebensbedingungen für ein gutes Aufwachsen in allen Gemeinden des Landes für jedes Kind. Deswegen lassen Sie uns heute gemeinsam einen wichtigen Schritt gehen für die Jüngsten im Land und ihre Familien.“

 

Magdeburg, 9. November 2023