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Kerstin Eisenreich zu TOP 26 a): Elektromobilität in Sachsen-Anhalt voranbringen

Die Elektromobilität ist in aller Munde, und auch wir bringen uns gerne in diese Diskussion ein. Aber wir setzen bei Elektromobilität in erster Linie auf die bereits vorhandene, nämlich die Schiene und den öffentlichen Verkehr.

Debatten über die Antriebssysteme Verbrennungsmotor versus Elektromotor beim Auto bringen uns doch keinen Schritt weiter. Die entscheidende Frage ist, wie Mobilität ohne Auto gelingen kann und attraktiver wird. Denn Elektroautos werden die Verkehrswende nicht bringen. Diese funktioniert nur, wenn wir unser Verhalten komplett ändern.

Doch die Realität ist, dass der Verkehr beim Pariser Klimaschutzabkommen ausgeklammert wurde. Der CO2-Ausstoß steigt weiter. Das hat mehrere Ursachen: Es werden immer mehr schwere SUV zugelassen. Emissionsangaben der Autohersteller sind erwiesenermaßen geschwindelt. Die Spritpreise sind im Keller und der Güterverkehr auf der Straße steigt. Er hat seit 1990 um 60 % zugenommen und verdrängt den Verkehr auf der Schiene.

An dieser Stelle muss als erster Schritt entschieden gegengesteuert werden, anstatt die Quadratur des Kreises zu versuchen: Den Autoverkehr grün zu machen ist ein Widerspruch in sich.

Tatsache ist auch, dass in Sachsen-Anhalt nicht einmal 300 Elektroautos zugelassen sind. Es gibt zu wenige Ladestationen, und die Anschaffungskosten sind so hoch, dass sich die Anschaffung nur Besserverdienende leisten können. Die stellen sich mit der Prämie einen Zweitwagen hin, ersetzen jedoch nicht ihr Fahrzeug mit Verbrennungsmotor. Und wenn man sich die Zahlen zu der im Juni beschlossenen Kaufprämie ansieht, kann einem von dem rasanten Tempo schon schwindlig werden. Bis 2019 sollen damit 300.000 Elektroautos auf die Straße gebracht werden. Doch nach einem halben Jahr sind gerade einmal 5700 Anträge, davon 3000 von Privatpersonen und 2700 von Unternehmen gestellt worden. Bei den Unternehmen handelt es sich meist um die Autohersteller selbst. Wenn das so weitergeht, werden zum Ende der Förderung gerade einmal 15 % der Gelder abgeflossen sein. Der Umweltbonus ist bisher ein echter Rohrkrepierer.

Wirkungsgrad, Lärm-, Klima- und Gesundheitsschutz und die Endlichkeit fossiler Brennstoffe sind schlagkräftige Argumente für Elektromobilität, aber nicht für das Elektroauto. Das ist nur eine Scheinlösung: Die Produktion der Batterien und Fahrzeuge sowie deren Entsorgung verbrauchen große Mengen Energie und Ressourcen und sind zum Teil erheblich umweltschädlich.

Durch Elektroautos erhöht sich die Verkehrssicherheit nicht. Und steht es sich im Elektroauto etwa schöner im Stau? Werden dadurch weniger Flächen für Straßen und Parkflächen verbraucht?

Norwegen als Vorzeigeland der automobilen Elektrowelt hat den Beweis erbracht, dass durch die Propagierung elektrischer Autos ÖPNV-Nutzer auf E-Autos umsteigen, zunehmend Zweitautos angeschafft und auch kürzeste Wege mit dem Auto erledigt werden, anstatt zu laufen oder das Fahrrad zu nehmen. Denn das Gewissen ist ja beruhigt. Dies läuft dem Ziel, Verkehr zu vermeiden, komplett entgegen.

Auch wenn durch den hohen Anteil erneuerbarer Energien in Sachsen-Anhalt Elektroautos in der Gesamt-CO2-bilanz besser dastehen. Wer die Steckdose am eigenen Haus propagiert, wird städteplanerisch einer autofreien Stadt oder Wohnviertel niemals eine Chance einräumen. Autos werden weiter unsere Innenstädte und Autobahnen verstopfen und die Städte zuparken.

Werfen wir doch endlich unseren Autofetischismus über Bord und stärken den öffentlichen Verkehr mit Bus und Bahn. Hier sind schon viele Menschen elektrisch unterwegs. Deshalb muss es das Ziel sein, die Bahn vollständig und nicht nur auf den Hauptstrecken zu elektrifizieren und die Angebote zu erweitern. Darüber hinaus muss der ÖPNV ausgebaut und auf elektrischen Betrieb umgestellt werden.

Für mehr Attraktivität sorgen moderate Ticketpreise statt einseitiger Belastungen und damit Benachteiligung für den Schienenverkehr durch die EEG-Umlage und stark steigende Infrastrukturkosten. Wir brauchen keine E-Autos auf Busspuren sondern Vorrang für Bus und Bahn im Straßenverkehr.

Weitere Verkehrsalternativen wie Fuß- und Radverkehr müssen gefördert und besser mit dem öffentlichen Verkehr verknüpft werden. Elektro- Fahrradverkehr und Elektro-CarSharing brauchen eine entsprechende Infrastruktur wie ausgebaute Radwege, Radschnellwege, sichere Abstellplätze und Ladestationen, die für die unterschiedlichsten Hersteller kompatibel sind. Statt Subventionen und Steuererleichterungen für Elektroautos und Dienstwagen müssen Zuschüsse für Job-Tickets steuerlich freigestellt werden. Und im Übrigen könnten mit den Steuermitteln für die Elektroauto-Prämie 150.000 Bahncards 100 unter die Leute gebracht werden.

Der Güterverkehr gehört auf die Schiene. Das entlastet zugleich die vom hohen Verkehrsaufkommen geschundenen Städte und Gemeinden, Straßen und Brücken im Land. Es würde viele Straßenbauprojekte hinfällig werden lassen.

Bei der Verkehrswende sollte die öffentliche Verwaltung Vorbild sein, angefangen bei den Ministerinnen und Ministern. Kleinere Fahrzeuge, mit Erdgas oder noch besser vollelektrisch wären schon mal ein richtiges Signal. Vielleicht kann ja hier der Verkehrsminister ein Zeichen setzen. Und reduzieren Sie die Fuhrparks in den Ministerien. Die Fahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln ist wesentlich entspannter, das kann ich Ihnen aus eigener Erfahrung sagen.

Wenn die Landesregierung den Bundesratsbeschluss Drucksache Nr. 387/16 vom 23. September 2016 zur Mitteilung der EU-Kommission ernst nimmt, müsste sie die vollständige Elektrifizierung des ÖPNV im Land vorantreiben. Das unterstützen wir sofort.

Doch selbst der aktuelle Haushaltsplanentwurf konnte von den Grünen noch nicht richtig „elektrifiziert“ werden: Das Verkehrsministerium hatte größte Schwierigkeiten beim Erstellen von EFRE-Richtlinien für die Förderung nachhaltiger Mobilität. Dafür gab es sogar ein Sperrvermerk im Haushalt. In Anbetracht der hohen Anschaffungskosten von Elektrobussen ist aber eine umfassende öffentliche Förderung notwendig, weil die aktuellen Differenzkosten für die Sachsen-Anhalter Verkehrsunternehmen wirtschaftlich nicht tragbar sind. Darauf verweist auch der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen in seinem aktuellen Informationsbrief, der gestern in den Postfächern vieler Abgeordnete gelegen hat. Hier muss mehr Landesgeld her, damit diese Wirtschaftlichkeitslücke geschlossen wird

Nach unserer Auffassung sollte Sachsen-Anhalt beim Vorantreiben der Elektromobilität vor allem bei der Sanierung und dem Ausbau des elektrischen Schienenverkehrs und bei der Förderung von Elektrobussen aktiv werden. Dem ÖPNV ist konsequent der Vorrang zu geben. Dazu ist es erforderlich, Verkehrsinvestitionen radikal umzuschichten, die Angebote von Bus und Bahn sowie für Elektromobilität vor allem für Fahrräder müssen verbessert und attraktiver werden. Auch der Fuß- und Fahrradverkehr sind Teil dieser Verkehrswende und müssen viel stärker gefördert werden. Leute, raus aus den PKW und Güter runter von den LKW. Vergessen wir das Auto als Statussymbol und brüsten uns lieber mit einer 100-Prozent-Flatrate für den öffentlichen Verkehr. Lassen Sie uns nicht nur über E-Mobilität reden, sondern über Mobilität insgesamt diskutieren und vor allem endlich sinnvoll und nachhaltig handeln. Auf diesen Zug sollten alle interessierten Fraktionen aufspringen. Dann klappt es auch mit der Verkehrswende.