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Henriette Quade zu TOP 7: Auf dem linken Auge blind

Anrede,

wir erleben heute wieder eine Debatte, deren Grundlage – der Antrag der AfD – keinem Faktencheck standhält. Nicht nur, dass die Situation in Salzwedel sehr selektiv geschildert wird. Nein, nun behaupten die Rechten auch noch, der Innenminister würde eine angebliche linke Gefahr für die Gesellschaft bagatellisieren. Vermutlich soll der Minister jetzt auch schon ein verkappter 68er sein.

Die Zielstellung des Antrages ist gerade angesichts der fehlenden Faktenbasis mehr als offensichtlich. Er ist sozusagen der Klassiker der AfD-Öffentlichkeitsarbeit: Alarm schlagen, Feinde bestimmen und einschüchtern, Schlagworte setzen und ablenken.

Abgelenkt werden soll davon, dass es die AfD ist, die regelmäßig rassistische Gewalt als vermeintliche „Notwehr“ umdeklariert, oder rechte Gewalt als sogenannten ‚asylkritischen Flashmob’ legitimiert, dass es die AfD ist, die verurteilte Gewalttäter in ihren Reihen duldet und dass es die AfD ist, die nicht nur ehemalige rechtsextreme Kader beschäftigt, sondern selbst im Zentrum neonazistischer Organisierung in Sachsen-Anhalt steht. Wie zuletzt in Querfurt zu beobachten, wo am 1. Mai ehemalige NPD- und DIE RECHTE-Funktionäre in der ersten Reihe der AfD-Demo willkommen waren – und das nicht nur einen Moment, einen zufälligen Schnappschuss lang, wie die AfD wieder behaupten wird –, wo Morddrohungen gegen Journalisten ausgesprochen wurden und Abgeordnete dieses Haus mittendrin statt nur dabei waren. Das ist aber auch zu sehen in Salzwedel, dort wo die AfD nun Ansätze linker, radikaler Terrorstrukturen ausgemacht haben will.

Richtig ist: es gibt in Salzwedel ein linkes autonomes Zentrum. Richtig ist auch: es gibt eine Reihe von Sachbeschädigungen, die einen politisch linken Hintergrund haben könnten und richtig ist auch, dass Sachbeschädigungen und zerstörte Fensterscheiben in Wahlkreisbüros kein Mittel der politischen Auseinandersetzung sein dürfen. Anders als von der AfD behauptet, sagt das aber auch niemand in diesem Hause. Fraglich ist nicht, ob sich alle Fraktionen hier im Hause von Angriffen auf Wahlkreisbüros distanzieren.

Fraglich ist, ob alle Ereignisse, die die AfD hier ins Feld führt, tatsächlich zu jenen Schlüssen führen, welche die AfD zieht. Zum einen, weil in den meisten Fällen Ermittlungsergebnisse schlicht noch nicht vorliegen und so zwar Mutmaßungen zu Täterschaft etc. möglich sind, aber eben auch Mutmaßungen bleiben müssen, was die AfD anders darstellt. Zum anderen, sind die Schlüsse der AfD auch deswegen fraglich, weil sie nicht nur in Bezug auf Geflüchtete mit politischen Lügen arbeitet, sondern auch in Fällen angeblichen linken Terrors.

Prominentes und aktuelles Beispiel ist der AfD-Bundestagsabgeordnete Anton Friesen, der aus lockeren Radmuttern an seinem Auto eine „neue Dimension linksextremistischer Gewalt“ machte. Dort – wie in ihrem Antrag hier – ist es die politische Agenda der AfD, nahezu allen die gegen sie stehen, Linksextremismus und Kriminalität zu unterstellen. Was blieb von der ‚neuen Dimension linksextremistischer Gewalt‘ die Herr Friesen heraufbeschwor? Staatsanwaltschaft und Polizei gehen davon aus, dass Herr Friesen Ersatzteile verbauen lies, die nicht dem Originalzustand des Fahrzeugs entsprachen und sich selbst lösen konnten. So viel zur Zielstellung Alarm schlagen und Schlagworte setzen.

Das Autonome Zentrum Kim Hubert ist mehrfach Ziel von mutmaßlich rechts-motivierten Attacken geworden. Erst vor wenigen Wochen gab es einen Überfall durch eine bewaffnete Gruppe auf das Zentrum, einen Überfall, der offensichtlich gut organisiert und choreografiert war, ein Überfall bei dem die Menschen im Haus mit Pfefferspray attackiert wurden und die Angreifer ihren Rückzug mit einer Rauchbombe sicherten. Was die Rechtsextremen hier im Haus in ihrem Antrag nun einen „linksradikalen Mob“ und eine „neue Eskalationsstufe“, gar „politischen Terror“ nennen, das kennt das Versammlungsgesetz Sachsen-Anhalts als Spontanversammlung.

Anlass für die Kundgebungen war eine Reihe von Angriffen auf das AZ und einzelne Personen; auf Menschen die Refugees-Welcome-Beutel trugen, die alternativ aussehen, politisch aktiv sind, auf Menschen mit nicht-weißer Hautfarbe – – also auf Menschen, die AfD und neonazistische Gruppierungen als Feinde markieren. Und die sie „beseitigen“ wollen – wir erinnern uns an die Worte von Herrn Poggenburg hier im Hause. Die Kundgebung gegen rechte Gewalt in Salzwedel, welche die AfD hier nun skandalisieren will, wurde von einem stadtbekannten Rechten angriffen, indem er mit seinem Auto auf die Menschengruppe zu fuhr und eine Person mitschleifte. Die AfD will hier über einen „linksradikalen Mob“ sprechen und das will sie sicherlich auch, um von ihrem Kreisverband vor Ort, über dort involvierte Neonazis und ihre Rolle in Salzwedel abzulenken. Sie sind aber Teil der Realität von politisch motivierter Gewalt und ihren Ursachen in Salzwedel.

Der Vorwurf der Bagatellisierung von linker Militanz an den Innenminister ist eigentlich zu lächerlich. Wenn wir aber ernsthaft über das Agieren des Innenministeriums und der Polizei reden wollen, dann darüber, dass Personen die von Neonazis angegriffen wurden, sich nicht ernstgenommen fühlen und dass es verständlich ist, dass Betroffene rechter Gewalt kein Vertrauen in eine Polizei haben, die angesichts der Ereignisse in Salzwedel keine Organisierung rechter Gewalt erkennen will.

Der Antrag der AfD will die Menschen, die das Autonome Zentrum Kim Hubert als Freiraum und als vor Nazis geschützten Raum begreifen, nicht nur als linksextrem und kriminell diffamieren, er ist auch ein Instrument der Feindbestimmung. Dem entgegnen wir ganz klar: wir stehen solidarisch an der Seite jener, die die AfD zum Feind erklärt. In Salzwedel und überall.