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Henriette Quade zu TOP 6: Gesetzentwurf zur Änderung des Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung

Anrede,

es ist übersichtlich was mit diesem Gesetzesentwurf passieren wird, er wird in den Innenausschuss überwiesen, wo wir uns zu den einzelnen Regelungen konkret und intensiver verständigen können. Um das vorweg zu nehmen- meine Fraktion wird der Überweisung natürlich zustimmen, schon um die aus unserer Sicht kritischen Punkte näher beleuchten zu können.

Der entscheidende Punkt der beabsichtigten Neuregelung kommt auf dem Papier etwas undurchsichtig daher und verbirgt sich hinter Begriffen wie „Weiterentwicklung des Instrumentes des Aufenthaltsverbotes“ oder „Handlungsstörer“, ist aber im Kern ein einfach zu benennender: die elektronische Fußfessel für sogenannte Gefährder.

Schon da fängt es an - was genau ein Gefährder ist, ist nicht per Legaldefinition geklärt. Es ist ein Arbeitsbegriff der Polizei, der immer wieder bemüht wird, jedoch im Wesentlichen unbestimmt ist. Damit ist auch der von der geplanten Regelung hier in Sachsen-Anhalt betroffenen Personenkreis schlichtweg unbestimmt. Das ist mit Blick auf die weitreichenden Konsequenzen, die die Anordnung eines Aufenthaltsverbotes oder gar die Fußfessel haben, ein erhebliches Problem.

Und zwar ein ganz grundsätzliches. Es spiegelt eine prinzipielle Tendenz im Bereich der Sicherheitsgesetze, Kompetenzen auszudehnen, Maßnahmen möglich zu machen, aber nicht klar zu definieren, unter welchen Bedingungen eigentlich. Bestimmtheit und Verhältnismäßigkeit sind die rechtsdogmatischen Kategorien dafür, daran krankt auch dieser Entwurf, genauso an der dritten großen Kategorie, nämlich der Geeignetheit.

Der von Ihnen im Gesetz vorgeschlagene Weg der elektronischen Aufenthaltsermittlung mittels Fußfessel wird objektiv kein Mehr an Sicherheit bringen. Im Gegenteil, er gaukelt den Menschen nur Sicherheit vor. Und die Debatten sind ja immer wieder die gleichen: Es ereignet sich ein Terroranschlag- neue und mehr Befugnisse sollen die Antwort sein. Ich sage Ihnen ganz deutlich: Wer nach Terrortaten reflexartig immer wieder neue Eingriffsbefugnisse der Sicherheitsbehörden fordert, höhlt die Grundrechte der Menschen aus. Vor allem aber: Er erweist sich als unfähig, die vorhandenen Eingriffsbefugnisse sinnvoll, umfänglich und koordiniert zu nutzen (s. Causa Amri).

Für uns als LINKE ist klar: Ängste müssen ernst genommen werden, Gefahren erkannt und auch gebannt werden. Aber Sicherheitsversprechen, die eine geplante Maßnahme gar nicht erfüllen kann, braucht nun wirklich niemand. Wenn eine Maßnahme so objektiv ungeeignet ist, eine Gefahr tatsächlich zu verkleinern, dafür aber erhebliche Grundrechtseingriffe für einen nicht näher zu bestimmenden Personenkreis mit sich bringt, dann ist sie mit uns nicht zu machen.

Wir lehnen daher den geplanten Einsatz von Fußfesseln zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten im Hinblick auf terroristische Straftaten prinzipiell ab. Die elektronische Fußfessel ist ein praxisuntaugliches und unverhältnismäßiges Mittel, deren Anwendung auf bloßen Verdacht hin ein eklatanter Bruch mit dem Grundsatz der gesetzlichen Unschuldsvermutung und damit der Rechtsstaatlichkeit dar.

Im Fall der vorbeugenden Bekämpfung von terroristischen Straftaten, bei den sogenannten Gefährdern, handelt es sich um Menschen, gegen die nichts weiter vorliegt als der bloße Verdacht, sie könnten in Zukunft vielleicht ein Verbrechen begehen. Auf der Basis unzuverlässiger Prognosen darf es keine freiheitseinschränkenden Maßnahmen geben. Denn es ist ja eben gerade nicht so, dass Polizei und Sicherheitsbehörden, wenn sie konkrete Erkenntnisse haben, dass jemand z.B. einen Anschlag plant, nichts tun könnten. Die Frage ist ja eher, ob die vorliegenden Erkenntnisse zum Handeln führen.

Wir haben zudem erhebliche Zweifel an der Geeignetheit der geplanten Maßnahme. Keine Fußfessel der Welt und auch keine Meldeauflage verhindert effektiv einen Terroranschlag, eine Straftat oder auch nur das Untertauchen. Wir teilen hierbei die Auffassung des Landesbeauftragten für den Datenschutz Sachsen-Anhalt, der sich im schriftlichen Anhörungsverfahren folgendermaßen geäußert hat: „Weil die Aufenthaltsanordnungen an die Lebensführung der betroffenen Person keine unzumutbaren Anforderungen stellen und die Wahrnehmung berechtigter Interessen nicht unmöglich machen darf, kann die betroffene Person weiterhin potentiell gefährdete Orte aufsuchen.“ Die neuen Befugnisse sind somit kein geeignetes und probates Mittel zur Begegnung einer terroristischen Gefahr, sondern bloße Symbolpolitik.

Die Maßnahme ist also rechtlich mehr als fragwürdig, grundrechtsgefährdend und praktisch in Bezug auf Sicherheit wirkungslos. Daran ändert auch eine Beschränkung auf 3 Jahre Erprobungszeitraum nichts. Wir haben es mit einem Placebo mit erheblichen Nebenwirkungen für Einzelne und die Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit insgesamt zu tun. Meine Fraktion wird sich nicht daran beteiligen, dem Rechtsstaat Fußfesseln anzulegen.