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Henriette Quade zu TOP 28: Bericht über den Stand zur Beratung zum Antrag "Bleiberecht für Opfer rechter Straftaten"

Anrede,

als ich im Januar 2017 den Antrag Bleiberecht für Opfer rechter Gewalt hier einbrachte, ging es uns um einen kleinen Schritt von symbolischer und von konkreter Wirkung. Dass er notwendig ist, liegt auf der Hand. Denn auch wenn Enquetekommissionen, aktuelle Debatten und politische Erzählungen etwas anderes behaupten:

Rechtsmotivierte Gewalttaten haben in Deutschland Kontinuität. Und genauso kontinuierlich haben wir es mit Ignoranz und Relativierung zu tun und mit Betroffenen, die neben der Gewalterfahrung, neben den körperlichen und psychischen Folgen, neben der Erfahrung sich rechtfertigen zu müssen warum sie zum Betroffenen rechter Gewalt wurden, auch die Erfahrung machen müssen, dass die Täter ihr Ziel mittelbar doch erreichen. Denn um nichts anderes geht es. Rechte Gewalt gegen Geflüchtete und Migrantinnen und Migranten soll weh tun, sie soll verletzen, sie soll oft auch töten, sie soll aber vor allem die Botschaft senden: Ihr seid hier nicht willkommen, ihr habt ihr keine Rechte, ihr müsst hier weg. Wenn Betroffene rassistischer Gewalt genau dieses „Wegmüssen“ durch den Staat erfahren, indem sie abgeschoben werden, dann ist ein wichtiges Ziel der Täter erreicht. Und genau das wollen wir nicht.

Nach wie vor machen rassistisch motivierte Gewalttaten den größten Teil rechtsmotivierter Gewalt aus. Sie richten sich gegen alle Menschen, die als nichtdeutsch wahrgenommen werden.Täter unterschieden nicht nach Asylbewerber oder Flüchtling oder sichere oder unsichere Bleibeperspektive. Die Behauptung, wenn die ohne gute Bleibeperspektive schnell abgeschoben werden, würde sich automatisch die Aufnahmebereitschaft der Bevölkerung für die anderen erhöhen- das sagte ich in der damaligen Debatte und ich sage es heute- diese politische Parole ist und bleibt mit Blick auf die größte Fehlstelle an Aufnahmebereitschaft, den gesellschaftlichen Rassismus und rassistische Gewalt, völlig abwegig.

Die Forderung nach einem Bleiberecht für Betroffene rechter Gewalt setzt bei der Frage an, was der Staat für diese Menschen tun kann. Mit einer Abschiebung oder erzwungenen Ausreise werden Betroffenen entscheidende Rechte im Strafverfahren genommen. Ihnen wird kein rechtliches Gehör gewährt, eine Aussage vor Gericht ist nicht möglich, wenn die Betroffenen nicht da sind. Fragestellungen, die sich möglicherweise erst in einer Hauptverhandlung ergeben(Tatanteile, geäußerte Motivationen) lassen sich überhaupt nicht mehr klären, wenn die Hauptzeugen nicht mehr da sind. Auch die Chance, vom Opfer zum Nebenkläger zu werden, einer Form der Ermächtigung zu erfahren, wird Gewaltbetroffenen, die abgeschoben wurden, genommen. Das ist in höchstem Maße ungerecht und daran wollten und wollen wir etwas ändern.

Aber es geht eben nicht nur um Betroffene, sondern auch um Täter. Denn die Strafverfolgung wird defacto erschwert die einzigen Zeugen, die Betroffenen selbst, nicht mehr gehört werden können. Viele Strafverfahren werden eingestellt oder enden mit einem Freispruch für die Täter, wenn die Zeuginnen und Zeugen im Gerichtsverfahren fehlen. Als wäre das nicht verheerend genug, kommt zur konkreten auch noch die symbolische Wirkung dazu: Der Staat gibt uns Recht, die die wir vertreiben wollten, haben nicht das Recht hier zu sein ist das Signal, das ankommt. Die Forschung zu Neonazismus und rechter Gewalt und der Blick auf die Entwicklung rechter Gewalt seit 1990 zeigt : Das Gefühl, Vollstrecker eines wenn auch nur heimlichen Mehrheitswillens zu sein, das Gefühl zwar mit drastischen Methoden zu agieren, aber im Kern im Recht zu sein ist eines der zentralen Verstärkungsmomente für rechte Gewalttäter, es ermuntert zu weiteren Taten und es ist zugleich erneute Demütigung für die Opfer. Hier setzte unser Antrag an, hier wollten eine landesrechtliche Sonderregelung, nach Brandenburger Vorbild schaffen, die er ermöglicht, Menschen die Betroffene rechter Gewalt wurden und keinen dauerhaften Aufenthaltstitel in Deutschland haben, ein Bleiberecht einzuräumen. Mithilfe eines Erlasses soll den Ausländerbehörden eine Empfehlung gegeben werden, wie sie ihr Ermessen nutzen sollen. Es handelt sich also um einen ermessenslenkenden Erlass, der die Einzelfallprüfung begleitet und nicht ersetzt. Es ist ein Instrument zur Erhöhung der Handlungssicherheit der Ausländerbehörden und es ist dringend notwendig das doppelte Signal zu setzen: rechte Täter erreichen ihr Ziel nicht und dieser Staat tut alles, um alle Menschen die hier leben vor Gewalt zu bewahren, wer hier Opfer einer rechtsmotivierten Straftat wird, der steht unter einem besonderen Schutz des Staates. Mithilfe eines Erlasses soll den Ausländerbehörden eine Empfehlung gegeben werden, wie sie ihr Ermessen nutzen sollen. Es handelt sich also um einen ermessenslenkenden Erlass, der die Einzelfallprüfung begleitet und nicht ersetzt. Es ist ein Instrument zur Erhöhung der Handlungssicherheit der Ausländerbehörden und es ist dringend notwendig das doppelte Signal zu setzen: rechte Täter erreichen ihr Ziel nicht und dieser Staat tut alles, um alle Menschen die hier leben vor Gewalt zu bewahren, wer hier Opfer einer rechtsmotivierten Straftat wird, der steht unter einem besonderen Schutz des Staates.

Es gab damals Signale aus den Koalitionsfraktionen, sich dem nicht verschließen zu wollen und unser Antrag wurde in den Innenausschuss überwiesen. Und dann? Dann passierte bis zum heutigen Tage im Wesentlichen nichts.

Sie lehnten es zunächst ab, eine Anhörung durchzuführen. Sie rangen sich dazu durch, mal in Brandenburg nachfragen zu lassen, welche Erfahrungen damit vorliegen. Das passierte auch, MI und MJ haben nachgefragt, Antwort zu den ersten Umsetzungserfahrungen bekommen, Zahlen bekommen wie oft und in welchen Fällen der Erlass in Brandenburg angewendet wurde. Dann hieß es warten bis zur Auswertung der Daten. Die Koalitionsfraktionen kündigten damals - wir befinden uns zeitlich bereits im September 2017- an, sobald die Auswertung und Daten aus Brandenburg vorlägen, wolle die Koalition auch entscheiden wie sie mit dem Antrag verfahren will. Den ersten Versuch, das Ergebnis dieses Entscheidungsprozesses auch dem Ausschuss zur Kenntnis zu geben, gab es im Februar dieses Jahres. Die Koalition ließ ihn von der Tagesordnung nehmen und kündigte die Präsentation eines Vorschlages zur Beschlussfassung in der nächsten Sitzung an. Dasselbe Spiel ereignete sich dann in der Sitzung am 31. Mai dieses Jahres. Meine Damen und Herren, das ist ein unwürdiges Gebaren, wenn die Koalition dazu uneinig ist, dann führen Sie doch wenigstens eine Debatte in den Ausschüssen, dann würde das doch gerade für eine Anhörung sprechen, dann wäre doch tatsächlich auch Argumentation gefragt. Das alles gibt es ihrerseits nicht.

Wir sind davon überzeugt, eine Bleiberecht für Betroffen rechter Gewalt wäre richtig und notwendig. Wenn es dafür mit der Keniakoalition keine politische Mehrheit hier im Haus gibt, dann müssen wir das hinnehmen. Aber dann stehen sie doch wenigstens dazu, statt dieses Thema im Ausschuss ohne jegliche fachliche Debatte zu beerdigen. Das wird der Verantwortung, die wir als Abgeordnete und als Fraktionen hier im Parlament haben, nicht gerecht.