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Henriette Quade zu TOP 22: Antifaschismus und zivilgesellschaftliche Arbeit sind gemeinnützig - Gemeinnützigkeitsrecht neu regeln

Anrede,

„Das Haus brennt – und Sie sperren die Feuerwehr aus!“ – das schrieb die Holocaustüberlebende Esther Bejarano vor wenigen Tagen in einem offenen Brief an den Bundesminister der Finanzen, an Olaf Scholz. Meine Damen und Herren, wie sehr das Haus brennt, zeigen auch die letzten Tage in diesem Bundesland und ich will meine Redezeit weniger dafür nutzen, die einzelnen Punkte unseres Antrages zu erläutern, als vielmehr einen Blick auf die politischen Debatten und Ereignisse zu werden, vor deren Hintergrund die Aberkennung der Gemeinnützigkeit der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes aus unserer Sicht zu diskutieren sind. Esther Bejarano, die 1924 als Esther Loewy in Saarlouis geboren wurde, deportierten die Nationalsozialisten im April 1943 – nachdem Bejerano bereits zuvor als Zwangsarbeiterin zu Fleurop geschickt wurde und nachdem ihre Eltern 1941 in Kowno in Litauen ermordet wurden – in das Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau. Im Jahr 1943 wurde sie in das KZ Ravensbrück verlegt und als die Alliierten schon näher rückten, schickten die Nationalsozialisten sie auf einen Todesmarsch. Esther Bejarano konnte fliehen – und so später nach Israel ausreisen. Sie hat den Holocaust überlebt, sie ist eine der wenigen Zeitzeuginnen, die noch berichten können. Und sie ist nach Deutschland zurückgekehrt, 1960, in das Land der Täter. „Die Bundesrepublik ist ein anderes, ein besseres Deutschland geworden, hatten mir Freunde versichert“, schreibt Bejarano, doch – ich zitiere – „Alten und Neuen Nazis bin ich trotzdem begegnet.“ Esther Bejarano hat sich engagiert gegen diese alten und neuen Nazis und sie engagiert sich immer noch. Das tut sie seit Jahren auch in und mit der VVN-BdA, der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten, deren Ehrenvorsitzende sie ist. Genau dieser

 

Vereinigung wurde zuletzt durch das Berliner Finanzamt für Körperschaften die Gemeinnützigkeit entzogen, Spenden sind nun nicht mehr steuerlich absetzbar, es drohten Nachzahlungen der Körperschaftssteuer in nicht unerheblicher Höhe. „Diese Abwertung unserer Arbeit ist eine schwere Kränkung für uns alle“, schreibt Bejarano. Es ist die Abwertung der Arbeit einer Vereinigung, die 1945 von Überlebenden der Konzentrationslager, von Widerstandskämpferinnen und

Widerstandskämpfern gegen den Nationalsozialismus gegründet wurde; von einer Vereinigung, zu deren Mitgliedern auch Zusammenschlüsse politischer Häftlinge der Konzentrationslager gehören; einer Vereinigung, in der Überlebende des Holocausts, in der Antifaschistinnen und Antifaschisten gegen Neonazismus, Faschismus und die extreme Rechte kämpfen. Die Bundesrepublik hat Esther Bejarano inzwischen zweimal mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet, aber die Arbeit der VVN erschwert sie nun dramatisch. Ich zitiere noch einmal Bejarano selbst: „Wer aber Medallien an Shoa-Überlebende vergibt, übernimmt auch eine Verpflichtung. Eine Verpflichtung für das gemeinsame NIE WIEDER, das unserer Arbeit zugrunde liegt.“ Meine sehr geehrten Damen und Herren, das Finanzamt Berlin bezieht sich auf die Beobachtung des bayerischen Ablegers der VVN durch den dortigen Verfassungsschutz. Nicht, dass es nicht schon absurd genug wäre, dass die VVN in Bayern überhaupt beobachtet wird – nein, – diese Beobachtung führt nun auch zum Entzug der Gemeinnützigkeit in Berlin. Ein Inlandsgeheimdienst beobachtet also die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes und deren Arbeit verliert daraufhin ihre Gemeinnützigkeit. Meine sehr geehrten Damen und Herren, das müssen wir schnell ändern, und das müssen wir auch ändern für die anderen Fälle die es gibt, ich nenne hier nur auch noch attac.

 

Das Gemeinnützigkeitsrecht muss dringend korrigiert werden, genau das beantragen wir hier. Denn es braucht diese Organisationen, es braucht diese Einmischung der Zivilgesellschaft und es braucht die VVN.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möchte zwei Sätze des Ministerpräsidenten aus seiner Rede nach dem Anschlag in Halle zitieren. „Auch dem letzten muss nun klar geworden sein: Deutschland hat ein Antisemitismus-

und Rechtsextremismusproblem“ hat er damals gesagt und „Eine gefestigte Zivilgesellschaft ist ein wichtiger Teil der demokratischen Kultur“ –– ja. Beides ist richtig. Es ist so richtig, wie es richtig war, dass sich der Ministerpräsident klar gegen die AfD und an die Seite der Jüdinnen und Juden in Sachsen-Anhalt gestellt hat. Um so unerträglicher ist es, dass die Arbeit von Holocaustüberlebenden wie Esther Bejerano nicht gemeinnützig sein soll, während solche Auseinandersetzungen geführt werden müssen. Um so unerträglicher ist es, dass Teile der CDU-Fraktion eine Zusammenarbeit mit der AfD erwägen, während Jüdinnen und Juden ankündigen, dieses Land zu verlassen, wenn die AfD in eine Regierungsposition kommt. Und umso unerträglicher ist es, wenn man sich anschaut, dass ein Verein wie Uniter, gemeinnützig sein soll. Der Verein, der Teil eines Netzwerks ist, in dem Todeslisten kursieren; in dem Löschkalk und Bundeswehrlaster besorgt werden sollten, um politische Gegnerinnen und Gegner nach ihrer Ermordung zu verbringen; das Netzwerk um Andre S. – besser bekannt als „Hannibal“. Gegründet wurde Uniter von diesem Hannibal. Und von Theo Schöpfel von der CDU, wie wir seit gestern wissen. Ebenfalls bisher Mitglied im Verein dieses rechtsterroristischen Netzwerks waren die CDU-Politiker Robert Möritz und Kai Mehliß – ob es noch mehr sind? Das

 

wissen wir nicht. Was wir wissen ist, dass Robert Möritz 2011 Ordner einer Nazidemo war, dass er drei Hakenkreuze als Schwarze Sonne auf dem Ellenbogen trägt, dass er bis vor Kurzem noch bei facebook Rechtsrock empfohlen hat, dass er Mitglied bei Uniter war, bis das öffentlich kritisiert wurde. In einem seiner letzten Tweets verteidigte er den Verein noch . Und als immer mehr über ihn öffentlich geworden ist, hat er mit absurden Ausflüchten reagiert, hat von Interesse an keltischen Symbolen schwadroniert – bei einem Zeichen der SS –, von einem Job bei einer Sicherheitsfirma, trat erst dann bei Uniter aus. Das ist kein Ausstieg, wirklich nicht. Laut dem SPIEGEL stimmen ja nicht mal seine Altersangaben zu der Neonazidemo 2011 in Halle. Es war übrigens ein Jahr später, dass André S. und Theo Schöpfel den gemeinnützigen Verein Uniter gegründet haben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren,  während sich in der ganzen Bundesrepublik und inzwischen auch international Menschen fragen, ob die CDU in Sachsen-Anhalt völlig den Verstand verloren hat, weil sie mit dem Bruch der Koalition droht, wenn sich ihr Koalitionspartner die Grünen – oder inzwischen wenigstens die Ministerin Dalbert – nicht dafür entschuldigen, dass sie vollkommen zurecht darauf hinweisen, dass derzeit mindestens drei Hakenkreuze in der CDU Platz haben, nämlich die, die sich Robert Möritz hat tätowieren lassen

und die er öffentlich gepostet hat und trotzdem noch den Rückhalt seines CDU-Kreisverbands besitzt – währenddessen stellen sich uns zwei andere Fragen.

Erstens: Will und kann die CDU noch eine christlich-demokratische Partei sein, oder gewinnen jene in der CDU die Oberhand, die mit der extremen Rechten zusammenarbeiten wollen? Ich erinnere an den vorhin zitierten Satz von Ministerpräsident Haseloff zum Rechtsextremismusproblem in Deutschland.

 

Zustimmenden Applaus – das sehen sie auch im Protokoll – gab es bei uns, den gab es bei der SPD, bei den Grünen. Nicht bei der AfD, nicht bei der CDU. Und

zweitens: Der Ministerpräsident hat vom Schutz von Jüdinnen und Juden in Deutschland gesprochen. Gerade schützt die CDU ein Mitglied, das Hakenkreuze zur Schau stellt, hat Mitglieder die sie aus dem Verein Uniter holen musste, zeigt sich in Teilen offen für eine Zusammenarbeit mit der rechtsextremen, antisemitischen AfD. Beides zusammen geht nicht - wie also wird sich die CDU entscheiden?  Meine sehr geehrten Damen und Herren, Im Kampf gegen die extreme Rechte braucht es eine starke und eine dezidiert politische Zivilgesellschaft, die letzten Tage haben uns das noch deutlicher vor Augen geführt, als befürchtet. Und dieses zivilgesellschaftliche Engagement muss gemeinnützig sein – denn das Haus brennt. Danke.