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Eva von Angern zu TOP 9: Schutz von Kindern und Jugendlichen – Kinderehen wirksam verbieten

Mit dem vorliegenden Antrag der AfD-Fraktion gibt es nun heute die Klappe 2, den 2. Versuch, das Thema „Kinderehen“ parlamentarisch und auch öffentlichkeitswirksam auf den Weg zu bringen, nachdem die AfD-Fraktion im Monat September ihren Antrag wieder kurzfristig zurückgezogen hatte. Aber auch der jetzt vorliegende Antrag in leicht abgeänderter Form ist auf keinen Fall besser. Denn auch er macht die inhaltliche Befassung mit diesem Thema wahrlich nicht einfacher, unkomplizierter oder unproblematischer. Er ist einfach nur unverantwortlich, fahrlässig und unvertretbar.

Denn der vorliegende Antrag greift ein Thema auf, dass bei den Menschen sehr viele Emotionen hervorruft und vor allem Ängste wachsen lässt. Dabei ist es nicht etwa die Angst, dass unser Rechtsstaat letztendlich in seinen Grundfesten erschüttert werden könnte. Es ist vielmehr die Angst vor einer anderen und vor allem für viele hier lebende Menschen unbekannten Welt, es ist die Gehemmtheit bzw. oft auch die Zurückhaltung vor fremden Kulturen. Doch gerade weil es hier um Ängste und Emotionen geht, haben wir als Mitglieder des Landtages eine ganz besondere Verantwortung. Denn mit Ängsten zu spielen, ist mehr als verantwortungslos.

Doch was macht die Fraktion der AfD letztendlich mit ihrem vorgelegten Antrag (wie so oft....): Sie schürt diese Ängste, indem sie letztendlich „unsere Kultur“ als bedroht ansieht, indem sie prognostiziert, dass „die Ethik und Moral unseres Landes durch ungeregelte Masseneinwanderung andere Wertvorstellungen erhält“.

Sie suggerieren damit, meine Damen und Herren von der AfD, dass unsere Kultur, dass Ethik und Moral, letztendlich dem Untergang geweiht sind. Dagegen kann und muss man sich verwehren. Das ist nicht hinnehmbar. Das ist einfach nur penetrant unzutreffend.

Daher ist es meiner Fraktion bei diesem Thema wichtig, dass über die Fakten gesprochen, der daraus bestehende politische Handlungsbedarf abgeleitet und dann entschieden wird, ob und wer zu handeln hat. Tatsache ist, dass laut Auskunft der Landesregierung in Sachsen-Anhalt 30 Flüchtlingsehepaare leben, bei denen mindestens eine Partnerin oder ein Partner minderjährig ist. Es ist damit unbekannt, ob es sich hier bspw. um sogenannte Zwangsehen handelt -„geschickter Weise“ verwenden Sie, meine Damen und Herren von der AfD diesen Begriff nicht im Antragstext, sondern nur in ihrer Antragsbegründung  -, die im Übrigen auch in Deutschland dazu führen, dass die Ehe nicht bestandskräftig ist und auf Antrag aufgehoben werden kann.

Wir haben damit bereits jetzt rechtliche Mittel in der Hand, um die Kinder zu schützen, die es jedoch gilt umzusetzen und mit Leben zu erfüllen. Und da möchte ich auf unseren in der vorletzten Sitzungsperiode gestellten Antrag „Strategien gegen Gewalt an Kindern, Frauen und Männern in Sachsen-Anhalt“ verweisen. Unter Punkt 3 des Antrages forderte meine Fraktion Folgendes: „Die Landesregierung wird beauftragt, eine Koordinierungsstelle für Zufluchts- und Beratungsangebote für von Gewalt betroffene Frauen und Kinder mit Flüchtlingsstatus einzurichten. Die Fördermittel hierfür sollen ab dem Haushalt 2017 zur Verfügung gestellt werden.“ Dieser Antrag fand im Haus leider keiner Mehrheit, obgleich das Land Brandenburg bereits jetzt schon sehr gute Ergebnisse durch die von ihnen eingerichtete Stelle dieser Art vorweisen kann. Das interessante aber ist, dass Sie, Kolleg*innen der AFD-Fraktion, diesen Antrag gänzlich ablehnten. Sie haben damit die Chance verstreichen lassen, den Kinder und vor allem jungen Mädchen tatsächlich ganz praktisch zu helfen, in dem die Beratungsangebote in Sachsen-Anhalt ausgebaut werden.

Wir haben mit der Beratungsstelle „VERA“ der AWO eine hervorragende Anlaufstelle mit hoch engagierten Mitarbeiterinnen, die unbedingt Hilfe und Unterstützung benötigen.

Und nun wird deutlich, was das eigentliche Ziel Ihres Antrages ist:

  • Sie wollen ein rechtliches Konstrukt für alle in Deutschland lebenden Menschen aushebeln, was auch jetzt schon nur mit äußerster Vorsicht und sehr selten angewendet wird: die sogenannte Minderjährigenehe. Dabei soll die Ehemündigkeit lt. Ziffer 1 Ihres Antrages „grundsätzlich und ohne Ausnahme“ erst mit Vollendung des 18. Lebensjahres eintreten. Was wollen Sie nun aber eigentlich? „Grundsätzlich“ – also in der Regel, aber mit möglichen Ausnahmen oder „ausnahmslos“ – also ohne Ausnahmen. Hier müssten Sie sich schon entscheiden.
  • Tatsächliche Hilfsangebote wollen Sie jedoch nicht schaffen, weil es Ihnen tatsächlich nicht um diese Kinder und jungen Mädchen geht, die Sie ja sowieso gar nicht in Deutschland haben wollen.
  • Und Sie wollen unter Ziffer 4 ihres Antrages eine Regelung aus dem Jahr 2009 wieder abschaffen, die die Regel des Deutschen Reiches aus dem Jahr 1875 – „standesamtliche Heirat muss der kirchlichen Trauung vorausgehen“ – ablöste. Seit 1875 waren Priester bestraft worden, wenn sie eine Hochzeit in der Kirche vor der standesamtlichen Eheschließung zelebrierten. Das wurde im Jahr 2009 zum Glück abgeschafft und so soll es auch bleiben.
  • Schlussendlich auch bei diesem Antrag wollen Sie sagen, wer dazu gehört und wer nicht. Sie wollen eine angeblich klare Positionierung „unser Wir“ zu definieren aufgrund des Massenzuzuges.
  • Sie wollen Menschen diffamieren, ausgrenzen und die Angst vor dem Unbekannten schüren.
  • Das ist Symbolpolitik und hat nichts mit dem Schutz von Kindern zu tun!


Meine Fraktion wird bei den Haushaltsberatungen an dem Thema dranbleiben und entsprechende Anträge zur Erhöhung der Mittel der Beratungsstellen einbringen.

Nun ist auch mir nicht verborgen geblieben, dass es auf Bundesebene eine politische Debatte um die Zukunft der Kinder- bzw. der Minderjährigenehen gibt. Genau dort gehört diese Debatte auch hin. Sie ist vor allem durch das in Bamberg vom dortigen OLG gefällte Urteil losgestoßen worden, obgleich auch hier ein Blick in die Urteilsbegründung lohnt, denn auch dieses Urteil hat unseren Rechtsstaat nicht in seinen Grundfesten erschüttert.
Meines Erachtens sind wir allesamt gut darin beraten, zunächst die Entscheidung des BGH abzuwarten. Emotionsgeladene öffentliche Debatten haben selten zu guten Lösungen für die Betroffenen geführt.

Ich habe mich sehr über die Wortmeldung des Deutschen Instituts für Menschenrechte gefreut, die aus meiner Sicht zu einer Versachlichung dieses Themas beiträgt. Das Institut wirbt dafür, dass nicht jede Kinderehe für unwirksam erklärt werden sollte, weil dies im Einzelfall zu sehr problematischen Situationen für die Mädchen führen kann.
Die Ansprüche aus der Ehe, wie Unterhalt oder auch die Legitimität der Kinder würden komplett verloren gehen. Das bedeutet: Es muss genau hingeschaut werden und jeder Einzelfall geprüft werden. Dafür brauchen wir Personal und vor allem gut geschultes Personal. Wir brauchen ausreichend Verfahrensbeistände. All das greifen Sie mit Ihrem Antrag nicht auf.

Daher sage ich ganz klar, wir lehnen diesen Antrag ab. Das gilt auch für die Überweisung des Antrages. Er führt unseres Erachtens im Rahmen unserer – landespolitischen Möglichkeiten – nicht zu einer Verbesserung der Kinder, die unter Zwang in einer Kinderehe leben. Das Ansinnen, das die Koalition mit ihrem Alternativantrag verfolgt, halten wir für sinnvoll und werden wir heute auch unterstützen.