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Eva von Angern zu TOP 21 b): Unregelmäßigkeiten bei Wahlen in Sachsen-Anhalt

Danke, dass Sie mir für die Fraktion DIE LINKE das Wort erteilt haben. Ich betone das so ausdrücklich, weil ich hier für jene Partei spreche, die Herr Poggenburg in seiner Eigenschaft als Spitzenkandidat der AfD vor der Wahl als die Hauptverdächtige für befürchtete Wahlfälschungen bei der Landtagswahl ausgemacht hatte.

Wahlen sind für uns Linke - gerade auch vor unserer besonderen historischen Verantwortung - das Herz der Demokratie. Wir sind zwar der Überzeugung, dass es gleicher Bildungschancen und eines im Mindesten gleichen Anteils am Vermögen einer Gesellschaft bedarf, um tatsächlich gleichberechtigter Bürger und gleichberechtigte Bürgerin zu sein und als solche wirksam Anteil an der politischen Willensbildung zu nehmen. Aber ohne Wahlen ist die Demokratie tot.

Warum ist das so? Als Juristin neige ich dazu, das Recht zu bemühen. Hier ist ein Blick in unsere Landesverfassung vonnöten.
Darin ist zu finden, dass das Volk der Souverän ist, dass vom Volk alle Staatsgewalt ausgeht und in Wahlen und Abstimmungen sowie durch die Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt wird. (Artikel 2 Abs. 2 der Landesverfassung).

In Wahlen wird also Macht übertragen. Nur dadurch wird Machtausübung – auch die, die wir hier im Landtag vollziehen – tatsächlich legitimiert. Soll diese demokratische Legitimation von Machtausübung auf Dauer tragfähig sein, muss das Wahlverfahren so gestaltet sein, dass Bürger und Bürgerinnen tatsächlich Einfluss auf die Zusammensetzung des Parlaments haben. Es muss also nachvollziehbar auf das Wahlergebnis zurückführbar sein, wem welche Verantwortung zugewiesen wird.

Das Wahlrecht und das Wahlsystem müssen zudem fair und gerecht gegenüber jedem Wettbewerber sein. Schließlich muss es ein belastbares, ein begründetes Grundvertrauen geben, dass das Wahlrecht eingehalten und Regelverstöße korrigiert und geahndet werden, das ist ein sehr wichtiger Punkt. Für meine Fraktion kann ich mitteilen, dass wir dieses Vertrauen in die staatliche Wahlorganisation und – vor allem – in das Tausendfache ehrenamtliche Engagement von Bürgern und Bürgerinnen in den Wahlvorständen haben. Daher an dieser Dank an die ehrenamtlichen WahlhelferInnen.

Auch stehen wir zu und verteidigen die parlamentarische Demokratie, die auch direktdemokratisch zu fällende Sachentscheidungen ermöglicht, so wie es unsere Landesverfassung ausgestaltet. Als Mitorganisatorin eines Volksbegehrens und des einzigen Volksentscheides in der Landesgeschichte weiß ich, wovon ich rede.

So wie Wahlrecht Menschenwerk ist und deshalb fehlerbehaftet sein kann, so ist auch die Anwendung von Wahlrecht Menschenwerk. Wir leben in einer Gesellschaft, in der die Bediensteten des Staates auf Recht und Gesetz verpflichtet sind, in der es Opposition in und außerhalb von Parlamenten gibt, die ein waches Auge auf diese Prozesse haben. Wir leben in einem Land, in dem es freie und staatsferne, traditionelle und elektronische Medien gibt, die ebenfalls ihren Beitrag zur Aufklärung von Fehlern oder bewussten Regelverstößen leisten können und auch leisten, wie das Beispiel Stendal zeigt. Und: Wir leben in einem Rechtsstaat, der nicht die Augen davor verschließt, dass nicht nur aufgeklärte Menschen unterwegs sind, sondern auch Menschen mit krimineller Energie, weshalb es in Deutschland eben unter Strafe steht, Wahlen zu behindern, Wahlen zu fälschen, Wahlunterlagen zu fälschen, das Wahlgeheimnis zu verletzen, Wähler zu nötigen oder zu täuschen oder zu bestechen.
Daneben ist das parlamentarische Wahlprüfungsverfahren eingerichtet und findet letztlich auch die gerichtliche Nachprüfung von Wahlen statt.

Im Grundsatz funktionieren diese vielfältigen Sicherungen. Ich selbst bin in meiner anwaltlichen Tätigkeit in Wahrnehmung des Mandats eines Kommunalpolitikers der Linken aktiv geworden und habe vor dem Verwaltungsgericht und dem Oberverwaltungsreicht die Feststellung erstritten, dass die festgestellte Sitzverteilung in einem Ortschaftsrat regelwidrig war. Auch wenn dies inzwischen zwei Mal gerichtlich festgestellt ist, würde es weder meinem Mandaten noch mir eingefallen sein, von Wahlfälschung zu sprechen.

Genauso wenig ist es bis zum Beweis des Gegenteils Wahlfälschung – sei es versucht oder vollendet -, wenn im Auszählverfahren für die AfD abgegebene Stimmen der Partei ALPHA zugerechnet worden sind. So etwas passiert. Und ja…, wenn es passiert, hat es politisch und menschlich erhebliche Auswirkungen.

Politisch, weil sich im Falle einer nur hauchdünnen Mehrheit von einer Stimme bereits begonnene Koalitionsverhandlungen nach einer Berichtigung der Sitzverteilung auf einen Schlag erledigt haben können und sich neue Partner finden müssen. Menschlich, weil es für einen Vollblutpolitiker wie unseren ehemaligen PGF die Höchststrafe darstellt, zunächst von der Wiederwahl auszugehen, um dann dem neuen Landtag doch nicht anzugehören.

Aus beiden Gründen erwarte ich und gehe ich fest davon aus, dass die Landeswahlleiterin Schlussfolgerungen zieht, um derartige, im Falle der Fehlerbeseitigung unumgängliche Eingriffe in die schon am Wahlabend beginnenden politischen und personellen Prozesse für die Zukunft möglichst sicher auszuschließen. Mir wäre deshalb daran gelegen, könnten sich der Wahlprüfungsausschuss oder der für das Wahlrecht zuständige Innenausschuss mit der Auswertung der Vorgänge und denkbaren gesetzgeberischen oder organisatorischen Konsequenzen befassen.

Sie haben für dieses Thema hingegen das parlamentarische Instrument der Aktuellen Debatte gewählt. Selbstverständlich kann man in einer letztlich nichtaktuellen   Aktuellen Debatte über Unregelmäßigkeiten bei Wahlen reden, ändern tut man damit jedoch nichts, aber nach der gestrigen Debatte zur Regierungserklärung scheint das auch nicht Ihr Anspruch zu sein.

Zum Glück zeigt uns das interessierte Gähnen der Medienvertreter, dass wir kein systematisches Problem mit der Korrektheit unserer Wahlen haben. Wir leben in einer gefestigten Wahldemokratie. Es mag sein, dass es Ihnen mit Ihrer Wahlbeobachteraktion gelungen ist, den Eindruck zu erwecken, es bedarf der Robin Hoods der AfD, damit aus guten deutschen Bürgerinnen- und Bürgerstimmen korrekt verteilte Sitze in einem deutschen Landesparlament werden. Dabei haben Sie doch nur ein selbstverständliches Recht wahrgenommen. Und hätten Sie in jeden Wahlvorstand ein Mitglied Ihrer Partei entsendet, hätte er oder sie mitausgezählt, hätte man den Zuordnungsfehler, der in Ihren Augen möglicherweise eine versuchte gezielte Benachteiligung darstellte, sofort beheben können.

Vom Glanz der tatsächlich verdienstvollen Bürgerrechtler aus dem Jahr 1989 werden Sie jedoch nichts abbekommen. Mit Ihren Aktionen vor der Wahl und mit Ihren Nachwahlbetrachtungen sind Sie nämlich objektiv bereit, im Interesse eines kurzfristigen, besorgte Bürgerinnen und Bürger mobilisierenden Erfolgs einen hohen demokratischen Preis zu zahlen. Die Währung, in der hier abgerechnet wird, heißt: Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in das demokratische Wahlrecht, in die Korrektheit der Wahlabläufe und letztlich in die Legitimität von Machtausübung. Ist dieses Vertrauen erst einmal massiv erschüttert – und dazu tragen Sie bewusst bei, trägt es zum Ende der Demokratie bei. Weimar lehrt uns das.

Sie sind jetzt Teil dieses Verfassungsorgans. Gerade als größte Oppositionsfraktion sind Sie in der besonderen Verantwortung, auch tatsächliche oder nur befürchtete Fehlentwicklungen in Wahlrecht und Wahlorganisation auf allen staatlichen Ebenen anzusprechen und ihnen durch alternative Konzepte und Maßnahmen möglichst abzuhelfen. Ihr Wahlkampf war das Angebot, genau das zu tun und jetzt ist die Lieferung fällig. Ich bin gespannt, ob Sie diese Mühe der Ebenen, dieses langfristige fachliche Arbeiten, dieses Bohren eines dicken Brettes neben dem Furor, mit dem Sie hier bislang ganz wenige Anträge verfassen und im Landtag polemisieren, auch drauf haben. Ihr Antrag auf Aktuelle Debatte lässt das – bestenfalls – offen.

Obwohl es Ihnen noch nicht bewusst zu sein scheint, sind Sie seit dem 13. März 2016 schlagartig zum Teil des Establishments geworden, das zu abzulehnen sie aus jeder Pore kommunizieren. Sie haben Verantwortung übernommen. Jetzt ist Handeln angesagt. Ich bin gespannt auf Ihre Wahlrechtsvorschläge.