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Dagmar Zoschke zu TOP 3: Pflegende Angehörige stärken

Anrede,

Ja, unstrittig, der Antrag beschäftigt sich mit einem sehr wichtigen Thema. Allerdings habe ich mich beim Lesen gefragt, warum dieser Antrag nicht als Selbstbefassungsantrag im Ausschuss für Arbeit, Soziales und Integration das Licht der parlamentarischen Welt erblickt hat. Hinzu kommt, dass Sie, werte einreichende und regierende Fraktionen, im Koalitionsvertrag auch den Runden Tisch zum Thema Pflege mit der Erarbeitung von Handlungsempfehlungen u.a. auch zu dieser Thematik beauftragt haben.

Somit bleiben für uns große und deutliche Fragezeichen.

Die Brisanz des Themas wird deutlich, wenn wir uns mal die Zahlen vor Augen führen. Auch wenn sie die Zahlen jetzt bereits mehrmals gehört haben, Tatsache ist, dass in Deutschland insgesamt 2,9 Millionen pflegebedürftige Menschen leben. Davon werden 2,08 Millionen Menschen in der Häuslichkeit gepflegt, das sind 73 %. Von diesen 73 % werden 1,38 Millionen Pflegebedürftige von ihren Angehörigen, Freunden, Nachbarn versorgt und 692.000 von den etwa 13.300 ambulanten Pflegediensten mit 355.600 Beschäftigten.

Nur 783.000 Menschen werden vollstationär in Heimen versorgt.

Diese Zahlen sind über das statistische Bundesamt abrufbar. Es wird auch keinen überraschen, dass Pflege, unabhängig davon, ob sie stationär oder in der Häuslichkeit erbracht wird, weiblich ist: also Töchter, Freundinnen und Nachbarinnen sich kümmern. Ihre Lebenswirklichkeit in der tätigen Pflege ist sehr vielschichtig und kompliziert.

Nach Selbsteinschätzung fühlen 50 % der pflegenden Angehörigen eine zu hohe eigene Belastung, 70 % sind zweitweise psychisch überbelastet und ebenfalls 70 % fühlen sich zeitlich überfordert. Das zeigt deutlich, dass die pflegenden Angehörigen permanent mit dem Risiko leben, durch die Pflege Anderer selbst zu erkranken, mit der großen Palette möglicher Folgen. Sie plagen sich oft mit Schuld- und Schamgefühlen, sind frustriert und resignieren. Sie nehmen die zahlreichen, örtlichen Hilfs- und Unterstützungsangebote kaum wahr, notwendige bürokratischen Wege sind ihnen zu zeit- und kraftverzehrend. Also lassen sie es sein.

Nimmt man diese und andere Fakten zum Thema ernsthaft zur Kenntnis, kann man unserer Meinung nach, nur zu einem Schluss kommen: Wer wirklich real an der Situation von pflegenden Angehörigen etwas ändern will, der muss in seinen Forderungen sehr konkret werden. Deshalb haben wir uns zu einem Alternativantrag entschlossen.

Wir wollen, dass die Landesregierung über eine Bundesratsinitiative auf die Verbesserung der konkreten Lebensumstände pflegender Angehöriger Einfluss nimmt. Wir haben kein Erkenntnisdefizit, sondern es fehlen konkrete, verlässliche und generelle Lösungen.

Wer pflegt, muss selbst ökonomisch unabhängig sein, muss schnell und unbürokratisch an Hilfs- und Unterstützungsangebote für den zu Pflegenden und für sich selbst kommen, auswählen und es auch bezahlen können.

Auch der pflegende Angehörige muss eigene Pflege erfahren können, um selbst stabil und gesund zu bleiben. Dazu müssen die Zugänge zu medizinischen erforderlichen Rehabilitationsleistungen vereinfacht werden.

Selbstverständlich bleiben wir bei unserer Forderung nach einer Pflegevollversicherung.

Wer schon mal selbst Pflege organisieren musste, weiß, welches wichtige Bindeglied Kommunen in der Versorgungslandschaft um den zu Pflegenden spielen. Unabhängige Pflegeberatung, Kenntnisse über die Angebote der lokalen Pflegestruktur, die Erreichbarkeit der bestehenden Hilfs- und Unterstützungsangebote, die Existenz von Selbsthilfegruppen und vieles mehr ist für den pflegenden Angehörigen vor Ort von immenser Bedeutung. Hier gilt es die Verantwortung der Kommunen und ihre Mitgestaltungsmöglichkeiten an der Planung und Sicherstellung der pflegenden Infrastruktur unbedingt zu verbessern und auszubauen.

Es wäre doch eine tolle Errungenschaft, die Anerkennung der erbrachten Pflegeleistung von nicht nur noch im Arbeitsprozess stehenden pflegenden Angehörigen durch einen erhöhten persönlichen Urlaubsanspruch- also Pflegeurlaub zu erreichen.

Pflege kostet Geld, das wissen wir alle. Die bessere Anerkennung der Pflegeleistung im Steuerrecht ist eine weitere Maßnahme, die die Lebenswelt der pflegenden Angehörigen positiv beeinflussen kann.

Der Katalog von Maßnahmen ist nach oben offen. Es sind konkrete Vorschläge, die direkte Auswirkungen auf die Lebenswirklichkeit der pflegenden Angehörigen haben. Denn sie haben für ihre Leistung mehr verdient, als nur einmal Bestandteil eines Fragekataloges zu sein.

Danke für die Aufmerksamkeit!