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Dagmar Zoschke zu TOP 20: Kommunen entlasten - Gesundheitliche Versorgung von Migrantinnen und Migranten verbessern

Anrede, 

Der Landtag hat sich erstmals vor über zwei Jahren mit der im Antrag beschriebenen Problematik befasst. Die Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen hatte damals beantragt, die Krankenkassenkarte nach dem „Bremer Modell“ in Sachsen-Anhalt einzuführen und sich auf Bundesebene für einen umfassenden Zugang von Asylbewerberinnen und Asylbewerbern in das deutsche Gesundheitssystem einzusetzen.

Im Asylbewerberleistungsgesetzes ist die medizinische Behandlung für Asylbewerber durch die Formulierungen der §§4 und 6 festgelegt. Es werden akute Erkrankungen und Schmerzzustände behandelt einschließlich der Versorgung mit Arznei- und Verbandmitteln sowie sonstige zur Genesung, zur Besserung und Linderung von Krankheiten erforderlichen Leistungen gewährt. Es gibt Leistungsausschlüsse und es gibt Genehmigungsverfahren.

Zuständig für die verwaltungstechnische Seite sind hier die Sozialämter der Landkreise und es ist bereits an zahlreichen Stellen bestätigt, Verwaltungsfachangestellte müssen über die Notwendigkeit eines Arztbesuches entscheiden, da die Asylbewerberin einen Behandlungsschein benötigt. Und ich will es auch noch einmal betonen, ohne medizinische Vorkenntnisse zu besitzen. In Einzelfällen kann die Verwaltungsfachangestellte Kontakt zum Gesundheitsamt aufnehmen und den Amtsarzt befragen, der dann „zeitnah“ entscheidet. Welche Wirkungen und Folgen dies hat, nehmen wir zur Kenntnis, Medien berichteten sehr wirksam über Einzelfälle.

In den Landkreisen, in denen vierteljährlich Behandlungsscheine ausgegeben werden, ist für beide Seiten eine kleine Erleichterung eingetreten, aber dies kann aus unserer Sicht tatsächlich nur der Anfang sein.

Mit der Überweisung dieses Antrages in den Ausschuss für Arbeit und Soziales der 6. Legislaturperiode setzte hier im Haus ein spannender, intensiver und langwieriger Diskussionsprozess ein. Viele der heutigen Akteure sowohl innerhalb des Parlamentes als auch außerhalb haben sich beteiligt. Die Antworten der Krankenkassen, Gesundheitskassen und ihrer Verbände – es sollte ja, entsprechend des Bremer Modells auch für Sachsen-Anhalt etwas entwickelt werden- war interessiert. Ihre Intension war: benennt das Leistungsspektrum und wir sagen, was wir tun können. Die kommunalen Spitzenverbände versicherten, alles was Verwaltungshandeln vereinfacht und keine zusätzlichen Kosten verursacht, wird mitgetragen. Die angehörten Nichtregierungsorganisationen unterstrichen die Notwendigkeit der Krankenkassen, als erleichterten Zugang zu medizinischen Leistungen für die Asylbewerber und als Bestandteil einer wirklichen Willkommenskultur.

Und wir waren zum Ende der Legislaturperiode weit gekommen, zumindest waren dies die Äußerungen der Landesregierung im Ausschuss. In vielen Punkten herrschte scheinbar Einigkeit und Detailfragen zur Umsetzung zumindest des ersten Teils des Antrages beherrschten die Diskussion. Wir hatten sogar schon im Dezember 2015 eine Mustervereinbarung zur Übernahme der Krankenbehandlung nach § 264 Abs. 1 SGB V im Land Sachsen-Anhalt zur Kenntnis erhalten.

Zu diesem Zeitpunkt haben die damals regierungstragenden Fraktionen nach Berlin geschaut. Der Asylgipfel der Bundeskanzlerin sollte eine bundeseinheitliche Lösung bringen. Bund und Land einigten sich auf eine Bundesrahmenempfehlung, die den Gestaltungsrahmen beschrieb, aber nicht zwingend festlegte. Die Gewünschte Lösung blieb allerdings aus. Es ist ein offenes Geheimnis, dass Bayern und Sachsen die sinnvolle bundeseinheitliche Lösung blockierten.

Der Ball landete wieder im Land. Weder Ausschuss noch Landtag konnten sich zu einem Beschluss durchringen und die Legislaturperiode war zu Ende. Nach der Wahl konnten wir alle im Koalitionsvertrag lesen: Ich zitiere: „Das Land setzt sich für eine bundesweit einheitliche Reglung zum Zugang zu medizinischen Leistungen ein. Bis dahin wird das Land eine Asylbewerberkarte einführen. Diese … ermöglicht damit den unmittelbaren Gang zum Arzt. Die Abrechnung erfolgt wie bisher zwischen Arzt und Landkreis.“ (Zitatende)

Und dann: die Beratungen im Ausschuss für Arbeit, Soziales und Integration sind ernüchternd. Die Informationen aus dem zuständigen Innenministerium haben verdeutlicht, wie der Passus im Koalitionsvertrag zu verstehen ist: gemeint ist eine gesonderte Karte, die ein extra Lesesystem bekäme, damit horrende Einführungs- und Betreibungskosten verursachen würde. Dies widerspricht den Lösungswegen in anderen Bundesländern und auch den Möglichkeiten, die wir aus Gesprächen mit Vertretern der Krankenkassen erfahren haben.

Zumindest die CDU scheint vor Angst gepeinigt zu sein, dass Asylbewerberinnen durch die Karte dann doch eine Leistung zu viel erhalten könnten. Um dies zu verhindern sollten lieber Millionen für ein eigenes System ausgegeben werden? Das ist doch absurd! Wir hatten den Eindruck, dass man sich zwischen Innen- und Sozialministerium da auch nicht ganz einig in der Sache ist- dies führt unweigerlich zu der Annahme, hier steht man sich aufgrund unterschiedlicher Positionen im Weg! Um diesen Stillstand nun endlich aufzubrechen: unser Antrag.

In einem ersten Punkt fordern wir die Landesregierung auf, die Gespräche mit allen notwendigen Partnern zur zeitnahen Einführung einer elektronischen Gesundheitskarte für Asylbewerberinnen zu initiieren und wiederaufzunehmen. Dabei ist es tatsächlich ratsam dort fortzusetzen, wo der Prozess am Ende der letzten Legislaturperiode stehen geblieben ist.

Andere Länder sind in der Zwischenzeit weitergekommen. Auf Grundlage der Erfahrungen der Stadtstaaten Bremen und Hamburg haben auch Flächenländer Rahmenvereinbarungen zur Einführung einer solchen Karte geschlossen und zum Teil schon vollständig umgesetzt. Obwohl es hier fraglos komplizierter war. Dazu gehören: Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen, Brandenburg und Thüringen. Unterschiedliche Wege, teils mit Fehlern und Anlaufschwierigkeiten, die wir als nachahmendes Bundesland ja nicht wiederholen müssen. Das Fahrrad muss also nicht neu erfunden werden. Diese Erfahrungen, die Fehleranalyse der Beteiligten, die Chancen und die Reserven wollen wir nutzen.

Aus diesem Grund sollen diese Erfahrungen in einer analytischen Synopse zusammengestellt werden, unser zweiter Punkt. Wir erwarten die genaue Darstellung der Rahmenverträge, der Kostenkalkulation, den Nachweis, welche Kosten tatsächlich entstanden sind und wie Verwaltungsprozesse vereinfacht werden konnten. Diese Analyse wird dann dazu dienen, unsere weitere Verfahrensweise in Sachsen-Anhalt zu bestimmen und zu qualifizieren. Auch wir haben hoffentlich alle das Ziel Verwaltungsabläufe zu vereinfachen, die kommunale Verwaltungsfachangestellte nicht mit einer Aufgabe dauerhaft zu betrauen, für die sie nicht qualifiziert ist und deshalb die elektronische Gesundheitskarte einzuführen. Damit gelingt ein humaner, zeitnaher und unbürokratischer Prozess der gesundheitlichen Versorgung.

Beim Wechsel vom Asylbewerberleistungsgesetzes in den Zuständigkeitsbereich des SGB II zeigt sich ein weiteres Problemfeld. Die Brisanz dieses Problems führte zu einem gemeinsamen Schreiben der Bundesagentur für Arbeit, des Deutschen Landkreistages und des Deutschen Städtetages an das Bundesministerium für Arbeit und Soziales. Die Prüfung gemäß § 5 Absatz 5a SGB V erschwert bzw. verhindert Asylberechtigten, anerkannten Flüchtlingen sowie anderen Zugewanderten den Weg in die Gesetzliche Krankenversicherung. Die Kommunen sind gehalten ein sehr aufwendiges Prüfverfahren mit konkreten Nachweisen einzuleiten, die sich mit der persönlichen Versicherungspflicht des Zugewanderten vor seiner Einreise beschäftigt. Die bisherige „Selbstständigkeit“ im Herkunftsland schließt eine Aufnahme in die GKV weitgehend aus. Diese Prüfverfahren sind aufwendig, binden Ressourcen in den Kommunen, die für andere Dinge dringend benötigt werden. Unter Umständen sind im Ergebnis dieser Prüfverfahren ja dann auch höhere Beiträge an die Private Krankenversicherung durch die Kommunen notwendig. Zur Begründung zitiere ich aus dem o.g. gemeinsamen Schreiben:

„Systembedingt sollte die erforderliche verstärkte Fürsorge und Beratung von Asylberechtigten, anerkannten Flüchtlingen und Schutzbedürftigen nach unserer Ansicht aufgrund der Sachnähe durch die GKV gewährleistet werden. Dieser Personenkreis ist bereits im Rahmen des Bezuges von Asylbewerberleistungen im Rahmen der Übernahme der Krankenbehandlung nach § 264 Abs.2 SGB V in Verbindung mit § 2 Abs.1 Asylbewerberleistungsgesetz mit den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung unbeschadet der Kostentragung durch die Landkreise und Städte vertraut.“ (Zitatende)

Um hier einen möglichen Einwand von ihnen gleich zu begegnen, bevor er kommt: wir bleiben bei unserem Ziel der Einführung einer solidarischen Bürgerversicherung, in die alle entsprechend Einkommensstärke einzahlen. Der entsprechende Antrag ist noch in der Ausschussberatung, dazu findet im Mai ein Fachgespräch statt.

Es geht uns nicht um eine Besserstellung der Migrantinnen gegenüber der hiesigen Bevölkerung. Mit der Bürgerversicherung könnten wir auch die bestehenden Ungerechtigkeiten zwischen GKV und PKV beheben, für Personen mit niedrigem Einkommen, die den Zugang zur GKV verloren haben, selbigen wiederherstellen und o.g. Problem beheben.

Es ist möglich, Kommunen zu entlasten und die gesundheitliche Versorgung von Migrantinnen zu entbürokratisieren und zu verbessern. Ich bitte um Zustimmung zu unserem Antrag.