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Dagmar Zoschke zu TOP 20: Anpassung der Standards des Wohn- und Teilhabegesetzes des Landes Sachsen-Anhalt (WTG LSA) an die UN-Behindertenrechtskonvention

Anrede!

Schon oft haben wir hier und in den Ausschüssen des Landtages über Umsetzungsstrategien hinsichtlich der UN-Behindertenrechtskonvention, der Gleichstellungsgesetze, des Landesaktionsplanes oder den Anforderungen des Bundesteilhabegesetzes debattiert. Immer wieder ist von vielen Rednerinnen und Rednern auch der Selbstbestimmungsanspruch des Einzelnen, der individuelle Anspruch jedes Menschen unterstützend erklärt worden.

Das Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen hat nicht nur zu einem intensiveren Diskussionsprozess aller Beteiligten geführt, sondern in der Bundesrepublik und auch in Sachsen-Anhalt ist vieles in Bewegung gekommen. Und das ist gut so. Gesetze und Verordnungen tragen die Handschrift der UN-Behindertenrechtskonvention.

Die Partizipationsmöglichkeiten von Menschen mit Beeinträchtigungen haben sich zunehmend verbessert, bei vielen Gesetzesvorhaben werden sie von Anfang an beteiligt, Bauvorhaben und Verkehrsplanung sind ohne ihre Mitwirkung kaum noch möglich. Es haben sich Strukturen entwickelt auf allen politischen Ebenen, die immer wieder auf die Belange von Menschen mit Beeinträchtigung hinweisen und Entscheidungsträger zwingen, einen Perspektivenwechsel vorzunehmen. Auch in unserem Land haben sich Kommunen auf den Weg begeben eigene Aktionspläne zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention aufzustellen.

Dies alles ist überhaupt nicht zu denken, ohne die bisherige fordernde Teilhabe, die Partizipation von Menschen mit Behinderungen. Dafür allen, die selbst betroffen sind und gemeinsam mit anderen dafür eintreten, dass unsere Gesellschaft, unser Land immer inklusiver wird, ein herzliches und aufrichtiges Dankeschön!

Aber, noch sind nicht alle Defizite beseitigt, nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft. Und eine dieser dringenden Notwendigkeiten ist heute Anliegen unseres eingereichten Antrages.

Das Thema „Wohnen“ beherrscht Immer mal wieder die Diskussionen. Und in diesem Zusammenhang spielt dann die Heimmindestbauverordnung, oder wie es exakt heißt: Verordnung über bauliche Mindestanforderungen für Altenheime, Altenwohnheime und Pflegeheime für Volljährige – Heimmindestbauverordnung aus dem Jahr 1978, neugefasst 1983 und 2003, eine Rolle.

Nicht zuletzt hat sich auch der Landesbehindertenbeirat mit diesem Thema wiederholt beschäftigt und zuletzt seine Meinung mit dem Beschluss 1/ 2016 zusammengefasst.

Dieser Beschluss beinhaltete u.a. das Wunsch- und Wahlrecht für Menschen mit Behinderungen hinsichtlich Wohnens. Der Beschluss beschäftigt sich mit den geltenden Wohnstandards auf der Grundlage der Heimmindestbauverordnung; mit ambulanten Wohnformen für alle daran interessierten Menschen mit Behinderung unabhängig von Umfang des Hilfebedarfes; mit der Förderung der Selbstständigkeit durch Wohnen und der Entwicklung von neuen, geeigneten Wohnformen. Alles nachzulesen im Beschluss Nr. 1 aus 2016 des Landesbehindertenbeirates.

Auch der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat sich in der letzten Legislaturperiode sowohl mit der Notwendigkeit als auch mit den existierenden Möglichkeiten für neue Wohnformen intensiv beschäftigt. Die Hemmschuhe, um hier vorwärts zu kommen, sind noch vielfältig, wenn ich mal nur an die bindenden Auflagen von Fördermitteln denke.

Ein weiterer Hemmschuh der Entwicklung ist nach unserer Meinung die oben genannte Heimmindestbauverordnung. Ihr Ursprung liegt im Jahre 1978 und, meine sehr geehrten Damen und Herren, so liest sie sich auch.

Es ist dringend notwendig hier gezielt einen Sprung nach vorn zu wagen.

Bereits vor uns haben z.B. die Länder Baden-Württemberg, Bayern, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern oder Schleswig-Holstein diesen Sprung gewagt.

Es geht uns vor allem um den individuellen Anspruch des Einzelnen, es geht uns um die Änderung der Raumgrößen, die Verbesserung der Standards im Sanitärbereich und in den gemeinschaftlich genutzten Räumlichkeiten.

So wird in der aktuellen Heimmindestbauverordnung von einer Wohnfläche für eine Person von 12 Quadratmetern und für zwei Personen von 18 Quadratmetern ausgegangen. Die Festlegungen für den Sanitärbereich lautet und das will ich gern mal zitieren:

„§ 18 Sanitäre Anlagen

(1) für jeweils bis zu acht Bewohner muss im gleichen Geschoss mindestens ein Spülabort mit Handwaschbecken vorhanden sein.

(2) Für jeweils 20 Bewohner muss im gleichen Geschoss mindestens eine Badewanne oder eine Dusche zur Verfügung stehen.“ (Zitatende)

In den Ländern, die bereits Veränderungen in der Heimmindestbauverordnung vollzogen haben, finden wir gute Ansätze auch für unsere Praxis. Lassen sie mich einige explizit hervorheben:

  • Bayern legt einen Wohn-Schlaf-Raum für eine Person mit einer Wohnfläche von 14 Quadratmetern fest, für zwei Personen von 20 qm
  • Brandenburg für eine Person ebenfalls 14 qm, für zwei Personen 24 qm
  • Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein schreiben für eine Person mindestens 14 qm fest, für zwei Personen 20 qm

Für den Sanitärbereich gibt es folgende Vorstellungen:

  • Baden-Württemberg legt fest, in bestehenden Heimen bis zu zwei Bewohnerzimmern und in neu errichteten Heimen jedem Bewohnerzimmer direkt ein Sanitärbereich mit Waschtisch, Dusche und WC zuzuordnen
  • In Nordrhein-Westfalen soll grundsätzlich jedem Zimmer ein eigenes Duschbad mit WC zugeordnet sein, Tandemlösung, also Nutzung eines Bades von zwei Bewohnern soll die Ausnahme sein.
  • Schleswig-Hollstein fordert für jedes Bewohnerzimmer ein Bad.

Und auch für die gemeinschaftlich genutzten Räumlichkeiten gibt es anderswo angepasste Lösungen, es wird von mindestens 3 bis 5 qm pro Person ausgegangen und die Integration von Küchen bzw. hauswirtschaftlichen Räumlichkeiten vergrößert die notwendige, bereitzustellende Raumkapazität.

Wie wichtig dieser Sprung nach vorn ist, zeigt auch das Antwortschreiben der Ministerin zum Beschluss Nr. 1 des Landesbehindertenbeirates aus 2016. Hier bezieht Frau Ministerin namens der Landesregierung Stellung und erklärt, dass die Wünsche, die im Beschluss des Landesbehindertenbeirates geäußert werden, auch im Einklang mit den gesetzlichen Vorgaben stehen müssen bzw. zu bringen sind.

Unser Ansatz ist allerdings nicht, die Wünsche den gesetzlichen Vorgaben anzupassen, sondern die gesetzlichen Vorgaben den Wünschen bzw. den Erfordernissen der UN- Behindertenrechtskonvention bzw. auch dem Bundesteilhabegesetz anzupassen. Also genau umgekehrt.

Auch den Trägern von Wohneinrichtungen kämen wir mit Sicherheit entgegen, ihre Chancen auf das Einwerben von finanzieller Unterstützung anderer, so zum Beispiel bei der „Aktion Mensch“ würden sich durch die Standardanpassungen positiv entwickeln.

Mal ganz davon ab, dass es unbedingt zu akzeptieren ist, dass Menschen mit Behinderungen eben auch das Menschenrecht genießen dürfen, Wünsche zu haben, auch Wünsche im Bereich Wohnen. Es ist doch weder erklärbar noch akzeptabel, dass Menschen mit Beeinträchtigungen ihr Recht auf eigenen Wohnraum einklagen müssen. Dazu gibt es auch aus der Praxis in unserem Land zahlreiche, nicht gerade rühmliche Beispiele.

Lassen sie uns ganz im Sinne des Artikels 19 der UN-Behindertenrechtskonvention handeln und angemessene Vorkehrungen treffen, damit Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt die Möglichkeit haben, ihren Aufenthaltsort zu wählen und zu entscheiden, wo und mit wem sie leben, und nicht verpflichtet sind, in besonderen Wohnformen zu leben.

Wir bitten um Zustimmung zu unserem Antrag.