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Andreas Höppner zu TOP 9: Aktuelle Debatte "Das Streben nach Rendite: Gefahrenfaktor für die medizinische Grundversorgung in Sachsen-Anhalt"

Anrede

Die Bundespolitik setzt Krankenhäusern, der Gesundheitsvorsorge und vor allem der Krankenhauspflege seit mehr als 20 Jahren einen ungeheuren Druck aus. Es herrscht dort sozusagen Notstand. Hauptprobleme sind dabei der ökonomische Wettbewerb zwischen den Krankenhäusern, das Fallpauschalensystem und der dauernde und zunehmende Privatisierungsdruck in der gesamten Kliniklandschaft.

Noch billiger, besser und näher an den Bürgerinnen und Bürgern waren die Verheißungen mit denen Krankenhäuser und viele andere öffentliche Dienstleistungen privatisiert wurden. Hunderte Städte, Gemeinden und Landkreise haben das geglaubt oder auch keinen anderen Ausweg gesehen, um ihre Haushalte kurzfristig zu entlasten, weil ihnen immer mehr weggekürzt wurde. Mittlerweile wissen wir, was von den Verheißungen zu halten ist bzw. was in der Praxis durch diese Privatisierungen Negatives entstanden ist.

Beispielhaft hierfür sind die letzten Berichte aus den Ameos-Kliniken hier in Sachsen-Anhalt.

In der Kritik stehen dabei aktuell vor allem die Ameos-Häuser im Salzlandkreis. Regelmäßig erfolgten dort Abmeldungen von medizinischen Stationen. Zum Beispiel die innere Klinik und die Intensivstation. Das heißt, dass zu diesen Stationen kein Rettungsfahrzeug im Einsatz mehr fahren soll. Besorgniserregend ist vor allem die hohe Zahl der Abmeldungen. Kritisiert wird auch die unzureichende Einhaltung der Hilfsfristen.

Beschäftigte berichten aus den einzelnen Häusern aber auch ganz klar: „Wir sind unterbesetzt und am Limit. Die Patienten können von uns nicht mehr versorgt werden.“ „Die Personalbesetzung sei eine Katastrophe“. Ebenso ist die Rede von Kündigungen, schlechten und verschlechterten Konditionen und Abwanderung von Auszubildenden und Fachkräften. Das Personal ist z.B. soweit überfordert, dass Angehörige erst zwei Tage nach einem Todesfall informiert wurden.

Auch berichten immer mehr Angehörige und Patienten über ihre eigenen Negativerfahrungen wie z.B. über stundenlanges Warten in der Notaufnahme oder das man gleich weggeschickt wird und sich für nicht zuständig erklärt, obwohl schwerwiegende Notfallsymptome vorhanden sind.

Krankenschwestern und Betriebsräte berichten, dass Personal immer weiter gekürzt wurde und z.B. nachts eine Krankenschwester für 33 Patienten zuständig ist. Eine gute Zusammenfassung zu den genannten Vorgängen zitiere ich aus einem Beitrag der Mitteldeutschen Zeitung vom 24.04.2018: „Vor sechs Jahren wurden wir an Ameos verkauft. Im wahrsten Sinne des Wortes. Als wir übernommen wurden, hatten wir eine gut laufende Einrichtung, wo verschiedene medizinische Bereiche Hand in Hand miteinander gearbeitet haben. Heute sieht man frustrierte, gestresste Mitarbeiter, traurige Patienten und genervte Angehörige.“ und weiter: „Es wurden Kollegen, die durch Rente, Krankheit und Weggang das Haus verlassen haben, nicht mehr oder nur kurzzeitig ersetzt.“

Übrigens lässt sich die Personalkürzung bzw. die Nichtanpassung der Personalquote bei massiv gesteigertem Umsatz und Gewinn, also bei mehr Fallzahlen, anhand der öffentlichen Bilanzen ganz gut belegen:

Zum Beispiel bei der AMEOS Klinikum Schönebeck GmbH.

Die Umsatzerlöse betrugen 2015 = 38.813 T€. Im Jahre 2016 waren es dann bereits 50.101 T€. Der Gewinn stieg auch um 30% an. Gleichzeitig sankt die Personalaufwandsquote im gleichem Zeitraum von 57,5% auf 44,1 %. Das heißt letztendlich, das mehr an Umsatz, also auch mehr zu behandelnde Fälle, wurde zu lasten des Personals vorgenommen.

Ein ähnliches Bild ergibt sich in der AMEOS Klinikum Bernburg GmbH: Die Umsatzerlöse betrugen 2016 T€ 47.051. Im Vorjahr T€ 36.854. Die Personalaufwandsquote betrug 2016 47,8 % .Im Vorjahr:61,2 %.

Meine Damen und Herren. Kosten werden im Wettbewerb zu Lasten der Beschäftigten, insbesondere des Pflegepersonals gesenkt. Der Pflegebereich wird damit häufig zur Stellschraube, um Krankenhäuser vor einem Defizit zu bewahren oder dem Träger eine höhere Rendite einzubringen. Die zweite wichtige Stellschraube ist die Erhöhung der Zahl der Patientinnen und Patienten. Krankenhäuser bemühen sich um lukrative, aber häufig auch medizinisch unnötige Eingriffe. Die Versorgung in den Krankenhäusern befindet sich oft am Rande von gefährlicher Pflege.

Privatisierung bedeutet hier kurz gesagt: Schlechterer Service, weniger bis gar keine demokratische Kontrolle mehr sowie prekäre bzw. sich verschlechternde Arbeitsverhältnisse und Ausgliederungen von Bereichen wie Labor, Küche, Fahrservice usw. Die verbliebenen Arbeitsplätze werden schlechter entlohnt, sind unsicher, und der soziale Standard sinkt. Ebenso haben sich Qualität und Sicherheit der Versorgung verschlechtert.

Die Privatisierung der Kliniken hat eindeutig erhebliche Nachteile für Beschäftigte und Patienten gebracht. Hauptsache alles ist privatisiert. Eine solche Politik muss endlich aufhören und die tägliche Erfahrung zeigt: Die elementare Daseinsvorsorge gehört in die öffentliche Hand.

Privatisierungen müssen endlich und endgültig gestoppt werden. Es braucht einen leistungsfähigen öffentlichen Sektor und angesichts der schlechten Leistungsbilanz privatisierter Unternehmen sollte man doch endlich mal weg vom Dogma kommen, privat sei stets besser als öffentlich. Das ist ein absoluter Irrglaube und Irrweg, wie wir immer wieder erkennen können bzw. in der Praxis leidvoll erfahren müssen.

Und eigentlich sind die Grundforderungen doch sehr verständlich: Versicherte wollen eine gerechte Finanzierung, Patientinnen und Patienten eine optimale Versorgung und Beschäftigte gute Arbeitsbedingungen und gute Bezahlung.

Meine Damen und Herren, auch die derzeitige Vergütung über Fallpauschalen ist unvereinbar mit Sinn und Zweck von Krankenhäusern. Als wettbewerbliches Entgeltsystem ist es nicht geeignet, für die Patientinnen und Patienten die optimale Therapie bereitzustellen und die Krankenhäuser finanziell in die Lage zu versetzen, als Einrichtungen der Daseinsvorsorge entsprechende Angebote vorzuhalten. Die Finanzierung der Gesundheitsversorgung müsste sich auch im stationären Bereich konsequent am medizinischen Bedarf der Patientinnen und Patienten, nicht an ökonomischen Zielen ausrichten. Die Patientinnen und Patienten dürfen nicht die begründete Befürchtung haben müssen, dass ihre Behandlung von ökonomischen Motiven abhängig ist. Allein medizinische Erwägungen sollten für Diagnose- und Therapieentscheidungen maßgeblich sein.

Gesundheit ist nun mal keine Ware! Gesundheit ist eine zentrale Voraussetzung für gesellschaftliche Teilhabe und Selbstbestimmung jeder und jedes Einzelnen. Gesundheit ist ein existenzielles Gut, das nicht den Spielregeln des Marktes unterworfen werden darf. Deshalb brauchen wir ein sozial gerechtes Gesundheits- und Pflegesystem.

Aber auch die Krankenhausfinanzierung insgesamt ist ungenügend. Krankenhäuser müssen bedarfsgerecht und solide finanziert werden.  Deshalb fordern wir auch eine öffentlich organisierte, von Krankenkassen, Ländern und auch dem Bund gemeinsam und solide finanzierte Krankenhausversorgung. Durch eine sozial gerechte Steuerpolitik des Bundes müssen die Länder und Kommunen auch in die Lage versetzt werden, ihren Investitionsverpflichtungen nachkommen zu können. Weitere Krankenhausprivatisierungen gilt es zu verhindern. Im Gegenteil: Krankenhäuser müssen wieder rekommunalisiert werden.

Seit vielen Jahren gibt die Bundespolitik einen Kurs vor, der dazu führt, dass kommunale Kliniken es schwer haben und das Ergebnis dieser Politik ist, dass es bundesweit mittlerweile mehr Kliniken unter privater Trägerschaft als unter öffentlicher gibt! Für private Träger ist die gute Versorgung der Bevölkerung jedoch bestenfalls Mittel zum Zweck. Profitsteigerung ist das wichtigste Ziel jedes Privatunternehmens. Das bedeutet letztendlich immer weitere Einschnitte bei den Beschäftigten und auch die Schließung von unrentablen Bereichen.

Übrigens hat vor den negativen Auswirkungen auf die Kranken der damalige Präsident der Bundesärztekammer, Jörg-Dietrich Hoppe, bereits 2005 gewarnt:

Ich zitiere: „Bisher durfte jeder in ein Krankenhaus aufgenommene Patient darauf vertrauen, so lange medizinisch betreut zu werden, bis er sich im Alltag wieder selbst helfen konnte. So viel Mildtätigkeit kann sich heute aber kaum ein Krankenhaus mehr leisten. (…) Der Patient droht zur reinen ökonomischen Bezugsgröße zu werden.“

Eine zukunftsfähige, flächendeckende Krankenhausversorgung muss öffentlich organisiert und bedarfsgerecht finanziert sein. Krankenhäuser als Einrichtungen der öffentlichen Daseinsvorsorge brauchen von den Ländern ausreichende Mittel, um ihre Häuser zu erneuern, zu renovieren und mit neuer Technik auszustatten.

Auch müssen die Betriebs- und Personalkosten der Krankenhäuser neu in die Fallpauschalen eingerechnet werden. Es darf keine Einsparungen zu Lasten von Patientinnen und Patienten sowie des Personals geben. Für eine qualitativ hochwertige Versorgung brauchen die Kliniken verbindliche Vorgaben für Personal im pflegerischen und medizinischen Aufgabenbereich.

Krankenhausbehandlung vorzuhalten ist übrigens eine sozialstaatliche Aufgabe. Die öffentliche Daseinsvorsorge verpflichtet den Staat, die Krankenhäuser ausreichend zu finanzieren. Die Versorgung von immer älter und kränker werdenden Patientinnen und Patienten erfordert eine ausreichend finanzierte Krankenhausstruktur und diese grundsätzlich in öffentlicher Hand.