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Andreas Höppner zu TOP 20: Geflügelpest: Hysterie nicht angebracht. Verhältnismäßige und konsequent risikoorientierte Anwendung nach der Geflügelpestverordnung sicher stellen

Nutzgeflügel musste bereits Anfang November 2016 in vielen Regionen Sachsen-Anhalts in den Stall. Mehrere Landkreise und Kommunen verhängten eine generelle Stallpflicht. Grund war die Ausbreitung des hoch ansteckenden Vogelgrippevirus H5N8. Das H5N8-Virus ist hochpathogen. Die Ausbrüche 2016/17 fingen bewiesen im Wildtierbestand an.

Der erste Fall wurde in NRW im Oktober 2016 an einem Bussard festgestellt und auch bei Leipzig war das hochansteckende Virus bei einer Wildente nachgewiesen worden. Das Friedrich-Löffler-Institut hatte nach den ersten Fällen von Vogelgrippe in Deutschland das Risiko als hoch eingestuft, das Influenza-Virus H5N8 könnte durch Wildvögel in Hausgeflügelbestände eingeschleppt werden. Am 25.11.2016 hatte das FLI seine Risikoeinschätzung dazu überarbeitet.

Vom 27.11.2016 bis zum 20.03.2017 galt dann in ganz Sachsen-Anhalt eine landesweite Stallpflicht für Geflügel. Aktuell galt aber weiterhin das Aufstallungsgebot in einzelnen Risiko- bzw. Restriktionsgebieten. Im Altmarkkreis Salzwedel z.B. wurde erst am Montag mit sofortiger Wirkung die Anordnungen der Aufstallung von Geflügel in den bestehenden Risikogebieten im Drömlíng und am Arendsee aufgehoben.

Die Entscheidung, ob Geflügel eingesperrt bleibt oder nicht, lag und liegt jetzt bei den Landkreisen und kreisfreien Städten. Für Landkreise, in denen mindestens zwei Wochen lang keine neuen Fälle aufgetreten sind, kann die Aufstallung auf ausgewiesene Risikogebiete beschränkt werden. Die Landesweite Stallpflicht galt in ganz Sachsen-Anahlt rund vier Monate und war gerade für Wasser- und Rassegeflügelzüchter aber auch für die Behörden und für die gesamte Region eine starke Belastung.

Deutschlandweit gab es im Jahre 2016 28 Ausbrüche in Geflügelhaltungen und 2017 waren es bis dato 66. Das ist somit die Größte dokumentierte Serie von Geflügelpest. Zur Bekämpfung der Vogelgrippe sind in Deutschland mehr als eine Million Hühner, Puten und Enten getötet worden. Nach Angaben des Bundesagrarministeriums wurden bis Anfang März 803000 Tiere in 78 Beständen mit nachgewiesener Geflügelpest getötet und ohne einen positiven Befund auf den Erreger H5N8, weil die Höfe z.B. in der Nähe von Beständen mit Vogelgrippe lagen, 254000 Tiere vorsorglich getötet. Alle Bundesländer waren übrigens von der Geflügelpest betroffen. In Sachsen-Anhalt gab es ebenfalls einige bekannte Fälle:

Auf einem Geflügelhof in Brumby - Salzlandkreis war die Vogelgrippe ausgebrochen. Rund 33.000 Legehennen wurden vorsorglich getötet, Der hochansteckende Erreger ist dort bei fünf Proben auf dem Hof nachgewiesen worden. Beim zweiten Fall von Vogelgrippe wurden im Dezember etwa 9500 Enten eines Geflügelbetriebes in Möser getötet.

Auch im Köthener Tierpark wurde am 2. Januar 2017 ein toter Schwan aufgefunden. Er war mit dem gefährlichen und hochgradig ansteckenden Erreger H5N8 infiziert. Damit galt dort der Ausbruch der Geflügelpest im Köthener Tierpark als amtlich festgestellt. Als Sofortmaßnahme hat die Veterinärbehörde des Landkreises in Abstimmung mit dem Landesverwaltungsamt den Tierpark aufgefordert, 130 Tiere, die am Fundort des toten Schwans Kontakt mit dem toten Tier gehabt haben könnten.

Hier müssen wir uns aber auch die Frage und der Verantwortung stellen, wie man mit dem Töten umgeht bzw. wie diejenigen auch emotional darunter leiden die die Tötung auf Anordnung durchführen müssen. Und das mit dem Wissen, das sie die Tiere sozusagen von klein auf und mit größter Tierliebe aufgezogen haben und diese nun, im wahrsten Sinne des Wortes, händisch selbst töten müssen. Auch wurde in der Öffentlichkeit gefragt, ob denn eine komplette Tötung des Bestandes sofort nötig war oder ob es nicht möglich gewesen wäre z.B. eine Quarantäne einzurichten und erst einmal alle anderen Tiere zu testen.

Insbesondere viele Hobbylandwirte beschwerten sich über die Stallpflicht, denn sie sind auf eine solche Aufstallung in der Regel nur unzureichend vorbereitet. Schon die letzte Geflügelpest hat die Hobbylandwirte überfordert und einige sehen die Stallpflicht sogar als Übertrieben an. Wenn es auch nach Einschätzung des Friedrich Loeffler Instituts der schwerste Vogelgrippe-Seuchezug überhaupt ist, muss dringend über Ursachen, aber auch Minimierung von Risiken und Schäden nachgedacht werden.

Stallpflicht ist für Privathaltungen oft kompliziert und zum Beispiel bei Wassergeflügel-, Tauben- oder Straußenhaltungen aus Tierschutzgründen schwierig. Auch wirtschaftliche Belange waren oder sind betroffen. Freilandhalter können nach 12 Wochen die Eier nicht mehr als Eier aus Freilandhaltungen, sondern nur noch als Bodeneier vermarkten. Das führt zu Erlöseinbußen von drei bis vier Cent pro Ei. Einige EU-Staaten und Bundesländer hoben zur Umgehung der Vermarktungsregeln die Aufstallpflicht für einen Tag auf, womit auf dem Papier Freilandeier hätten vermarktet werden können.

Übrigens gibt es nach derzeitigen wissenschaftlichen Erkenntnissen keine Hinweise darauf, dass das Vogelgrippevirus, das gegenwärtig kursiert, für den Menschen gefährlich ist. Es wurde bislang noch keine Mensch-zu-Mensch -Übertragung der „Vogelgrippe“, d.h. Geflügelpest, sicher bei uns nachgewiesen. Eine direkte Übertragung von infizierten Vögeln auf den Menschen ist nur bei sehr engem Kontakt möglich. Es gibt aber damit auch keinen Anlass für Leichtfertigkeit bzgl. des Infektionsrisikos für Menschen: Mutationen gehörten zur Natur von Viren. Es ist aber auch eine bessere Aufklärung und Bildung nötig. Viele Menschen kennen z.B. den Unterschied zwischen Viren und Bakterien nicht.

Einige Wissenschaftler behaupten, die Geflügelpest käme mit den Wildvögeln nach Deutschland - andere sagen das Virus kommt mit den Futtermittelimporten aus Asien nach Europa. Aber es stellt sich auch die Frage: Wie kommen die Erreger in die geschlossenen Geflügelanlagen. Das Friedrich Löffler Institut trifft hierzu leider keine konkreten Aussagen. Die Tiere in diesen Anlagen sind eigentlich völlig von der Außenwelt abgeschottet und die Anlagen insgesamt sind sozusagen hermetisch abgeschlossen und gesichert. Das bedeutet doch aber letztendlich, dass diese Tiere nur über Futter oder z.B. Einstreu oder Transportkäfige infiziert werden können. An der Stelle hilft dann die Stallpflicht leider auch nicht weiter. Sie verschlimmert sogar die Situation.

Eine dauerhafte Stallhaltung ist erwiesenermaßen gerade für Rassegeflügel gesundheitsgefährdend und widerspricht dem Tierschutz, da eine artgerecht Bewegung nicht mehr gewährleistet werden kann. Für die Tiere bedeutet eine reine Stallhaltung extremer Stress. Dieser führt zu unnormalen Verhaltensweisen was u.a.auch zu einer Veränderung der Federstruktur, Federpicken oder sogar zum Tod führen kann. Zusätzlich ist die Nachzucht gefährdet. Mit zunehmender Dauer führen die aus der Vogelgrippe resultierenden Beschränkungen zu immer mehr Fragen über die Grundlagen der Einschränkungen. Die durch die Einschränkungen verschlechterten Lebensbedingungen für eine Vielzahl von Tieren kann man also nicht auf Dauer aufrechterhalten. Dringend neu bewertet werden müssen somit die Zusammenhänge zwischen Strukturen der Geflügelindustrie sowie dem Auftreten und der Verbreitung von Seuchen.

Auch zahlreiche Veterinärmediziner, Geflügelhalter und Sachverständige drängen auf eine Überarbeitung bzw. Neufassung der Geflügelpest-Verordnung. Grund dafür ist, dass innerhalb einer Wildvogelpopulation eine Infektion für ein kurzzeitiges Krankheitsgeschehen mit einer geringen Rate verendeter Tiere nach sich zieht. Nach Durchlaufen der Infektion ist das Virus in gesunden Wildvögeln nicht mehr nachweisbar.Insgesamt ist das eigentlich auch ein gutes Motiv, mehr in die Forschung darüber zu investieren!

Bekannt ist auch, das vor allem konsequente Biosicherheitsmaßnahmen vor Ort über das Infektionsrisiko im Bestand entscheiden. Deshalb sind wir auch der Ansicht das zum Beispiel Bauvorschriften geprüft werden müssen. Auch ist bekannt, dass in Regionen mit hohen Tierdichten und bei sehr großen Tierhaltungen notwendige Bekämpfungsmaßnahmen besonders ethisch und volkswirtschaftlich bedenkliche Folgen haben. Deshalb müssen solche Risiko-Strukturen identifiziert und korrigiert werden.

Wir fordern übrigens schon länger das Tierdichten in den Regionen und Bestandsgrößen am Standort gedeckelt werden. Nutztierbestände müssen sich an der Versorgungssicherung und den regionalen Stoffkreisläufen orientieren, d. h. auch eine Orientierung an den verfügbaren Flächen für die Futterversorgung und an der regionalen Verwendung von Gülle oder Mist zur Düngung.

Uns geht es also darum, die bereits gewonnen Erkenntnisse und Erfahrungen über Einschleppungsursachen, Verbreitungsrisiken, Haltungsbedingungen, Erfahrungen auch aus den Nachbarländern in denen z.B. keine Stallpflicht für Kleinstbetriebe galt, aktuell zu analysieren und eigene Expertise sowie Handlungsspielräume besser zu nutzen. Es geht aber auch darum Handlungs- und Ermessensspielräume, die übrigens die Geflügelpestverordnung bereits zulässt, für artgerechte Haltungsbedingungen und im Interesse der betroffenen Geflügelhalter auszuschöpfen und speziell risikoorientierte Entscheidungen zu treffen. Angemessene, aber auch konsequent durchgesetzte Entscheidungen der Behörden sind nun mal Grundlage des Vertrauens in ihr Handeln.

Es kommt also auch künftig darauf an, angemessen staatlich zu reagieren, um unnötiges Tierleid zu verhindern und Schäden von Tierhaltern und dem Menschen abzuwenden.Wir sind aber auch der Meinung, das es notwendig ist, im Laufe des Jahres alle Beteiligten an einen Tisch zu holen, um sich auf eine im Spätherbst zu erwartende Wiederkehr der Geflügelpest gut vorzubereiten.