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Wulf Gallert zu TOP 30: Ehrenamtliches Engagement in der Flüchtlingshilfe

Eingangs möchte ich mich ganz herzlich bei der SPD bedanken, diese Debatte heute eingebracht zu haben. Traditionell ist der Dezember ja der Monat, in dem das Ehrenamt besonders gewürdigt wird. Und zwar in erster Linie vom politischen Hauptamt, nämlich von uns.

Allerdings will ich auf die Vielzahl unserer Anträge hinweisen, die wir dazu als Fraktion eingebracht haben, die sich mit den Rahmenbedingungen für ehrenamtliches Engagement in unserer Gesellschaft beschäftigen. Denn die Ehrenamtlichen sind oftmals damit konfrontiert, dass sie politische Würdigung in den sprichwörtlichen Sonntagsreden erfahren, aber nicht selten feststellen müssen, dass ihnen die gleichen Politiker Steine in den Weg legen. Das betrifft zum einen die fehlende Finanzierung der hauptamtlichen Unterstützung für das Ehrenamt in Kommunen und auf der Landesebene oder auch die Auslegung von Gesetzen wie die nachträgliche Veranlagung von kommunalen Aufwandsentschädigungen für die Sozialversicherungen oder gar der drohende Verlust der Gemeinnützigkeit, falls Sportvereine Flüchtlinge ohne Leistung eines Mitgliedsbeitrags integrieren. Für die Ehrenamtler zählt also nicht nur die verbale Würdigung, nein, es zählt auch das, was wir in  der Realität tun oder nicht.

Allerdings geht es bei dieser Aktuellen Debatte nicht um das Ehrenamt allgemein, sondern um die größte ehrenamtliche Bewegung, die die Bundesrepublik seit vielen Jahren hervorgebracht hat, nämlich die der Flüchtlingsbetreuung. Durchaus seriöse Schätzungen gehen davon aus, dass sich bis zu 7 Mio. Menschen in der Bundesrepublik daran beteiligt haben und immer noch beteiligen. Und wenn wir in der letzten Zeit über die Sorgen und Ängste vieler Menschen bezüglich der Flüchtlinge geredet haben, so ist tatsächlich die Würdigung derjenigen, die sich um die Sorgen und Ängste der Geflüchteten gekümmert haben, viel zu kurz gekommen. Sie waren an vielen Stellen mutiger, entschlossener und solidarischer, als es die offizielle Politik war.

Zwischenzeitlich hatten wir den Eindruck, dass die Bundesregierung von dieser Welle der Hilfsbereitschaft, auf die wir alle gemeinsam stolz sein können, eher getrieben wurde.

Allerdings gehört zur Ehrlichkeit in der Debatte auch dazu, dass die Würdigung der Ehrenamtlichen, die sich mit ganzer Kraft für Flüchtlinge bei uns einsetzen, kein politischer Konsens ist. Der Fraktionsvorsitzende der AfD im Brandenburger Landtag bezeichnet sie als nützliche Idioten, der Landrat von Anhalt-Bitterfeld als rosarote Willkommens-Hysteriker und auch bei uns in Sachsen-Anhalt gab es schon Fälle, dass ehrenamtliche Helfer von Rassisten wegen ihrer Hilfe bedroht und angegriffen wurden. Während der Fall des ehemaligen Bürgermeisters von Tröglitz noch bundesweit Schlagzeilen machte, sind solche Bedrohungen heute an der Tagesordnung und kaum noch eine Zeitungsnotiz wert. Unsere gemeinsame Pflicht muss es sein, diese Diskreditierung von ehrenamtlichem Engagement, entstanden aus Menschlichkeit und Solidarität, gegen diese Angriffe zu verteidigen.

Ich möchte in diesem Zusammenhang auch noch auf einen anderen Komplex verweisen, nämlich auf Menschen, die schon seit längerer Zeit in der Flüchtlingshilfe tätig sind und nicht selten frustriert feststellen müssen, dass sie einen Großteil ihrer Arbeit darauf verwenden müssen, Hürden zu überwinden, die ihnen Gesetzgeber und Bürokratie in den Weg stellen. Die immer wieder an Mauern stoßen, weil das Ausländerrecht in der Bundesrepublik Deutschland spätestens seit den Asylrechtsänderungen Anfang der 90er Jahre auf Abwehr und nicht auf Integration ausgerichtet ist.
Junge Menschen, die z. B. medizinische Versorgung für illegalisierte Flüchtlinge organisieren und denen aus diesem Grund selbst eine Kriminalisierung droht. Oder auch Studenten der Fachhochschule Merseburg, die in der Flüchtlingsunterkunft Krumpa Deutschkurse angeboten haben und vielleicht dabei auch Flüchtlinge über ihre Rechte aufgeklärt haben. Der Betreiber erteilte ihnen daraufhin Hausverbot, der Landkreis schwieg. Oder wie beurteilen wir heute diejenigen Menschen, die im Sommer diesen Jahres, bevor die Bundeskanzlerin die Grenzen öffnete, Menschen auf eigene Rechnung vom Budapester Keleti-Bahnhof abholten, um ihnen zu helfen? Sind das nun kriminelle Schleuser oder nicht auch ehrenamtliche Flüchtlingshelfer, die wir heute würdigen wollen?

Lassen Sie mich dazu Folgendes festhalten: Ich ziehe vor jedem Freiwilligen den Hut, vor jedem Feuerwehrmann, vor jedem Fußballtrainer, vor jeder Chorleiterin der Volkssolidarität. Ja, sogar vor jedem Karnevalsverein-Vorsitzenden, obwohl ich selbst bekennender Preuße bin. Aber all die Genannten können sich sicher sein, dass die Würdigung ihres Engagements gesellschaftlicher Konsens ist.

Unsere Hochachtung vor den Menschen in der Flüchtlingshilfe hat noch eine andere Dimension. Sie geben nicht nur ihre Kraft und Liebe für diese Aufgabe, sondern sind auch noch damit konfrontiert, dass ihr Engagement ignoriert, belächelt, diskreditiert, ja sogar angegriffen wird.

Die Ehrung der Ehrenamtlichen in der Flüchtlingshilfe darf jedoch nicht darüber hinweg täuschen, dass sie hier noch mehr als in anderen Bereichen Defizite, ja manchmal sogar das Versagen des Staates kompensieren müssen. Auch in Sachsen-Anhalt hätten wir es dem Ehrenamt deutlich leichter gemacht, wenn wir schneller auf die Herausforderungen reagiert hätten. Die Unterbringung in Zelten in der ZAst noch bis in den November hinein war Ausdruck von Missmanagement. Und ich kann nur noch einmal wiederholen, dass ich die Einschätzung des DRK-Chefs aus Wanzleben ausdrücklich teile, dass die Betreuung von Zeltlagern durch das DRK im November abgelehnt wurde, weil man sich nicht an der Legitimierung solch unhaltbarer Zustände beteiligen wollte.

Ähnliche Kritik muss sich diese Landesregierung gefallen lassen, wenn bspw. die Kosten für die Brandsicherung in der ZAst Halberstadt durch die Freiwilligen Feuerwehren durch das Land gar nicht oder zu spät übernommen werden. Das sind Beispiele, wie Politik und Verwaltung dem Ehrenamt das Leben zusätzlich schwer gemacht hat, und die müssen der Vergangenheit angehören.

Lassen Sie mich am Ende noch auf einen letzten Aspekt eingehen: In der Antragsbegründung ist die Rolle der Kirchen gesondert gewürdigt worden. Wir schließen uns diesem Dank ausdrücklich an. Schon seit langem sind kirchliche Gemeinden verlässliche Partner im Kampf gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit und tatkräftige Unterstützer in der Flüchtlingshilfe. Erst kürzlich kam es in Magdeburg zu einer gemeinsamen Aktion der Religionsgemeinschaften, also auch der Jüdischen Gemeinde und der Muslimischen Gemeinde. In den protestantischen und katholischen Gemeinden werden in diese Unterstützung wahre christliche Grundwerte gelebt. Und sie fragen nicht nach Religionszugehörigkeit, Herkunft oder Hautfarbe, sondern nach den Menschen und deren Nöten.

Deshalb ist es umso perfider, dass andere, die in ihrer übergroßen Mehrheit bisher kaum etwas mit der christlichen Religion zu tun hatten, meinen, dass Abendland gegen eine vermeintliche Islamisierung verteidigen zu müssen.
Sie sind es, die in Wahrheit gegen die Grundwerte des Christentums verstoßen und aus Angst Hass machen und der Gewalt gegen Flüchtlinge Vorschub leisten. Jene, denen die christlichen Werte wirklich am Herzen liegen, sind diejenigen, die sich konkret und aktiv in der Flüchtlingshilfe engagieren. Und das sind sehr viele in unserem Land, auch und gerade Christinnen und Christen.

Ja, die Ehrenamtlichen in der Flüchtlingshilfe haben unsere Würdigung verdient, aber nicht nur das. Sie haben Anspruch darauf, in ihrer Arbeit von uns wirkungsvoll unterstützt zu werden. Unterstützung heißt aber nicht, die Lage von Flüchtlingen durch die Verschärfung der Asyl- und Ausländergesetzgebung weiter zu verschärfen. Sie haben es verdient, von uns verteidigt zu werden, wenn sie für ihr Engagement diskreditiert und angegriffen werden. Das sind unsere Aufgaben ihnen gegenüber, denen wir uns verpflichtet fühlen.