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Wulf Gallert zu TOP 21: EU-Fördermittel für Sachsen-Anhalt auch in Zukunft zu sichern, setzt Solidarität voraus

Anrede,

Man kann sich diesem Thema auf zwei verschiedenen Wegen nähern. Wir können hier im Landtag über die EU-Fördermittel reden, die wir aus den sogenannten Kohäsionsfonds seit vielen Jahren bekommen und die trotz aller Probleme bei ihrem Einsatz für Maßnahmen auf dem Arbeitsmarkt, in der Schulsozialarbeit, beim Infrastrukturausbau und der Unternehmensförderung eine Menge für die Entwicklung in Sachsen-Anhalt getan haben.

Man kann aber auch darüber reden, wie sich die Zukunft der Europäischen Union insgesamt gestalten wird. Wird sie in 5 oder 6 Jahren überhaupt noch so existieren, wie wir sie jetzt kennen. Wird sie vielleicht nur noch als Freihandelszone mit möglichst hohen Außenmauern und weltweiten militärischen Interventionen existieren oder wird sie sich zu einer Solidarunion entwickelt haben, die die soziale Situation der Menschen in den Mittelpunkt stellt.

Egal welchen Ausgangspunkt man für diese Debatte nimmt, man kommt von einem Thema immer auch zum anderen, denn die zukünftigen Fördermittel der EU für Sachsen-Anhalt hängen unmittelbar von ihrem zukünftigen Charakter ab.

Worum geht es nun konkret? Zurzeit wird in Brüssel und in allen europäischen Mitgliedsstaaten über die sogenannte Mittelfristige Finanzplanung der EU gesprochen. Dabei geht es um die Jahre 2021 bis 2027 und die beiden spannenden Fragen, die es immer bei Haushaltsberatungen gibt, wie viel und wofür soll Geld ausgegeben werden.

Und diese Fragen haben eine erhebliche politische Brisanz.

Kommen wir zur ersten Frage: Wie viel Geld soll die Europäische Union zukünftig zur Verfügung haben. Alles in allem reden wir ungefähr über eine Summe von einer Billion Euro in 7 Jahren. Das klingt viel, ist aber nur etwas mehr als 1 Prozent des Wirtschaftsaufkommens in der EU. Allerdings ist dieses eine Prozent Gegenstand erheblicher Auseinandersetzungen. Die Entsolidarisierung in der Europäischen Union, der Aufstieg nationaler Egoismen befeuern die Diskussion um die Reduzierung des EU-Haushaltes. Die Debatten wurden in der Vergangenheit und noch mehr in der Gegenwart häufig nur noch unter kurzsichtigen Kosten-Nutzen-Rechnungen betrachtet. Die Debatte in den sogenannten Nettozahler-Ländern, also Länder die mehr in den EU-Haushalt einzahlen, als aus Brüssel wieder an Geld zurückfließt, also auch in Deutschland wird immer stärker durch dieses Egoismus geprägt. In Großbritannien hat diese Debatte letztlich zum Austritt aus der Union geführt und entgegen vereinzelter Darstellungen aus der rechten Ecke hat dies der britischen Wirtschaft sehr wohl geschadet, wie man an den unterdurchschnittlichen Wachstumsraten der letzten zwei Jahren klar erkennen kann. Selbst unter rein wirtschaftlichen Aspekten ist eine Solidarunion das bessere Modell.

Am Dienstag wurde die Außenhandelsbilanz unseres Landes für das vergangene Jahr vorgestellt. Größter Außenhandelspartner ist Polen, ein Land, das zu den größten Empfängern von Kohäsionsmitteln der Europäischen Union gehört. Besser kann der gemeinsame Nutzen für eine solidarische Entwicklung aller Teile der Union kaum dokumentiert werden. Wir profitieren in Deutschland genauso von der Förderung Polens, wie die Polen selber. Und auch das ist interessant, die Handelsbilanz zwischen Sachsen-Anhalt und Polen ist annähernd ausgeglichen, sie kaufen nicht nur Waren mit EU-Geldern, sie sind auch in der Lage in etwa in gleichem Maße Produkte nach Sachsen-Anhalt zu exportieren.

Das sind genau die Effekte, die bei einer nationalegoistischen Betrachtung ignoriert werden, aber es sind auch die Effekte, die für die Entwicklung Sachsen.-Anhalts von ausschlaggebender Bedeutung sind.

Kommen wir zur zweiten Frage: Wofür soll das Geld ausgegeben werden. Juncker machte in seiner Pressemitteilung kurz vor dem Sondergipfel der EU-Staats- und Regierungschefs im Februar deutlich, dass die Entscheidung über die Prioritäten im Haushalt auch eine Entscheidung über die Zukunft der EU ist. Welche EU wollen wir? Er stellte mit seinem Papier verschiedene Szenarien der einzelnen Prioritäten gegenüber. Und da müssen wir klar sagen, dass eine Reduzierung der Kohäsionsmittel zugunsten eines Investitionsfonds, der rein auf Rendite ausgerichtet ist, einer Verteidigungsunion oder der Manifestierung der Festung Europa durch eine massive Verstärkung der Außengrenzabsicherung, von uns abgelehnt wird.

Die Kohäsionspolitik ist das wichtigste Instrument der EU, um den Solidaritätsgedanken zu realer Politik zu machen, um den wirtschaftlich schwächsten Regionen und den dort lebenden Menschen eine Perspektive zu geben. Sie ist damit auch ein wesentlicher Bestandteil für die Akzeptanz der EU bei den Bürgerinnen und Bürgern der EU. Eine Prioritätenverschiebung wäre vor allem auch für die nach wie vor wirtschaftlich schwachen Regionen in Ostdeutschland fatal und kaum vermittelbar.

Die Landesregierung hat nun die Chance gemeinsam mit den anderen ostdeutschen Bundesländern für diese Position zu werben. Darüber hinaus hat sie die Möglichkeit sich bei der Konsultation der EU-Kommission zum Mehrjährigen Finanzrahmen einzubringen, wie jede Bürgerin und jeder Bürger der EU übrigens auch. Wir sollten alle davon Gebrauch machen, um auch Sachsen-Anhalts Interessen in der EU Gehör zu verschaffen. Denn am Ende bedeutet das Wegfallen der EU-Kohäsionsmittel nicht, dass die Bundesregierung mehr Geld zur Verfügung hätte und dieses gönnerhaft den strukturschwachen Regionen in Ost (und West) zur Verfügung stellen würde. Das hat der GroKo-Vertrag, glaube ich, deutlich gemacht. Die ostdeutsche Perspektive ist keine Perspektive der zukünftigen Bundesregierung.

Wir streiten für ein solidarische, eine soziale und eine friedliche Europäische Union. Dies ist aus unserer Sicht noch nicht da, wo es sein könnte, aber ohne Solidarität hat diese Union keinerlei Perspektive mehr.