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Wulf Gallert zu TOP 18: Entgeltgleichheit verwirklichen - Lohnlücke endlich schließen

Die von der SPD eingereichte Aktuelle Debatte zielt auf die Beseitigung des Unterschieds bei den Arbeitseinkommen zwischen Männern und Frauen. Ich will der gesamten Debatte nicht vorgreifen, aber ich gehe einmal davon aus, dass dieser Zielstellung zumindest heute hier im Landtag niemand widersprechen wird. Wirklich spannend ist eher die Frage, wie ein solches Vorhaben tatsächlich umgesetzt wird, denn obwohl es einen vermeintlichen Konsens zur Schließung dieser Lücke gibt, haben wir zumindest im Osten die Situation, dass sie größer wird. D. h., es gibt offensichtlich gesellschaftliche Rahmenbedingungen, die die Einkommenssituation von Frauen auf dem Arbeitsmarkt verschlechtern statt verbessern.

Allerdings handelt es sich bei diesem Trend eher um die Annäherung an westdeutsche Normalität als um ein spezifisch ostdeutsches Problem. Und da kommen wir dann auch schon zu einer Besonderheit, auf die man trotz aller Probleme im Osten stolz sein kann. Während der Lohnunterschied bundesweit 22 % beträgt, sind es in Thüringen und Mecklenburg-Vorpommern nur 5 % und in Sachsen-Anhalt 8 %. Den Einwand, dass der Lohnunterschied im Osten nur deshalb geringer als im Westen ist, können wir nicht gelten lassen, weil es innerhalb der EU auch Länder gibt, deren Lohnniveau unterhalb der ostdeutschen Bundesländer liegt und die Frauen auch dort deutlich stärker benachteiligt sind. Also ist es durchaus wertvoll, einen Blick auf die ostdeutsche Spezifika zu werfen, wenn es darum geht, diese Ungerechtigkeit zu beseitigen. Wir haben die Tradition, dass der Zugang zum Arbeitsmarkt, und zwar zu einer Vollzeittätigkeit für Männer und Frauen gleichermaßen gewährt oder auch erwartet wird. Allerdings, und das führte dann auch in der DDR zu einer strukturellen Benachteiligung der Frau, bleibt es häufig bei einer Doppelbelastung der Frauen durch die überwiegende Zuständigkeit für die Familienarbeit. Dies ist allerdings im Westen noch viel stärker ausgeprägt, so dass in dem westlichen konservativen Familienbild einen männlichen Hauptverdiener und eine weibliche Zuverdienerin oder Hausfrau gibt. Leider ist es übrigens so, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass dieses Modell durchaus eine Renaissance erlebt. Nicht nur bei der AfD, sondern auch darüber hinaus, u. a. wenn man sich das Positionspapier des konservativen Kreises in der CDU hier in Sachsen-Anhalt anschaut. Insofern ist es wichtig, auch in dieser Aktuellen Debatte vor einem gesellschaftlichen Roll back zu warnen, nachdem die Einkommensnachteile von Frauen im Interesse eines heilen konservativen Familienbildes in Kauf zu nehmen sind.

Kommen wir nun zu den Dingen, die uns in Sachsen-Anhalt beunruhigen und die wir verändern müssen. Da haben wir zum einen die Debatte um die reale Einschätzung des Lohnniveaus hier bei uns im Land. Herr Haseloff wurde in den letzten Jahren nicht müde, die aus seiner Sicht hervorragende Lohnentwicklung in Sachsen-Anhalt zu würdigen. Interessant war dabei, dass er immer nur von den Einkommen der sozialversicherungspflichtigen Vollzeitbeschäftigten sprach. Kurzer Einwurf: der Durchschnittslohn beträgt hier nach dem Bundesamt für Statistik im III. Quartal 2014 16,28 Euro. Konkret sind das für Männer 16,61 Euro und für Frauen 15,71 Euro. An diesen Zahlen kann man übrigens sehen, dass auch bei uns in Sachsen-Anhalt schon deutlich mehr Männer in den besser bezahlten Vollzeitbeschäftigungen sind als Frauen. Interessant ist nun aber, dass die Entlohnung bei Teilzeitbeschäftigungen im Durchschnitt 14,52 Euro beträgt, bei den Frauen übrigens 14,38 Euro. Auch hier lässt sich erkennen, dass deutlich mehr Frauen Teilzeitstellen haben als Männer. Wenn man diese Teilzeitentlohnung nicht ignoriert, ist Sachsen-Anhalt zusammen mit Mecklenburg-Vorpommern in der Lohnstatistik immer noch ganz hinten.

Nur das Problem, was ansonsten unter den Tisch fällt, ist eben genau die schlecht bezahlten Teilzeitarbeitsverträge, die ganz überwiegend für Frauen gelten. Das Problem dieser Landesregierung beginnt schon damit, dass sie dieses Problem überhaupt nicht zur Kenntnis nimmt. Wenn man das Problem aber einmal erfassen würde, dann könnte man auch darüber diskutieren, wie man es beseitigen kann. Aus unserer Sicht gibt es dazu eine ganze Reihe von Möglichkeiten, die wichtigste davon ist die gerechte Verteilung von Arbeitszeit, d. h. also, dass der Trend, dass immer weniger Menschen  immer mehr arbeiten müssen, gestoppt werden muss. Dieser führt in der Konsequenz dazu, dass diejenigen, die voll in der Arbeitswelt drin stehen, immer schlechtere Rahmenbedingungen für Familienarbeit haben, die allerdings auch bewältigt werden muss, so dass die Umstände dazu zwingen, dass sich ein Teil zumindest stückweise oder sogar ganz aus der Arbeitswelt zurückziehen muss. Und dies sind dann erfahrungsgemäß überwiegend die Frauen. Übrigens auch ein Modell, das gesellschaftlich noch immer deutlich anerkannter ist, als wenn Männer diese Rolle übernehmen.

Wenn wir diesen Trend zur Unterteilung in den karriereorientierten omnipräsenten und flexiblen Arbeitnehmer auf der einen Seite und der teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmerin auf der anderen Seite, durchbrechen wollen, müssen wir die Arbeitswelt so umgestalten, dass Vereinbarkeit von Familie und Beruf für jeden Beschäftigten, egal auf welcher Ebene und egal von welchem Geschlecht, möglich ist.

Nun appelliere ich an uns alle, unseren Einfluss als Land auf die Arbeitsbedingungen in der Privatwirtschaft nicht zu überschätzen und übrigens auch nicht diesen Eindruck zu erwecken. Aber wir haben zumindest einen Bereich, in dem wir es tun könnten, nämlich den Landesdienst. Und da fährt das Land seit Jahren die umgekehrte Strategie. Immer weniger Bedienstete sollen immer mehr leisten. Das Personalentwicklungskonzept dieser Landesregierung steht mit dieser Zielstellung im genauen Gegensatz zu einer gendergerechten Arbeitswelt. Und deswegen kann es auch nicht verwundern, dass bei einem weiteren Thema der gläserne Deckel für die Karrierechancen von Frauen, die Zusammensetzung dieser Landesregierung der beste oder vielmehr schlechteste Beweis ist. Insofern würde es ausdrücklich zur Glaubwürdigkeit von Forderungen gegenüber anderen beitragen, wenn das Land selbst als Vorbild dienen würde. Das, werte Kolleginnen und Kollegen, tut es allerdings mitnichten.

In der Begründung zur Aktuellen Debatte spricht die SPD noch ein weiteres Hindernis für die gerechte Entlohnung von Frauen an, die Intransparenz  der Einkommen von Arbeitnehmerinnen in den Betrieben. Natürlich gibt es das Problem, dass das Einfordern von geschlechtergerechten Einkommen unter Umständen schon daran scheitert, dass die Einkommensverhältnisse in einem Betrieb verschwiegen werden. Die Umsetzbarkeit eines Transparenzgesetzes ist zurzeit jedoch mit vielen Fragen versehen. Aus unserer Sicht gibt es zwei Alternativen: Zum einen benötigen wir die Stärkung von Flächentarifverträgen, die schon dadurch eine Transparenz schaffen, in dem die Entgeltgruppen und Lohnhöhen öffentlich einsehbar sind. Zum anderen besteht die Möglichkeit, über die Stärkung von Betriebsräten, deren unmittelbare Aufgabe es ist, unberechtigte Lohnunterschiede zu monieren, mehr Geschlechtergerechtigkeit in den Betrieben zu ermöglichen.

Die Zeit erlaubt es leider nicht mehr, auf andere strukturelle Ungerechtigkeiten in der Entlohnung der Geschlechter intensiver einzugehen. Aber ein kurzes kleines Beispiel will ich dann doch noch nennen. Es ist noch nicht allzu lange her, da gab es eine Opel-Krise und die Schlecker-Pleite in unserem Land. Können Sie sich noch erinnern, wie extrem unterschiedlich Gesellschaft und Politik auf den Verlust von Männer- und Frauenarbeitsplätzen reagiert haben? Auch dies ist übrigens ein Grund, warum wir mit dem Instrument des Gender-Budgeting die unterschiedliche Wirkung von öffentlicher Mittelverwendung auf die Geschlechter untersuchen wollen. Nur dann werden wir überhaupt in die Lage versetzt, die Dinge wirklich zu verändern, die die strukturelle Benachteiligung von Frauen bei den Einkommen befördern.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, vor drei Wochen diskutierte ich mit einer Reihe von Vertretern unterschiedlicher Frauenorganisationen- und Initiativen hier in Magdeburg über ihre Arbeit. Von der Politik der Landesregierung, das dürfte kein Geheimnis sein, waren diese überwiegend enttäuscht. Aber sie verwiesen auch auf gute Beispiele, wie die öffentliche Hand mit diesen Problemen umgeht. Und diese guten Beispiele bezogen sich vor allem auf die EU und deren Bestimmungen zur Verwendung öffentlicher Fördermittel, die vom Land, wenn überhaupt, nur widerwillig umgesetzt werden.

Unser Ziel als LINKE wird es in Zukunft sein, die schlechte Position unseres Landes in der Frage der Geschlechtergerechtigkeit zu verbessern. Durch eine andere Personalpolitik im Land, durch einen gezielten Einsatz öffentlicher Mittel und durch eine gesellschaftliche Debatte, die sich gegen ein konservatives Roll back wendet und für mehr Sensibilität in dieser Frage sorgt.