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Uwe Loos zu TOP 19: Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Kommunalverfassungsrechts des Landes Sachsen-Anhalt und zur Fortentwicklung sonstiger kommunalrechtlicher Vorschriften

Heute liegt uns der Entwurf des Kommunalrechtsreformgesetzes der Landesregierung vor, welcher neben der Gemeinde- und Landkreisordnung, dem Verbandsgemeindegesetz auch weitere, erst vor wenigen Monaten beschlossene Gesetze ändern will.

Nach langjähriger kommunaler Praxis hat sich gezeigt, dass Anpassungen im Kommunalverfassungsrecht unumgänglich sind. Anders als in den vorherigen Wahlperioden hat die Landesregierung umfangreich die kommunalen Verwaltungen und Mandatsträger in das Gesetzgebungsverfahren einbezogen, was positiv zu bewerten ist.

Die kommunale Ebene des Landes Sachsen-Anhalt ist seit der Wiedervereinigung und dem neu strukturierten Aufbau der Kommunalverwaltung immer wieder Veränderungen unterworfen gewesen. Diese betrafen zum einen die kommunalen Strukturen, nicht nur in Bezug auf den Gebietstand, sondern auch auf die Organisation der Verwaltung. Mit den Reformen der kreislichen und gemeindlichen Ebene gingen zahlreiche Ergänzungen und Änderungen der rechtlichen Grundlagen in der Gemeindeordnung wie auch der Landkreisordnung einher, die das kommunale Verfassungsrecht zum Teil unübersichtlicher gemacht haben und auch zu Umsetzungsdefiziten in der Anwendung einzelner Vorschriften in der kommunalen Praxis beitrugen.

Überwiegend reformbedingte Gründe haben dazu geführt, dass die Kommunalverfassung des Landes Sachsen-Anhalt seit ihrem 1. Inkrafttreten zum 1. Juli 1994 einer permanenten und nicht nur punktuellen Veränderung unterzogen wurde. Eine Gesamtüberarbeitung erfolgte nicht.
Daraus haben sich zum Teil Defizite bei der Anwendung des Kommunalverfassungsrechts in der Praxis ergeben, die häufig zu Rechtsunsicherheiten und Rechtsunklarheiten führten.

Unsere Hoffnung, dass mit den vorgeschlagenen Änderungen eine Reform und Fortentwicklung des Kommunalverfassungsrechts als wesentlichen Aspekt in Angriff genommen wird, wird mit diesem Gesetzentwurf nicht erfüllt, die aufgeführten Problemstellungen und vorgeschlagenen Reglungsansätze führen eher nicht zu einer Verbesserung, nein, in Teilen wird eine bestehende Entwicklung und eine notwendige Angleichung der rechtlichen Normen ins Gegenteil verkehrt. Entwicklungen, wie sie im Einsetzungsbeschluss der Enquete-Kommission zur Verwaltungsmodernisierung enthalten sind, werden mit diesem Gesetzentwurf nicht eingefangen. Fragen der Verbesserung und der Entwicklung des Dreiecksverhältnisses zwischen Verwaltung, kommunaler Vertretung und Einwohnerschaft bis hin zur Entwicklung einer Bürgerkommune werden völlig ausgeblendet.

Kurz möchte ich mich auf Kernaussagen unseres Änderungsantrages Drs. 6/2257 eingehen.

Die beabsichtigte Regelung der Landesregierung zu den plebiszitären Einflussmöglichkeiten der Bürgerinnen und Bürger ist ein Schritt in die richtige Richtung, jedoch sollten diese Möglichkeit allen Einwohnern der Kommunen zur Verfügung stehen, die mindestens drei Monate in der Kommune wohnen.

Wir schlagen den Ausbau von Kinder- und Jungendrechten vor.

Die Unterstützungsunterschriften beim Einwohnerantrag wollen wir auf 1 vom Hundert der Einwohner, höchstens jedoch 300 Einwohner begrenzen.
Auch erachten wir eine altersmäßige Begrenzung ab dem vollendeten 14. Lebensjahr bei Einwohneranträgen für angemessen.

Bürgerinitiativen sollen auf Grund ihrer Stellung in den Kommunen nach unserer Vorstellung ein entsprechendes Mitspracherecht erhalten.

Bei einem Bürgerbegehren beantragen wir einen allgemeinen Kostendeckungsvorschlag. Dieser kann durch die Einreichenden definiert werden und gegebenenfalls durch Unterstützung der Verwaltung qualifiziert werden. Gleichzeitig sollen nach unserer Auffassung auch Bürgerbegehren  zur Höhe von Abgaben und privatrechtlichen Entgelten zulässig sein, soweit das Kostendeckungsprinzip beachtet wird. In Thüringen ist dies gesetzlich verankert.

Im Sinne der Motivation für bürgerschaftliches Engagement fordern wir ein Vorprüfungserfordernis für Bürgerbegehren. Für Bürgerentscheide möchten wir das Zustimmungsquorum auf 5 Prozent der wahlberechtigten Einwohner reduzieren. Dies würde eine Willkürlichkeit ausschließen und den notwendigen Verwaltungsaufwand angemessen berücksichtigen. Wir halten eine mindestens einmal im Jahr durchzuführende Einwohnerversammlung für unumgänglich und haben einen konkreten Vorschlag dazu unterbreitet. Aus unserer Sicht ist das Argument der Nichtzulässigkeit von Einwohnerfragen zu Behandlungsgegenständen der Tagesordnung nicht mehr zeitgemäß. Allein über die sozialen Netzwerke wie Facebook oder Twitter wird mehr Einfluss auf die Entscheidung genommen als über die Einwohnerfragestunde.

Um das ehrenamtliche Engagement für unsere Gemeinden, Städte und Landkreise nicht zu entwerten, fordern wir, dass Aufwandsentschädigungen nicht den Zwecken der Haushaltskonsolidierung unterworfen werden.

Die LINKE fordert neben dem aktiven nunmehr ein passives Wahlrecht für alle Einwohner ab dem vollendeten 16. Lebensjahr. Damit wären Kandidaturen unabhängig von   Artikel 116 Grundgesetz möglich. Neben den Bürgern anderer Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, wäre es so auch ausländischen   Mitbürgern möglich für kommunale Mandate zu kandidieren.

Im Zeitalter moderner Kommunikationsmittel ist ein Ausschluss elektronischer Verfahren für uns nicht nachvollziehbar. Bereits jetzt gibt es elektronische Verfahren im Petitionsrecht und auf anderen Gebieten, die einer elektronischen Signatur unterliegen und statthaft sind.

Des Weiteren erachten wir die Stärkung der Vertretungen, besonders vor dem Hintergrund der erheblichen Entfernungen in den Kommunalstrukturen und der zunehmenden fachlichen Anforderungen für geboten. Daher sind für   unsere Fraktion die sächliche, personelle und finanzielle Stärkung der Fraktionen wichtige Voraussetzungen für eine zukunftsfähige kommunale Mandatswarnahme.

So fordern wir ebenfalls die Aufnahme einer Regelung, die es Nichtmitgliedern von Ausschüssen ohne förmliches Verfahren ermöglicht, ihr Rederecht zur Einbringung ihrer Anträge einzufordern.

Die Fachkundigkeit von sachkundigen Einwohnern wollen wir durch die Möglichkeit der Gewährung eines Stimmrechts, welches in der Hauptsatzung geregelt werden kann, stärken. Da sachkundige Einwohner nur in beratenden Ausschüssen vorgesehen sind, würde ihre Sachkunde unmittelbar in die Entscheidungen einfließen.

Für eine aktive Beteiligung der Einwohnerschaft ist ein verlässlicher Sitzungsplan der kommunalen Vertretung Voraussetzung. Mindestens einmal im Vierteljahr soll eine Sitzung durchgeführt werden. Sitzungen der Gemeinde-, Stadt- und Kreisräte und deren Ausschüsse sind aus unserer Sicht nur beschlussfähig, wenn sie ordnungsgemäß einberufen und geleitet werden.

Um dem Recht der Einwohner sich mit Bitten und Beschwerden an die Kommunen wenden zu können, schlagen wir die Einfügung eines neuen Paragrafen 51a vor. Dieser soll die Einrichtung von kommunalen Petitionsausschüssen ermöglichen.

DIE LINKE hält die Einführung hauptamtlicher Kinder- und Jugendbeauftragter für notwendig und unterbreitet mit dem § 78a einen entsprechenden Reglungsvorschlag.

Die vorgeschlagene Direktwahl von Ortsvorstehern und die Zuordnung umfangreicher Kompetenzen, die über die eines Ortschaftsrates hinausgehen, halten wir für verfassungsrechtlich bedenklich und beantragen daher die  Direktwahl durch eine Bestellungsregelung zu ersetzen.

Einen weiteren verfassungsrechtlich bedenklichen Regelungsinhalt sehen wir im § 94, Hauptverwaltungsbeamter der Verbandsgemeinde, begründet. Die Landesregierung schlägt ein Widerspruchsrecht gegenüber den Gemeinderäten der Mitgliedsgemeinden eben für diesen Hauptverwaltungsbeamten vor und entwertet damit die Zuständigkeit des Bürgermeisters der Mitgliedsgemeinde. Unser Regelungsvorschlag im § 94 Abs. 5 Sätze 1 und 2 reflektiert das Widerspruchsrecht der Bürgermeister der Mitgliedsgemeinden und lässt dem Hauptverwaltungsbeamten das Recht, auf Gesetzesverstöße hinzuweisen.
Im Zusammenhang mit den Regelungen zur Haushaltswirtschaft möchten wir eine Fortschreibungsmöglichkeit des Haushaltskonsolidierungskonzepts bei gleichzeitiger Wahrung der Verbindlichkeit des Konsolidierungsziels.

Im Zusammenhang mit den letzten Presseveröffentlichungen des Landesrechnungshofes hinsichtlich der überörtlichen Prüfung von Zweckverbänden möchten wir eine Konkretisierung der Prüfungshäufigkeit und die Aufnahme der Zweckverbände in die Regelung des § 137.

Mit unserem Änderungsantrag legen wir zunächst zentrale Vorstellungen unserer Fraktion zur Änderung des Kommunalverfassungsrechts vor. Eine Anhörung und eine umfassende Beratung zum Kommunalrechtsreformgesetz halten wir für unumgänglich.

Die Fraktion DIE LINKE behält sich die Einbringung weiterer Änderungsvorschläge vor, insbesondere hinsichtlich der wirtschaftlichen Betätigung der Kommunen, der Prüferfordernisse bei Minderheitengesellschaften sowie der Bildung von Zweckverbänden.

Namens meiner Fraktion beantrage ich die Überweisung des Gesetzentwurfes und unseres Änderungsantrages federführend in den Ausschuss für Inneres und Sport, mitberatend in die Ausschüsse für Finanzen, für Recht, Verfassung und Gleichstellung sowie für Arbeit und Soziales.