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Uwe Loos zu TOP 05: Rassismus, Antisemitismus, Homophobie und Gewalt im (Fußball-)Sport in Sachsen-Anhalt

Gewaltsame, antisemitische, rassistische und homophobe Anfeindungen und Übergriffe, ganz gleich ob nun verbaler oder physischer Natur, gilt es in allen Lebensbereichen entschieden entgegenzuwirken – so auch im Sport. Bedauerlicherweise kommt es aber gerade im Sport – und besonders im Fußball - immer wieder zu Ausschreitungen, bei denen Menschen zu Schaden kommen – sei es nun physisch oder psychisch. Dieses Phänomen ist nicht auf Sachsen – Anhalt beschränkt, sondern bundesweit zu beobachten, was jedoch nicht bedeuten kann und darf, dass man es als eine dazugehörige Gegebenheit hinnimmt. Nein. Es ist notwendig zu schauen, wie im Einzelnen - und vor allem mit welchem Erfolg -  hier in Sachsen – Anhalt versucht wird, dieser Entwicklung entgegenzutreten und sie aktiv zu bekämpfen.

In den letzten Jahren wiesen die Fallzahlen zwischen den Straftaten beim Fußball und allen anderen Sportarten starke Unterschiede auf. Die Zahlen sind in der Antwort zur Großen Anfrage nachzulesen. Aus diesem Grund sah sich die Polizei dazu gezwungen, die Vorkommnisse im Bereich Fußball gesondert zu erfassen. Dabei kommt es im Rahmen von Spielen besonders häufig zu Delikten wie Körperverletzungen, Raub, Landfriedensbruch, Bedrohungen und Widerstandshandlungen gegen Vollstreckungsbeamte.

Zu bemängeln bleibt jedoch der Fakt, dass politisch rechts motivierte, rassistische, homophobe, antisemitische und menschenfeindliche Übergriffe dabei nicht separat gelistet werden und man bei der Recherche darauf angewiesen ist, mittels Freitexteingabe im Datenbestand des polizeilichen Vorgangsbearbeitungssystems IVOPOL nach „Zufallstreffern“ zu suchen. Hier besteht meines Erachtens nach Handlungsbedarf. Es bedarf konkreter Daten, um konkrete Maßnahmen ergreifen zu können. Zu begrüßen ist dabei u.a. das Projekt des Deutschen Fußballbundes: In den elektronischen Spielbögen erfassen die Schiedsrichter/innen in jedem Meldebogen jegliche Vorkommnisse, die sie entweder selbst bezeugen können oder die ihnen gemeldet worden sind. Diese Maßnahme ist sinnvoll und zielführend, wenn es darum geht, u. a. eine verlässliche Datenbasis zu erhalten, auf deren Grundlage man erkennen kann, ob vorhandene Gegenmaßnahmen greifen und wo gegebenenfalls noch mehr getan werden muss.
Dazu ist es entscheidend und zwingend notwendig, das Datenmaterial auszuwerten und explizite Handlungsschritte festzulegen und zu kontrollieren.

Aber auch die Vereine sind gefordert. Sie sollten in ihren Satzungen und Platzordnungen dazu klar Stellung nehmen. Beispiel: Der Verein tritt rassistischen, fremdenfeindlichen, sexistischen und homophoben Einstellungen und Bestrebungen entschieden entgegen. Der Verein bietet nur solchen Personen die Mitgliedschaft an, die sich zu diesen Grundsätzen bekennen. Mitglieder und Gäste, die dagegen verstoßen, haben die Veranstaltung zu verlassen.

Der Sport vertritt besondere Werte wie Fairness, Toleranz und Zusammenhalt und muss die Prävention und Intervention ernst nehmen – das stellt auch der Landessportbund in seiner Stellungnahme klar. Wie sieht denn aber nun die konkrete Präventionslage im Land Sachsen – Anhalt aus? Der Landessportbund verweist auf zwei zentrale Projekte: das MuT-Projekt und ein eine Initiative der Sportjugend Sachsen – Anhalts, die sich insbesondere der Bekämpfung sexualisierter Gewalt widmet. Ich möchte mich an dieser Stelle im Namen meiner Fraktion - und ich hoffe auch im Namen des gesamten Hauses - für diese engagierte Arbeit beider Projekte bedanken.

Das MuT-Projekt wirbt schon per se für das Ziel: Menschlichkeit und Toleranz. U. a. wurden 43 Demokratietrainer/innen ausgebildet. Es wird seit 2011 durch das Land bezuschusst und ist Teil des Bundesprogramms „Zusammenhalt durch Teilhabe“, das durch das BMI ins Leben gerufen wurde. Es wendet sich an haupt- und ehrenamtliche Vereinsmitglieder, die mit Hilfe des Projektes geschult und sensibilisiert werden, um antidemokratische und extremistische Tendenzen zu erkennen und darauf entsprechend zu reagieren.

Wenn man sich die Projektinhalte anschaut, dann ist zu erkennen, dass hier sehr viel Aufbauarbeit geleistet werden muss: Netzwerke zur Aufklärung und Sensibilisierung, gegen Extremismus im Sport, einer Beratungs- und Unterstützungsstruktur und nicht zuletzt die Entwicklung eines verbandsspezifischen Konzeptes für den Fußballverband Sachsen – Anhalt geleistet werden soll. An dieser Stelle fehlen leider fundierte Erhebungen darüber, inwiefern das MuT-Projekt bereits Wirkung zeigt bzw. greift.
Schätzungen genügen nicht, um argumentativ arbeiten zu können.

Umso befremdlicher ist es dann, wenn man bedenkt, dass die Landesregierung die Mittel der Kofinanzierung von 200.000 Euro auf 150.000 Euro gesenkt hat - zumal die Wichtigkeit des Projektes, an der auch sicher kein Zweifel besteht, von ihr immer wieder hervorgehoben wird. Hinzu kommt, dass der Förderzeitraum am 31. Dezember 2016 endet. Wie wird dann die begonnene Arbeit fortgesetzt? Der Landtag sollte hier schnellstmöglich ein klares Zeichen zur Weiterführung des Projektes setzen.

Signale gegen Gewalt im Sport – gegen Rassismus, Homo- und Transphobie wurden auch seitens des HFC und des 1.FCM gesetzt. Durch engagierte Fanprojekte wird versucht, dem steigenden Trend an Übergriffen entgegenzuwirken. Hier sollte es ebenfalls ein engmaschiges Controlling geben. An dieser Stelle sollte auch die Frage gestellt werden, ob die vorhandenen Maßnahmen genügen. Ich sage ganz klar: Nein! Solange man nicht konsequent gegen Verstöße von Vereinen, wie den FC Ostelbien-Dorenburg vorgeht, haben wir noch viel Aufklärungsarbeit zu leisten. Dazu wiederum braucht es gesicherte Daten, die es aber selbst für die Nachhaltigkeit des MuT-Projektes bis dato nicht gibt.

Ich möchte an dieser Stelle aber noch auf ein Problem aufmerksam machen, das viel zu sehr banalisiert wird: Die Unterwanderung von Fanclubs, Fußballvereinen und Ordnerdiensten des Landes Sachsen – Anhalts durch Hooligangruppen. Auch bei einigen ULTRA-Gruppen zeigen sich solche Tendenzen. Die Landesregierung gibt an, keine Erkenntnisse über eine gezielte Unterwanderung zu haben, räumt jedoch ein, dass „personelle Überschneidungen“ möglich seien. Hier schwingt eine Verharmlosung des Problems mit, die unserer Ansicht nach gefährlich ist, denn bundesweite Zwischenfälle zeigen deutlich, dass diese Gruppen durchaus in einem hohen Maße präsent und in vielen Fällen für schwere Anfeindungen und Übergriffe verantwortlich sind.

Der Bundesgerichtshof hat in einem jüngsten Urteil (22.01.2015) entschieden, dass Hooligan – Gruppen als kriminelle Vereinigungen angesehen werden können.
Dies geschah sicher aus dem Kontext der Notwendigkeit heraus, denn es lässt sich wohl kaum abstreiten, dass es hier in Sachsen  - Anhalt sehr wohl eine reelle Gefährdung durch Hooligangruppen gibt und dass sich unter ihnen durchaus Repräsentanten für nationalsozialistisches Gedankengut finden lassen.

Ich möchte in diesem Zusammenhang nur an die Geschehnisse in Ostelbien erinnern, die der Einschätzung des Verfassungsschutzes zur Person Dennis Wesemann und seinem jüngsten in Erscheinung treten deutlich widersprechen. Auch zeigen Organisationen wie BWSE, dass es sehr wohl Kontakte, Verbindungen, Bündnisse und Überschneidungen zwischen Hooligans und Nazis gibt. Des Weiteren wird auch durch Phänomene wie HoGeSa und MAGIDA augenfällig, dass es durchaus antidemokratisches Potential und enge Verquickungen zwischen Hooligans uns Nazis gibt. In diesem Zusammenhang sollten Maßnahmen getroffen werden, die es ermöglichen, die Fangruppenarbeit zu verbessern, es Mitgliedern der Fanclubs und Fußballvereinen zu ermöglichen, etwaige Verbindungen zu diesen Gruppen aufzudecken und gegebenenfalls mit Sanktionen zu belegen. Hier sind Landesregierung, Fußballverband, LSB und auch wir, meine Damen und Herren, in der Verantwortung, Erwartungen gegenüber den Vereinen deutlich zu formulieren. Aber auch die Fangruppenarbeit und Fanprojekte gilt es zu unterstützen. Nur gemeinsam sind wir erfolgreich.

Erlauben Sie mir an dieser noch einmal ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass
man das tatsächliche Aufkommen und die Relevanz von Rassismus und Homophobie eben nicht nur an Straftatenzahlen koppeln kann und darf. Wenn ein Umfeld im Fanblock antisemitische Beleidigungen nicht problematisch findet, gibt es keine Anzeige, aber trotzdem Antisemitismus. Auch ist es irreführend, wenn man nur Extremismus und dessen Auswüchse als Gefahr ernstnimmt. Antisemitisches, homophobes, rechtes und wie auch immer menschenfeindliches und antidemokratisches Gedankengut äußerst sich nicht nur in extremen Ausschreitungen, sondern zieht sich – und das ist die denkbar größte Gefahr – durch alle Bevölkerungsschichten.