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Stefan Gebhardt zu TOP 6: Aussprache zur Großen Anfrage "Theater und Orchester in Sachsen-Anhalt"

Die Antwort auf die Große Anfrage enthält zwei zentrale Sätze, mit denen ich meine Rede gern beginnen möchte: “Die Landesregierung erkennt die große künstlerisch-kulturelle Bedeutung der Theater und Orchester im Lande an, die ganz maßgeblich die Identität des Landes prägt.“ Und der Satz: „Ziel der Landesregierung ist es deshalb, keine weiteren strukturellen Einschnitte in der Theater- und Orchesterlandschaft des Landes zuzulassen, sondern den Theatern und Orchestern jene Planungs- und Finanzierungssicherheit zu geben, die sie benötigen, um ihren künstlerisch-kulturellen Auftrag zu erfüllen.“

Sehr geehrte Damen und Herren der Koalitionsfraktionen, lieber Herr Kulturminister! Wenn sie es ernst meinen damit, dass das Land den Theatern und Orchestern jene Sicherheit geben will, damit die Häuser ihren künstlerisch-kulturellen Auftrag erfüllen können - dann haben sie uns uneingeschränkt an ihrer Seite! Ein wichtiges und richtiges Statement, das es zu untermauern gilt.

Wir erinnern uns: Die massiven Kürzungen von Landesmitteln beim Abschluss der Theater- und Orchesterverträge 2014 (von 36 auf 30 Millionen Euro) zogen erhebliche strukturelle Anpassungen nach sich. Dabei ging es maßgeblich um die Haushaltskonsolidierung und die Leistungsfähigkeit der „teils klammen Kommunen“ (Zitat Dorgerloh) Am Ende traf es drei Standorte: Lutherstadt Eisleben, Halle und Dessau, an denen Umstrukturierungsprozesse, besser gesagt Abbauprozesse eingeleitet wurden.

Darüber hinaus wollte man insgesamt weg von Haustarifverträgen, man beteiligte sich an einer Dynamisierung der aus den Tarifverträgen entstehenden Kosten, die Zukunftsfähigkeit der Theaterlandschaft im Land sollte erhalten bleiben, die Publikumszahlen sollten sich stabilisieren usw. Nach Ablauf der Förderperiode und im Hinblick auf die Neuverhandlungen stellt sich die Frage, inwiefern die damals gestellten Ziele erreicht werden konnten oder an welchen Stellen die Auffassungen der damaligen Landesregierung falsch waren und korrigiert werden müssen.

Mit den uns vorliegenden Daten der Großen Anfragen lassen sich diese Fragen beantworten, wir erhalten Aufschluss über die aktuelle Situation und Leistungsfähigkeit der Theater- und Orchesterstandorte im Land und können Rückschlüsse auf die künftige Förderperiode treffen. Lassen Sie uns die Ergebnisse also näher anschauen:

Beginnen wir mit erfreulichen Zahlen: Die Publikumszahlen der Theater und Orchester des Landes sind den vergangenen Spielzeiten bei den meisten Häusern konstant geblieben oder sogar leicht gestiegen. Die Auslastung der Häuser liegt zwischen 70 und 80% - die Puppentheater erreichen sogar eine Auslastung von über 90%! Ein Ergebnis, dass sich im bundesweiten Vergleich nicht verstecken muss.

Diesen Ergebnissen liegen erhebliche Anstrengungen der Theaterhäuser zu Grunde.Theaterpädagogische Angebote, Partnerschaften mit der Freien Szene sowie die Vernetzung mit externen Kooperationspartnern von Kita über Schule bis hin zu Kultureinrichtungen und Verbänden spielen eine wesentliche Rolle nicht zuletzt auch bei der Publikumsgewinnung.

Die Antwort der Landesregierung zeigt die vielfältigen Programme und Projekte der sachsen-anhaltischen Theater- und Orchester, die neben der Vergrößerung der eigenen Zielgruppe, kulturelle Angebote ins Land transportieren und darüber hinaus mit Spitzenproduktionen oder auch mit sehr besonderen und vorbildhaften Gesamtkonzepten weit über das Land hinaus wirksam werden. So erhält das Theater Naumburg im Jahr 2017 ebenso wie das Theater der Altmark in Stendal und das Anhaltische Theater in Dessau-Roßlau ein Jahr zuvor den Bundes-Theaterpreis.

Die lobenden Worte der Kulturstaatsministerin Grütters können hier nur ermutigen und sollten wie ich finde auch mal an dieser Stelle benannt werden: „Es wurden Bühnen ausgewählt, die auf ihre je eigene Art ,Welttheater‘ sind, die ungewöhnliche Kooperationen eingehen, mit Mut, Witz, aber auch Risiko spielen und so ihre Stadtgesellschaften mitprägen.“ Und die Theaterszene in Sachsen-Anhalt ist vielfältig!

Neben den vertragsgeförderten Häusern darf an dieser Stelle auch die Freie Theaterszene nicht unbenannt bleiben. So ging in diesem Jahr der Monika Bleibtreu Theaterpreis an das Magdeburger Freie Theater „Theater an der Angel“.

Die Daten der Großen Anfrage zeigen: Wir haben eine vielfältige und erfolgreiche Theaterlandschaft in Sachsen-Anhalt. Doch dafür, dass es so bleibt, muss das Land etwas tun! Um es klar zu sagen: Das Land muss dann deutlich mehr tun, als in der Vergangenheit.

Die Kürzungen von 2014 haben Teile der Theaterlandschaft fast an den Ruin gebracht. Dass wir trotzdem noch von einer vielfältigen und qualitativ hochwertigen Theater- und Orchesterlandschaft in LSA sprechen können, haben wir vor allem den Theatermachern und den Trägern zu verdanken. Ohne deren Leistungen sähe die Kulturlandschaft in unserem Bundesland deutlich ärmer aus. Deshalb geht ein ausdrücklicher Dank an all jene, die sich in den letzten Jahren hier erfolgreich engagiert haben.

Kommen wir zu den drei Theaterhäusern, die von den Kürzungen der Landesmittel im Jahr 2014 besonders betroffen waren: Auch an dieser Stelle unterstreicht die Antwort der Landesregierung, was uns bereits klar war oder was zumindest erahnt werden konnte. Unumstritten ist, dass der Transformationsprozess der ehemaligen Landesbühne in Eisleben zum Kulturwerk gescheitert ist. Auch hier resultierte laut Landesregierung die Neuausrichtung nicht aus einer negativen Bewertung der Arbeit der Landesbühne, sondern war einzig und allein der Haushaltssituation geschuldet.

Diese Neuausrichtung ist bereits vor zwei Jahren zurückgenommen worden. 2016 wurde der konzeptionelle Ansatz eines breitenkulturellen Kulturwerkes offiziell als gescheitert erklärt und das Theater wurde wieder ein Theater – soweit alles richtig und gut. Nun kommt jedoch der Fehler - der inhaltlich konzeptionelle Ansatz wurde zu Recht als falsch erkannt – die Mittelkürzung beruhte auf diesem falschen inhaltlichen Ansatz – Eine notwendige Anpassung der Finanzierung wurde nicht vorgenommen. Bis heute haben wir also ein Theater, das wie ein Kulturwerk finanziert wird. Das kann auf Dauer nicht funktionieren!

Nun hängt es also am Vertragsabschluss über die Finanzierung des Theater Eisleben ab 2019, diesen Fehler in der Grundfinanzierung zu korrigieren.

Verdeutlichen kann man die Schieflage auch am Anteil der Landesförderung am Theater Eisleben im Jahr 2018. Dieser liegt bei 16,24 % - ein Wert weit unter dem Landesanteil jedes anderen geförderten Theaters in Sachsen-Anhalt! An dieser Stelle muss dringend korrigiert werden!

Ich lese aus der Großen Anfrage mit Freude, dass die finanzielle Situation des Theaters Eisleben ab 2019 stark verbessert werden soll. Nun dürfen wir gespannt sein, was die Landesregierung darunter versteht. Wir sehen eine Erhöhung der Landesmittel auf einen auch im Vergleich zu den anderen Theatern angemessenen Landesanteil als Mindestmaß des Möglichen.

Aber auch die Kürzungen beim Anhaltischen Theater haben negative Auswirkungen auf die Theaterlandschaft Sachsen-Anhalts mit sich gebracht. Im Verlauf der letzten Jahre ist die schwierige Haushaltslage des Anhaltischen Theaters, die wiederkehrend zu Spielplanveränderungen und Vorstellungsaufall geführt hat, mehrfach in den Medien thematisiert worden. Laut Antwort der Landesregierung hat sich das künstlerische Programm am Wirtschaftsplan und den dort festgeschriebenen Zuweisungen zu orientieren. Spielplanveränderungen und Vorstellungsausfall wären laut Landesregierung eigentlich nicht denkbar.

Eigentlich! Diese Einschätzung des Landes blendet leider die tatsächliche Situation im Anhaltischen Theater Dessau aus. An dieser Stelle muss man sich der Realität auch mal stellen. Und die sieht erstmal so aus, dass die Beschäftigten am Anhaltischen Theater in Dessau zwangsläufig nur 90% arbeiten, bei der ohnehin schon viel zu dünnen Personaldecke. Und oftmals stehen sie vor der Quadratur des Kreises:

Wenn ein Theaterstück geplant ist und der Hauptdarsteller währenddessen z.B. erkrankt, gibt es keinen Ersatz am Haus. Entweder man kauft teuer Gäste ein (was das Budget nicht hergibt) oder man lässt das Stück ausfallen und verzichtet auf Einnahmen und Publikum (was man sich finanziell auch nicht leisten kann). Solche Situationen sind am Anhaltischen Theater leider keine Seltenheit. Schon deshalb muss das Land hier reagieren und finanziell draufsatteln.

Auch die überaus schwierige finanzielle Situation der Theater- und Orchester GmbH in Halle ist in den letzten Jahren mehr als deutlich geworden. Der Prozess der Strukturanpassung zeigt sich im Rückgang der Besucherzahlen. Die Strukturanpassung hat nur auf dem Papier funktioniert. Realistische Kennziffern hinsichtlich der Besucherzahlen lagen dem Strukturanpassungskonzept offensichtlich nie zu Grunde. Ein Sanierungs- und Strukturanpassungskonzept, dass auf finanzielle Einsparungen abzielt, kann nicht gleichzeitig einen künstlerischen Aufschwung und steigende Besucherzahlen erwarten.

Die genannten Beispiele sowie die Tatsache, dass auch das Hauptziel der Theatervertragsverhandlungen aus dem Jahr 2014 – Haustarifverträge zu vermeiden – gescheitert ist, lässt doch sehr am Sinn und Erfolg der Maßnahmen von damals zweifeln.

An den Standorten Halberstadt/Quedlinburg, Wernigerode und Schönebeck werden weiterhin Haustarife gezahlt und wie auch schon erwähnt am Anhaltischen Theater in Dessau arbeitet die Belegschaft mit 90% - was de facto auch einem Haustarifvertrag entspricht. Festzustellen ist also: Wenn die Grundlage der aktuellen Theatervertragsverhandlungen die im Jahr 2014 gekürzten Landessummen darstellen, werden die Kürzungen von damals fortgeschrieben – ohne Rücksicht auf Verluste und ohne Kenntnisnahme der realen Situation.

Wie lange können die Kommunen hier noch ausgleichen? Rückblickend ist klar, dass die Kommunen in den vergangenen Haushaltsjahren viel stärker in die Pflicht genommen wurden als die Zahlen der noch geltenden Verträge aussagen. Im Übrigen eine Tatsache, die in der Antwort der Landesregierung ausgeblendet wurde, um die Theater überhaupt spielfähig zu halten. In vielen Fällen mussten die Kommunen weit über die jährliche Summe hinaus fördern, die in den Verträgen festgelegt wurde. Auch das ist ein deutliches Indiz für die Notwendigkeit einer genaueren Betrachtung der Landesförderung.

Die Summe, die nun im Haushaltsplanentwurf für die Theaterförderung eingestellt ist, klingt zunächst nach einer gehörigen Erhöhung - Ein Zuwachs von ca. 6 Millionen Euro. Wobei hier ca. die Hälfte der Mittel für die Dynamisierung einsetzt werden soll.Und es darf nicht vergessen werden, dass die aktuelle Landesregierung die Fehler der alten Landesregierung auszubügeln hat. Ziehen wir diese Fehler einmal ab, sieht die Summe weitaus weniger erfreulich aus.

Wir erwarten einen differenzierten Blick auf die einzelnen Häuser und die Rücknahme der Kürzungen aus dem Jahr 2014 sowie eine Landesförderung der Theater Sachsen-Anhalts, die von deren Bedeutung und hohem künstlerischem Niveau geleitet ist. Mit unserer Einschätzung, dass die Theaterkürzungen im Jahr 2014 falsch waren, befinden wir uns ja nicht allein. Auch in der Koalition wird unsere Einschätzung diesbezüglich offenbar geteilt.

Ich möchte daran erinnern, dass Die Grünen seinerzeit mit uns quasi Seite an Seite gegen die Kürzungen gekämpft haben und ich deshalb auch davon ausgehe, dass sich die Position der Grünen hier nicht verändert hat und sie sich heute in der Kenia-Koalition für eine Rücknahme der damaligen Streichungen einsetzen werden. Auch aus der SPD kamen entsprechende Signale, die hoffnungsvoll machen. Die Fraktionsvorsitze Katja Pähle bezeichnete die Theaterkürzungen auf einer Veranstaltung der Fördervereine der Theater als Fehler. Und auch einzelne CDU-Abgeordnete versprachen gegenüber der Presse, sich für eine bessere Theaterförderung einzusetzen.

Ich erwähnte vorhin bereits die zentrale Bedeutung der Theaterpädagogik mit ihrer Doppelfunktion einerseits ein junges Publikum für die Kunstsparte zu gewinnen, im Sinne von Zuschauerbindung, und zum anderen die Aufführungen vertiefend zu begleiten – im Sinne des Theaters als Lernort. Die Daten der Großen Anfrage sprechen an dieser Stelle für sich. In den Jahren 2015 bis 2018 wurde ein Theaterpädagogisches Modellprojekt mit dem Ziel umgesetzt: „die Theaterpädagogik im Lande insgesamt zu stärken, neue theaterpädagogische Formate […] zu erproben sowie die Akteure sowohl der freien Theaterszene als auch der Theaterhäuser zu einem festen und beständigen Netzwerk Theaterpädagogik zu vereinen.“

Einmalig bei diesem Projekt war die Vernetzung aller Akteure in diesem Feld sowie die Einbindung der vertragsgebundenen Theaterhäuser wie Akteure der Freien Theaterszene. Insgesamt wurden über die Laufzeit des Programms 30 Theaterpädagog*innen an sieben Theaterhäusern im Land beschäftigt und 23 Freie Theatergruppen gefördert. Entsprechend positiv waren die Ergebnisse der externen Zwischenevaluation, die den Mehrwert dieses Programms für die sachsen-anhaltische Theaterlandschaft feststellte und darüber hinaus zu dem Schluss kam, dass um die theaterpädagogische Arbeit im Land dauerhaft auf einem hohem Niveau zu halten, der Förderzeitraum verlängert werden muss.

Denn bereits zur Halbzeit war klar, dass die Mehrzahl der Akteure nicht in der Lage sein werden, die finanziellen Mittel aufzubringen, um die theaterpädagogischen Projekte allein in dieser Qualität fortzuführen. Die Verlängerung der ersten Modellphase war also nicht überraschend. Die Entscheidung über eine regelhafte Fortführung des Vorhabens ab 2019 soll nun nach Aussage der Landesregierung in der Großen Anfrage nach Vorlage des externen Evaluierungsberichtes erfolgen. Der Bericht wird im November diesen Jahres erwartet. Überraschend ist nun, dass die Landesregierung mit der Haushaltsplanaufstellung 2019 ihrer eigenen Aussage widerspricht und das Theaterpädagogische Programm offensichtlich keine finanzielle Berücksichtigung findet!

Wie haben wir das zu verstehen? Gibt es in der Zeit zwischen der Beantwortung der Anfrage und heute neue Erkenntnisse? Oder werden die Einschnitte in der theaterpädagogischen Arbeit der Häuser und in der Freien Szene einfach auf die Gefahr, dass die Zuschauerzahlen darunter leiden, hingenommen? Klar ist, ausgleichen können die Häuser diese Kürzung nicht –geschweige denn die als äußerst positiv beschriebene Vernetzung der Arbeit fortführen.

Aus unserer Sicht muss hier Haushaltsvorsorge getroffen werden – denn bereits jetzt deutet sich an, dass das Engagement des Landes nicht auf Null gefahren werden kann, wenn man die ausgesprochen erfreuliche Entwicklung der Theaterpädagogik in Sachsen-Anhalt der vergangenen Jahre nicht wieder demontieren möchte.

Für die kommenden Haushaltsberatungen liegt eine Menge kulturpolitische Verantwortung in unseren Händen. Für die Theater und Orchester geht es hier um sehr viel und ich bin mir sicher, dass genau danach geschaut wird, wer hier welche Position einnimmt. Lassen sie uns heute damit beginnen, indem wir gemeinsam feststellen: „Die Landesregierung und der Landtag erkennen die große künstlerisch-kulturelle Bedeutung der Theater und Orchester im Lande an, die ganz maßgeblich die Identität des Landes prägt.“ Und lassen Sie uns dann gemeinsam schlussfolgern: Das gibt es nicht zum Nulltarif.

Lassen wir also den Worten die entsprechenden Taten folgen. Denn es liegt an uns, ob den verbalen Bekundungen auch die finanzielle Wertschätzung folgt. Meine Bitte: Sind wir hier verlässlich!