Diese Website verwendet Cookies. Warum wir Cookies einsetzen und wie Sie diese deaktivieren können, erfahren Sie unter Datenschutz.
Zum Hauptinhalt springen

Sabine Dirlich zu TOP 17: Cannabis umfassend als Medizin nutzen / Cannabiskonsum entkriminalisieren – Krankheiten lindern

Die Regierungsfraktionen haben sich in den vergangenen Wochen im Sozialausschuss vielfach darum gedrückt, unsere Anträge überhaupt noch in der Sache zu beschließen. In diesem Falle kam Ihnen auf Bundesebene eine Ankündigung des Bundesgesundheitsministers Gröhe entgegen, dass ein Gesetz  den Zugang zu Cannabis als Medikament erleichtern soll. Es wird ein Gesetz geben. Aha. Genauer will man es vielleicht auch gar nicht wissen.

In der Tat wird der Handlungsbedarf sichtbar. In den vergangenen Jahren haben sich viele Betroffene ihre Rechte vor Gericht erstreiten müssen. Viele das Recht dazu, Cannabis als Medikament nutzen zu dürfen. Einzelne hiernach auch noch das Recht, Cannabis für diese Eigennutzung anbauen zu dürfen. Wohlgemerkt, wir sprechen hier zum größten Teil von Palliativpatient_innen. Die aktuelle Rechtslage muss daher als menschenunwürdig bezeichnet werden.

Und: Grund für die Reformen ist also kein Paradigmenwechsel, sondern sind eben diese Urteile, die zum Handeln zwingen. Dies wird auch in den einschränkenden Zwischentönen Gröhes deutlich, die festhalten, dass der Missbrauch von Medikamentencannabis unbedingt verhindert werden müsse. Und hier beißt sich die Katze wieder in den Schwanz:
Ausgangspunkt der unzureichenden Nutzung der segensreichen Wirkungen ist die tabubeladene Prohibition von Cannabis als Droge. Dies gerade führte doch dazu, dass das vergleichbar harmlose Cannabis auch als Medikament noch schwerer zugänglich ist als Opiate oder Morphin. Das ist doch völlig absurd. Zumal Cannabis als Schmerzstiller wirkungssicherer ist. Weil das Dogma die Ursache ist, hatte meine Fraktion in ihrem Ursprungsantrag auch Elemente eingefügt, die Schritte zu einer allgemeinen Entkriminalisierung oder besser Regulierung von Cannabis als Droge darstellen. (Cannabisclubs, Anbau für den Eigenbedarf generell freistellen). Um aber der Sache zu dienen – bzw. den vielen Patient_innen, gab es im Ausschuss einen Kompromissvorschlag zusammen mit Bündnis 90 / Die Grünen. Die Weichen im Betäubungsmittelgesetz müssen auf Bundesebene so gestellt werden, dass Cannabis und cannabishaltige Medikamente verschreibbar werden.

Wir hatten eine fachlich hoch spannende Anhörung im Sozialausschuss. Drei Punkte möchte ich hieraus besonders hervorheben.

1.    Die Zahl der möglichen Patient_innen ist wohl deutlich höher, als wir zuvor angenommen haben. Wir hatten uns zuvor an den vorsichtigen Schätzungen von einem Prozent der Bevölkerung gehalten. Für Sachsen-Anhalt also etwa 22.000 Menschen. Herr Dr. Knud Gastmeier, Facharzt für Anästhesie aus Potsdam, hat aus seiner Erfahrung eigene Berechnungen vorgenommen und kam zu dem Schluss, dass in Sachsen-Anhalt allein 67.000 Schmerzpatient_innen von Cannabis als Medikament profitieren könnten (also Rechnung ohne MS, Glaukom u.a. Patient_innengruppen.)

2.    Wir haben eine unzumutbare Grauzone in der Praxis der Palliativmedizin. Ein geschildertes Beispiel: ein Enkel versorgt seine schwerstkranke Oma mit Hasch-Keksen, weil sie sich nicht zweimal am Tag das Dronabinol leisten kann. Diese Grauzone ist für alle Beteiligten ein Problem.

3.    Die krebsbedingte Magersucht – auch „Anorexie-Kachexie-Syndrom“ genannt. Jeder von uns hat es sicher in der Verwandtschaft schon einmal erlebt: Die Betroffenen mögen nicht mehr essen. Neben der Tatsache, dass viele von Ihnen an dieser Magersucht sterben – also: noch bevor der Krebs zum Tode führt (ja richtig: sie verhungern.) – neben dieser schlimmen Tatsache geht es um ein großes Stück Lebensqualität zum Ende des Lebens. Und mit Cannabis kommt der Appetit zurück. Die Menschen haben wieder Freude am Essen. Auch wenn Cannabis den Krebs nicht heilt, so verbessert sich doch der Gesamtzustand.

Wir wollen, dass diese Menschen die Hilfe bekommen, die sie benötigen und können daher Ihre unzureichende Beschlussempfehlung nur ablehnen. Es ist sehr schade, dass die Regierungsfraktionen auf unseren Kompromiss nicht eingehen wollten.